Zu Besuch im Besteckhaus GlaubLängst vergessener Charme mit Wachtelbeinhalter und Sardinenheber

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Anita Glaub mit Geschäftsführer Hermann Freiß vor den alten Nussbaumschränken.

Anita Glaub mit Geschäftsführer Hermann Freiß vor den alten Nussbaumschränken.

Innenstadt  – Für Anita Glaub ist es nicht ungewöhnlich, dass immer wieder Filmproduktionsgesellschaften anklopfen, die das tadellos erhaltene 1960er-Jahre-Interieur des Geschäfts nebst Muranoglas-Leuchten als Kulisse für Dreharbeiten nutzen möchten. In dem Fernsehfilm „Contergan“ zum Beispiel weckten die Nussbaumvitrinen den Anschein, zu einem Juwelier zu gehören, was gar nicht so weit hergeholt ist, wenn man bedenkt, was für Kleinode das Besteckhaus Glaub beherbergt.

Noch schöner wäre es fraglos gewesen, wenn ein gewisser Loriot sich dort zu Lebzeiten eingenistet hätte: Man hat den Dialog förmlich im Ohr: „Herr Müller-Lüdenscheidt, wären Sie so freundlich, mir den silbernen Wachtelbeinhalter anzureichen?“ – „Sehr wohl, Herr Dr. Klöbner, aber nur, wenn Sie mir im Gegenzug meinen silbernen Sardinenheber und den Austernbrecher zurückgeben und Ihre Schneckenzange nicht weiter als Wurfgeschoss missbrauchen.“

Mehr als 500 Besteckmuster

Wer sich die Zeit nimmt, das komplette Sortiment dieses Traditionsgeschäfts anzuschauen, der versteht sofort, weswegen für herrschaftliche Küchen früher größere Flächen geplant wurden als heute. Die Spargel-Esszange, das Kaviarbesteck aus Silber und Perlmutt, das Krebsmesser und der Käsehalter mussten schließlich untergebracht werden. Dabei gehört der silberne Wachtelbeinhalter samt Mini-Schraubzwinge zu den kuriosesten Dingen, die das Besteckhaus Glaub beherbergt.

Ganz nebenbei gibt es dort mehr als 500 Besteckmuster sowie eine Menge an schneidigem Werkzeug, das heutzutage selbst in den Pantry genannten Kleinstküchen gerne zur Hand genommen wird; erst recht, wenn es so ansehnlich daherkommt wie die neue Kochmesser-Kollektion von Starköchin Sarah Wiener.

Eines der wenigen bewusst stumpf gefertigten Messer hängt in Kleinformat zusammen mit Gabel und Löffel an einer Silberkette, die Anita Glaub seit vielen Jahren trägt und damit ihren Besteck-Bezug kenntlich macht. Dabei war sie eigentlich „eine Angestellte in der Süßwarenbranche“, bevor sie 1959 im Geschäft von Bodo Glaub angestellt wurde und nach dem Tod von dessen erster Frau Hannelore auch privat an seine Seite kam.

Ihr vor 20 Jahren verstorbener Mann sei zunächst in der Kölner Filiale des Zwillingswerks von J.A. Henckels beschäftigt gewesen und habe „alte Stiche gesammelt, die mit Essen zu tun“ hatten, erzählt die Spezialistin in Sachen Tafelsilber. Eines Tages habe er bei einem Antiquitätenhändler einen Löffel gesehen, den er in exakt gleicher Ausführung als Abbildung besaß. Von da an habe er begonnen, Besteck zu sammeln.

Zu seinen Schätzen gehört unter anderem ein massiv goldenes (585er) Besteck, bei dem allein der Kaffeelöffel 37 Gramm wiegt. Natürlich bedauert Anita Glaub, dass die alte Tradition, Kindern zur Aussteuer Besteck zu schenken, kaum noch verbreitet ist. Auf der anderen Seite, ergänzt Geschäftsführer Hermann Freiß, lasse sich bei manchen Objekten eine Renaissance beobachten. Buttermesser zum Beispiel und Besteckbänkchen seinen wieder sehr gefragt.

Kostbar und ausgefallen

Freiß kümmert sich bereits seit den 1980er Jahren um die handwerklichen Belange, um Reparaturen und um den Service-Bereich. Er ist es auch, der einmal in der Woche nach Solingen fährt, um abgegebene Messer zum Schleifer zu bringen. Anita Glaub kann dafür im Geschäft den Kunden sowohl kostbarste als auch ausgefallenste Messer-und-Gabel-Variationen vorführen. Etwa das Kanzler-Erhard-Besteck. Oder das Besteck, das der Architekt O.M. Ungers für die von ihm gestaltete Deutsche Botschaft in Washington im Jahr 1994 höchstselbst im Geschäft ausgesucht hat. Und natürlich gibt es noch immer jenes Teil, mit dem es bei vielen anfängt: Das Schieberchen. Selbstverständlich in echtem Silber.

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