In Corona-KriseShutdown trifft Rechtspflege in Köln mit voller Wucht

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Das Land- und Amtsgericht an der Luxemburger Straße

Köln – Der Shutdown in der Corona-Krise trifft auch die Rechtspflege derzeit mit voller Wucht. Wie für alle Bereiche gilt für die Justiz, dass die sozialen Kontakte etwa in Gerichtssälen auf ein nötiges Minimum beschränkt werden müssen. In den teils engen Sälen im Land- und Amtsgericht an der Luxemburger Straße sind zwei Meter Abstand zum nächsten Prozessbeteiligten oft gar nicht möglich. Die Folge: Verhandlungen fallen reihenweise aus und Termine werden verschoben.

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Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Angeklagter aus Sicherheitsgründen nicht aus der Vorführzelle in den Saal gebracht wurde, so wie vergangene Woche: Ein mutmaßlicher Ladendieb, der sich vor dem Schnellgericht verantworten sollte, trug einen Mund- und Nasenschutz, so dass Justizwachtmeister annahmen, von ihm könnte eine Infektionsgefahr ausgehen. Die Amtsrichterin setzte ihn fürs Erste auf freien Fuß und vertagte die Verhandlung.

Selten mehr als zehn Prozesse am Tag

Finden an einem normalen Wochentag ungefähr 70 Prozesse im Justizzentrum in Sülz statt, sind es derzeit selten mehr als zehn pro Tag. Der Rest wurde abgesagt und auf unbestimmte Zeit vertagt.

Das Justizministerium NRW hat landesweit verfügt, dass vorerst nur noch Haft- und Eilsachen sowie bereits begonnene Strafverfahren vor Gericht verhandelt werden sollen. Unterbricht ein Richter eine bereits begonnene Verhandlung dennoch, so muss der nächste Prozesstermin nicht wie bisher üblich spätestens innerhalb der nächsten vier Wochen stattfinden, sondern es bleiben dafür nunmehr bis zu drei Monate und zehn Tage Zeit.

Ansteckungsgefahr mit Coronavirus in Gefängnissen reduzieren

Von dieser Neuregelung hat das Landgericht schon zwei Tage nach Inkrafttreten Gebrauch gemacht: Die 11. Große Strafkammer trennte das Verfahren gegen einen Angeklagten, dem unter anderem versuchter Totschlag zur Last gelegt wird, ab und beschloss, erst am 25. Mai gegen ihn weiterzuverhandeln.

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Um die Ansteckungsgefahr in den Gefängnissen zu reduzieren, müssen Straftäter, die kürzlich zu maximal einem Jahr Haft verurteilt worden sind, ihre Strafe erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten. Außerdem kann die Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen bis zu 18 Monaten vorläufig unterbrechen. „Nur so können wir den erforderlichen Platz für die Bildung von Quarantänestationen in unseren Justizvollzugsanstalten schaffen“, sagt NRW-Justizminister Peter Biesenbach.

Kölner Richter sollen im Homeoffice arbeiten

Auch beim Amtsgericht Köln gilt seit zwei Wochen und noch mindestens bis zum 19. April die Devise: so wenig Präsenz wie möglich; die Richter sind angehalten, möglichst im Homeoffice zu arbeiten.

Manche Sitzungstermine lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres aufheben, wie ebenfalls ein Beispiel aus der vorigen Woche zeigt. Weil die Untersuchungshaft nur im Ausnahmefall länger als sechs Monate darf, wollte ein Amtsrichter fristgemäß gegen zwei mutmaßliche Betrüger verhandeln, die seit Oktober im Gefängnis sitzen. Also fanden sich alle Verfahrensbeteiligten ein.

Nicht absehbar, wann Prozesse nachgeholt werden können

Doch die Verteidiger forderten angesichts der Enge des Saals, die Verhandlung zu verschieben, und auch die Staatsanwältin, die den Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr lieber aufrechterhalten wollte, befand, die Situation im Saal sei heikel. So entschied das Schöffengericht, die Angeklagten unter strengen Auflagen freizulassen und ihnen später den Prozess zu machen.

Wann die ausgefallenen Prozesse nachgeholt werden können, sei derzeit nicht absehbar, sagt Schorn. Um den Rückstau irgendwann aufzuholen, könnte es erforderlich werden, dass – sobald das Kontaktverbot gelockert oder aufgehoben wird – länger und häufiger als bisher pro Tag verhandelt werden müsse. Andererseits falle im Augenblick auch weniger aktuelle Arbeit an. „Es gibt einfach weniger Anklagen derzeit“, sagt Schorn. Ein Grund dafür dürfte sein, dass auch die Staatsanwaltschaft derzeit nicht mit voller Kraft arbeiten kann, ein anderer, dass seit zwei Wochen auch schlicht deutlich weniger Straftaten begangen werden.

Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Der Sprecher des Landgerichts, Jan Orth, kann der ungewöhnlichen Situation durchaus auch einen Vorteil abgewinnen. So bleibe im Augenblick mehr Zeit für Gürteltiere, sagt er. So nennen Juristen besonders umfangreiche Verfahren, bei denen die dicken Arbeitsordner durch Aktengürtel zusammengehalten werden. In der üblichen Hektik des Alltags bliebe zwischen Verhandlungen, Telefonaten und Besprechungen oft wenig Gelegenheit, sich vor allem komplexen Sachverhalten auch mal in Ruhe und ohne störende Unterbrechungen zu widmen, sagt Orth. Dafür sei die Zeit nun gerade ideal.

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