Forsa-Chef Manfred Güllner„Trotz der Klagen ändert sich in Köln nichts“

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Dom und Reiterdenkmal in Köln

Köln – Herr Professor Güllner, für Sie persönlich ist Köln die Mutter aller Studien – vor fast 50 Jahren haben Sie hier Ihre erste eigene Meinungsumfrage durchgeführt.

Und schon damals habe ich nach ganz ähnlichen Indikatoren für die Einstellung der Kölner zu ihrer Stadt gefragt wie heute: Wahrnehmung der Kommunalpolitik, Bekanntheit des Oberbürgermeisters, Kritikpunkte und Ärgernisse. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich vor allem eines gezeigt: Es gibt wenige Städte mit einem vergleichbaren Identifikationsgrad. Das wird auch deutlich im beharrlichen Festhalten der Kölner an „kölschen“ Institutionen. Nehmen Sie nur die Treue zum 1. FC, an der auch der nicht unwahrscheinliche nächste Abstieg wieder nichts ändern wird.

Wie erklären Sie es sich dann, dass ein hoher Anteil der Kölner eine Veränderung ihrer Stadt zum Negativen zu beobachten meint?

In der Langzeitbetrachtung fällt eine – wie ich finde – bedenkliche Entkoppelung der Bürger von der Kommunalpolitik auf. So schwindet beispielsweise die Bekanntheit der führenden städtischen Handelnden, während gleichzeitig der Unmut über das Handeln von Rat und Verwaltung rapide steigt. Das unterscheidet Köln von anderen Städten wie etwa Frankfurt, wo die Bürger die Stadt eher auf einem guten Weg sehen.

Manfred Güllner

Manfred Güllner

Woran macht sich das Negativbild fest?

Es ist höchst bemerkenswert, dass die Kritik an einer Vernachlässigung und Verwahrlosung der Stadt über die Jahre hinweg einen außergewöhnlich hohen Stellenwert einnimmt. Das heißt: Die Kölner klagen seit Jahr und Tag über den Dreck in der Stadt, aber es ändert sich nichts. Etwas Ähnliches gilt für die Verkehrsprobleme. Ich wüsste keine andere Stadt, wo sich Bürger so über die Verkehrsinfrastruktur und die Verkehrspolitik ärgern wie in Köln.

Aber das hat – zumindest gefühlt – keine Konsequenzen?

Im Gegenteil! Das Merkwürdige in Köln ist doch, dass Rat und Verwaltung die Bürger immer noch mehr drangsalieren, statt die Schwachstellen zu beheben. Schauen Sie sich zum Beispiel die Verkehrsführung in der Innenstadt an! Wer sich da nicht perfekt auskennt und weiß, wie er die neuralgischen Punkte umgehen kann, der fährt sich hoffnungslos fest. All das schlägt dann umso negativer ins Kontor, wenn Wahlkampfversprechen und Wirklichkeit eklatant auseinanderklaffen. Die amtierende Oberbürgermeisterin hat eine Service-Offensive der Verwaltung versprochen – aber jeder Hausbesitzer kriegt das große Zittern, wenn er einen Bauantrag stellt, weil er mit monatelangen Wartezeiten rechnen muss.

Zur Person

Prof. Manfred Güllner, geboren 1941, ist Soziologe, Sozialpsychologe und Betriebswirt. 1984 gründet er das Forsa-Institut und ist seitdem einer der führenden Wahlforscher in Deutschland. Er ist außerdem Honorarprofessor für Publizistik an der FU Berlin. Güllner lebt mit seiner Familie in Berlin. (red)

Köln ist also selbst schuld am Unmut der Kölner?

Sagen wir, die Kölner Politik. Wobei auch der Wegfall der Sperrklausel bei den Kommunalwahlen fatale Folgen hat. Ich halte deshalb auch das höchstrichterliche Urteil für katastrophal, das jetzt selbst die vom NRW-Landtag beschlossene Minihürde von 2,5 Prozent wieder gekippt hat. Die Zersplitterung der Stadträte in kleine und kleinste politische Gruppierungen führt ja nicht etwa dazu, dass die Politik besser würde, sondern dass vieles zerredet wird. Ich war selbst von 1969 bis 1978 im Kölner Rat, zu Beginn als damals jüngster Stadtverordneter und danach fünf Jahre in der Stadtverwaltung. Daher kenne ich die Kommunalpolitik auch aus der Praxis. Damals begann die Unsitte, mehr zu reden, als sich um die wirklichen Probleme zu kümmern.

Der Kölner an sich schwadet halt gern.

Ja, aber früher wurden noch Entscheidungen getroffen. Und es kam zu einem Konsens. Man konnte sich auf bestimmte Dinge einigen oder an einem Strang ziehen. Heute geht es um Koalitionen und Bündnisse und Vereinbarungen – alles Elemente der großen Politik, die auf kommunaler Ebene eigentlich nichts zu suchen haben. Sicher, das passiert nicht nur in Köln. Aber es passiert eben auch in Köln und führt dazu, dass die Stadt schlechter dasteht, als sie es könnte und sollte.

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