Streit ums kölsche „J“Scrabble mischt sich in Sprachstreit ein

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Scrabble – eines der erfolgreichsten Brettspiele der Welt – hat die „Dialekt Edition: Kölsch“ auf den Markt gebracht.

Köln – Ist der gute Gott nun der „gode Godd“ oder doch der „jode Jott“? Seit dem Erscheinen des „Kölschen Wörterbuchs“ der Akademie för uns kölsche Sproch im Jahr 2005 streiten echte und selbsternannte Experten über die Schreibweisen einer Sprechsprache. Der Versuch von Christa Bhatt und Alice Herrwegen, mit einer beeindruckenden Fleißarbeit einheitliche Regeln für das Kölsche festzulegen, hat zu zornigen Gegenreaktionen geführt. 

Die Akademie bildet in ihren Kursen Schüler auf der Grundlage ihres Lexikons aus, während der Rest der Stadt weiter am Gewohnten festhält, das sich im Wesentlichen auf den Volkskundler und Sprachwissenschaftlicher Adam Wrede und sein Lexikon „Neuer kölnischer Sprachschatz“ von 1956 stützen kann. Die Schreibweise müsse vor allem eine Aussprachehilfe sein, so die Akademiekritiker.

Scrabble bringt „Dialekt Edition: Kölsch“ auf den Markt

Nun mischt sich eine gewichtige Institution in den Sprachenstreit ein: Scrabble – eines der erfolgreichsten Brettspiele der Welt, fast 100 Jahre alt und weltweit über 100 Millionen Mal in 30 Sprachen verkauft – hat die „Dialekt Edition: Kölsch“ auf den Markt gebracht. Und schon die Verpackung lässt eine klare Parteinahme erahnen: „Bützje“ statt „Bützche“ – die Akademie-Vertreter werden toben. Noch größer dürfte ihr Ärger werden, wenn sie das beigelegte Glossar aufschlagen: Scrabble bekennt sich darin klar zum kölschen „J“. 

Doch das Bekenntnis hat keine echten Konsequenzen. Denn im Buchstabensäckchen befindet sich genau wie in der hochdeutschen Version nur ein einziges Exemplar dieses in Köln hochemotionalen Schriftzeichens. Wie soll man ein kölsches Scrabble mit nur einem „J“ spielen? Und was machen wir mit den drei „G“s im Buchstabensäckchen?

Spielemacher berufen sich auf Langenscheidt 

Eine Nachfrage beim Spieleverlag bringt keine zufriedenstellende Erkenntnis. Bei Scrabble kennt man weder Wrede noch die Akademie, beruft sich stattdessen auf ein Mini-Lexikon von Langenscheidt, an dem man sich „orientiert“ habe. Außerdem habe man mit einem Kölner Lektorat zusammengearbeitet, „das auf Kölsch spezialisiert“ sei. Wahrscheinlich kennt auch dieses Lektorat keines der Lexika, denn das, was zum Teil im Glossar geschrieben steht, dürfte nicht nur die Akademie-Vertreter, sondern auch die Wrede-Freunde ärgern.

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So bietet uns das Glossar die schöne Bezeichnung für das kölsche Wohlgefühl einer zufriedenen Genügsamkeit in einer Variante voller Fehler: Mal abgesehen von der Frage, wie man „Jenöschlischkeit“ – ein Wort mit 16 Buchstaben – aufs Spielbrett bekommt, würde hier Wrede zwei und die Akademie sogar drei Schreibfehler ankreiden. Außerdem überrascht das Scrabble-Glossar mit Wörtern, die keiner mehr kennt und wohl auch keiner mehr benutzt: „Fuck“ heiße Gewandtheit. Das ist interessant. 

Scrabble hat sich bei Recherchen nicht viel Mühe gegeben

Die Akademie för uns kölsche Sproch kann sich entspannen. Scrabble hat sich bei den Recherchen über die kölsche Sproch nicht viel Mühe gegeben. Die Macher haben bei der Spielentwicklung durchaus ein paar Spezialitäten der kölschen Sprache im Vergleich zu anderen Dialekten herausgearbeitet, wie man auf Nachfrage erfährt: So kommen im Kölschen mehr Konsonanten pro Wort vor als in anderen Dialekten, dafür aber viel mehr Doppel-Vokale. Folgen für die Anzahl an Buchstaben oder die Buchstabenwerte hat das aber nicht gehabt. Das Spiel ist hübsch gestaltet und ein paar „Kölle alaaf Karten“ sorgen für ein paar zusätzliche Akzente. Wer aber einfach nur nach den bekannten Regeln spielen will, braucht kein neues Scrabble-Spiel, wenn er schon ein „hochdeutsches“ zu Hause hat.

Und so werden die kölschen Sprachexperten munter weiter debattieren – für und gegen das „J“, über den Sinn und Unsinn von einheitlichen Regeln für eine Sprechsprache und über die Wahl des Lexikons, das man neben das Spielbrett legen will, um Streitfragen beim kölschen Scrabble zu klären.

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