Gartenblogs boomen„Der kleine Horrorgarten“ aus Köln ist besonders erfolgreich

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Gartenbloggerin Anja Klein aus Köln liebt Dahlien.

Köln – Wer zufällig in der Schrebergartensiedlung im Ehrenfelder Blücherpark durch den Dompfaffweg schlendert, der bleibt unvermittelt stehen und atmet tief ein. Der betörende Duft von Lavendel und Wicken und die bunte Staudenpracht lassen unwillkürlich innehalten. Bienen tanzen über den Blüten der insektenfreundlichen Stauden. Ihr „Duftbeet“ nennt Gärtnerin Anja Klein die Fläche am Eingang ihres großen Schrebergartens. Gemeinsam mit dem aus alten Holz-Fensterrahmen selbst gebauten Gewächshaus ist es so etwas wie das Erkennungszeichen ihres Kleinods, das sie gerne mit anderen teilt.

Als Klein vor elf Jahren den Schrebergarten übernahm, stand an der Stelle des Duftbeets eine hohe Hecke. Die hat sie als erstes beseitigt, weil sie einen bestimmten „Spirit“ verbreiten will, wie sie das ausdrückt. „Es geht mir um biologische Vielfalt, um Offenheit und darum, für den Kreislauf der Natur zu begeistern“, sagt die Gärtnerin, die auch gerne mal am Gartentor mit Spaziergängern ein Schwätzchen hält.

200.000 Aufrufe im Monat

Die meisten, die hier vorbeikommen, wissen gar nicht, dass die Kölnerin, die hier die Erde bestellt, eine der führenden Gartenbloggerinnen in Deutschland ist. Die gelernte Ingenieurin für Lebensmitteltechnik hat vor zehn Jahren ihren Gartenblog „Der kleine Horrorgarten“ ins Leben gerufen, in dem sie seither ihr Wissen über das Gärtnern teilt. Heute ist dies einer der erfolgreichsten Gartenblogs in Deutschland, der im Sommer monatlich 200 000 Aufrufe zählt. Tendenz steigend. Auf eine solche Zahl bringt es in Deutschland nur noch der bekannte Gartenblog „Neulich im Garten“, den der Rommerskirchener Ralf Roesberger in Kombination mit seinem inzwischen zum Kult avancierten Youtube-Selbstversorgerkanal betreibt.

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Das besondere Markenzeichen ist das Gewächshaus aus alten Holzfenstern. 

In ihrem Blog gibt Klein zum Beispiel Tipps zur Konzeption eines Gemüsebeets, damit man mit sich mit einem einzigen Gemüsebeet vom Frühjahr bis in den Herbst komplett mit Gemüse versorgen kann, oder informiert über Gemüse für den Anfänger. Bauanleitungen für Wurmkompostkisten oder für den stilvollen Mini-Teich in einer alten Zinkwanne finden sich ebenso wie jede Menge vegetarische Rezepte, wie man anschließend den Segen der Natur verarbeiten kann. 2020 wurde der „Kleine Horrorgarten sogar mit dem Titel „Gartenblog des Jahres“ ausgezeichnet.

Riesenschub durch Corona

Als Klein vor zehn Jahren begann, gab es noch ganz wenige Gartenblogs. Inzwischen ist eine riesige gut vernetzte Gartenblogger-Szene entstanden - von den „Beetschwestern“ bis zum „Gartengemüsekiosk“. Bei jährlichen Treffen lernen sie sich auch gegenseitig kennen und tauschen sich aus. Durch Corona hätten die Gartenblogs und überhaupt das Thema Gärtnern noch mal einen gewaltigen Schub bekommen, bestätigt Anja Klein.

Die besten Gartenblogs aus NRW

Neulich im Garten: Ralf Roesberger aus Rommerskirchen ist der bekannteste Selbstversorger Deutschlands. Sein Youtube-Channel „Der Selbstversorger Kanal“ hat 250.000 Abonnenten.  In seinem ökologischen Garten mit einer Nutzfläche von 2000 Quadratmetern finden aber nicht nur Pflanzen, sondern auch Hühner, Bienen und Enten ein Zuhause. 

www.neulichimgarten.de/

Grüne Liebe Hürth: Hinter dem Gartenblog „Grüneliebe“ steckt Sandra Geeck aus Hürth. Seit 2012 teilt sie dort ihre gärtnerischen Erfolge und Misserfolge sowie Kochrezepte mit Zutaten aus dem eigenen Garten. Der Blog hält eine Menge DIY-Anleitungen bereit:  Wie gelingt eine Balkonbewässerung ohne Strom und Wasseranschluss? 

www.grueneliebe.de

Gartengemüsekiosk: Dem Kanal „Gemüsekiosk“ von Jen Slupkowski  aus Mönchengladbach folgen inzwischen mehr als 94.000 Abonnenten. Ihr Reich: Ein über 2000 Quadratmeter großer naturnaher Selbstversorgergarten. Es gibt auch Tipps zu Hühnerhaltung und Weiterverarbeitung der Ernte. 

www.gartengemuese.kiosk.de

„Das Säen, Pflanzen, Jäten und Ernten erlebt einen Boom.“ Das sieht man nicht nur daran, dass sich bei ihr die Aufrufzahlen verdoppelt haben. Auch den Gärtnern in den Gartencentern wurden Gemüse- und Blumenpflanzen geradezu aus den Händen gerissen. Und um einen Schrebergartenzu ergattern, muss man sich inzwischen auf lange Wartelisten setzen lassen. Denn: Gärtnern ist das neue Kochen.

Dass Gärtnern durch Corona gewonnen hat, findet Klein nicht überraschend: „Viele haben in der Pandemie gemerkt, wie gut die Nähe zur Natur tut und wie sehr uns das Gefühl für das Echte verloren gegangen ist. Man verbindet sich mit dem Kreislauf aus Werden und Vergehen. Das gibt auch Sicherheit in unsicheren Zeiten und tut einfach gut. Zudem gibt es ein Bedürfnis nach handfester Arbeit.“ Gartentherapeut Andreas Niepel sieht den Garten gar als neues Statussymbol. Gerade nach Katastrophen dränge es die Menschen in die Natur. Die Arbeit im Garten sei eine Art innerer Reinigung. Eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

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Bio-Anbau ohne Torf

Für Kleins steckt noch mehr dahinter: Ihr geht es mit ihrer Arbeit auch um Bildung und Klimaschutz. Sie gärtnert nach den Grundsätzen des Bioanbaus: das heißt, sie verwendet nur organischen Dünger, arbeitet torffrei und nutzt nur samenfeste Sorten. „Wer erlebt, wie aus einem Samenkorn eine Blume oder Tomate wird, der geht respektvoller mit der Natur um.“ Klein, die inzwischen auch im Fernsehen eine gefragte Gartenexpertin ist, will aber auch die ungeheure und bewahrenswerte Vielfalt deutlich machen, die in der Natur schlummert.

Ihr Garten ist gegliedert nach Themen: Die Beeren-Beete ordnen sich von der Johannis- über die Himbeere und Brombeere im Kreis rund um die Lagerfeuerstelle. Neben den Beeten mit hiesigen Arten und einem Beet mit essbaren Blüten gibt es unter anderem ein asiatisches Beet mit diversen Chilisorten, Thaibasilikum, Auberginen und sogar Erdnusspflanzen. Im hinteren Teil haben vier Bienenstöcke ihr Zuhause.

Jede Saison probiert Klein auch Neues aus: Dieses Jahr ein selbst düngendes Beet, dessen Konzept aus Afrika stammt: In der Mitte eines runden Beets ist ein etwa 30 Zentimeter breites Loch. Dort hinein wird der tägliche organische Kompost gefüllt, der bei der dreiköpfigen Familie beim abendlichen Kochen im Schrebergarten anfällt. Gegossen wird auch in dieses Kompostloch. Das Wasser löst die Nährstoffe aus dem Kompost und gibt sie direkt an die umliegende Erde des Beetes weiter. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die rundrum angesiedelten Süßkartoffelpflanzen gedeihen üppig und lassen auf eine reiche Ernte hoffen.

„Dahlien-Quartett“

Ihre neueste Idee: Mit drei anderen Frauen, die Dahlien ebenso lieben wie sie, hat sie auf Instagram das „Dahlien-Quartett“ gegründet, dem man folgen kann. „Viele finden Dahlien schwierig und trauen sich nicht ran. Jeden Dienstag gibt es dort etwas zum Thema und jeder, der seine Dahlie zeitgleich gesetzt hat, wird begleitet. Also eine 1:1 Begleitung inklusive wöchentlicher Fotos und Tipps, wenn etwas nicht klappt.“

Viele geraten ins Schwärmen, wenn sie durch Kleins Garten flanieren. Dabei hört sie den einen Satz immer wieder: „Es ist ja wunderbar, so einen Garten zu haben. Aber unglaublich viel Arbeit.“ Das mag Anja Klein, dann immer so nicht stehen lassen, weil das für sie eine Frage der Haltung ist. „Ich arbeite nicht, ich gärtnere“, antwortet sie dann. „Wenn Sie abends Sport machen, sagen Sie ja auch nicht, dass Sie arbeiten.“ Weil man es eben gerne macht, weil es die Seele entspannt und gut tut.

Trotzdem genießt sie jeden Abend mit ihrem Mann Andreas den Ausklang des Tages auf ihrem Lieblingsplatz, der kleinen Bank ganz hinten im Garten: Mit Blick auf das üppige Buffet der Natur. „Zwischen den beiden Obstbäumen schaut man auf den Himmel mit dem schönsten Sonnenuntergang von Köln“.

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