Kölner KulturMosaik im Spanischen Bau lädt zum Nachdenken über Europa ein

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Das Wand-Mosaik des Künstlers Jürgen Hans Grümmer im Spanischen Bau

Das Wand-Mosaik des Künstlers Jürgen Hans Grümmer im Spanischen Bau

Köln – Und was stellt das denn dar? Schwer zu erkennen. Nicht auf den ersten Blick. Ein Sammelsurium aus Abertausend farbigen Puzzleteilchen, von goldgelben und erdfarbenen Flächen. Wer vom Foyer vorbei am Innenhof des Spanischen Baus dem Treppenhaus zustrebt, um hinauf zu den Sitzungssälen und Büros zu eilen, der wird kaum die Konturen erfassen. Wer unmittelbar davor steht, sieht vor lauter Steinchen das Gesamtbild nicht – das ist „Europa“.

Der Stier strebt nach rechts, die Dame ist nach links still dem Betrachter zugewandt. Im Hintergrund, unter einem goldenen Regenbogen: der Kölner Dom, Notre-Dame in Paris, das Kolosseum in Rom, der Aachener Dom. Für das europäische Kulturerbe scheint sich die Schöne offenbar nicht zu interessieren. Dem Stier hat der Künstler keine Augen gegönnt. Das Tier entführt Europa blindlings ins Ungewisse.

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Nur ein Moment aus tausenden von Mosaik-Steinchen, aber dadurch auch ein lebendes, nie ruhendes Bild, für das man hier im Treppenhaus schon stehen bleiben muss, um es zu betrachten. Europa braucht Aufmerksamkeit – und wird dann immer spannender.

Mosiak entstand in tragischem Moment für Europa

1956 erhielt Jürgen Hans Grümmer, damals 21 Jahre alt und Absolvent der Kölner Werkschule, den Auftrag für das Mosaik. Es ist das Jahr der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes, ein tragischer Moment für Europa. Tage der Angst. Der Westens Europas reagiert abwartend. Der Eiserne Vorhang senkt sich. Im Januar 1956 schreibt Bundeskanzler Konrad Adenauer an seine Minister: „Die gegenwärtige außenpolitische Lage enthält außerordentliche Gefahren. Um sie abzuwenden und eine günstige Entwicklung einzuleiten, bedarf es entschlossener Maßnahmen. Dazu gehört vor allem eine klare, positive deutsche Haltung zur europäischen Integration.“

Der Kölner Maler und Bildhauer Jürgen Hans Grümmer (1935 bis 2008) hat sich einmal als „Freiraumgestalter“ bezeichnet. Von ihm stammt auch der Mosaikbrunnen vor der Kölner Oper und die Außenanlagen der 60er-Jahre-Bauten am Albertus-Magnus-Platz. In diesen Wiederaufbaujahren wächst Köln – auch durch die öffentliche Aufträge für die Kunst am Bau – zum Kunstzentrum. Aus Trümmersteinen gewinnt die Stadt neue Konturen.

Darin liegt die Aktualität von Grümmers Mosaik: Europa entsteht unter der Hand aus einem schier unübersehbaren Sammelsurium von Puzzlestücken. Vielleicht wird sich der Betrachter aber dabei überraschen, dass es ihm plötzlich in den Fingern juckt. Steinchen für Steinchen selbst einfügen zu dürfen, das müsste Spaß machen. Grümmers Mosaik und Europa – beide sind politische Kunstwerke. Es braucht Zeit, Geduld und Ambition, sie zu verstehen. Aber dann liegt auch Segen darauf. Da sind Kornähren und Weintrauben abgebildet. Das stellt nicht die europäischen Landwirtschaftssubventionen dar, sondern Brot und Wein als Zeichen der Versöhnung.

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