„Liefertürke“Kölner Rapper Eko Fresh gründet Lieferdienst für türkische Supermärkte

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Liefertürke

Jan Kus, Malic  Bargiel und Eko Fresh verschaffen auch türkischen Märkten einen Zugang zum Online-Handel.

Kalk – Seit knapp vier Jahren betreibt Ibrahim Kesin den Kalker Frischmarkt an der Kalker Hauptstraße. Und das sehr erfolgreich. Er beschäftigt sechs Mitarbeiter, das Fleisch aus seiner Metzgerei oder das frische Obst und Gemüse locken auch Kunden aus den Nachbarveedeln an. Doch seit Anfang des Jahres kaufen sogar Bewohner der linken Rheinseite, aus Rodenkirchen oder Hahnwald, bei ihm ein. 20 bis 25 Kunden pro Tag beliefert Kesin seither mit seinem Hybrid-Kombi, dessen Laderaum mit einer Kühlanlage ausgerüstet ist: „Die Fahrten übernehme ich selbst, es interessiert mich, wer bei uns einkauft“, strahlt der Endzwanziger.

Möglich wurde die Ausweitung des Kundenkreises durch den neuen Bringservice mit dem griffigen Namen „Liefertürke“, der vor gut 14 Tagen mit dem Kalker Frischmarkt als bislang einzigem Lieferanten an den Start gegangen ist. Unter dem Motto „Frisch, lokal und halal“ bietet „Liefertürke“ schon vom Sortiment her eine echte Alternative zu den etablierten Lieferdiensten. Denn hier können die Kunden all jene Waren bestellen, die sie sonst nur in den Regalen von „türkischen Märkten“ finden, also den Märkten, die von Menschen mit türkischen Wurzeln geführt werden.

Rapper will Familienbetriebe unterstützen

Mit Eko Fresh gehört eines der prominentesten Gesichter der türkischen Community Kölns zu den vier Gründern des Startups. „Die Lockdowns während der Pandemie haben doch gezeigt, dass beim Einzelhandel der Trend sehr stark zur Online-Bestellung geht“, sagt der Rapper, der mit bürgerlichem Namen Ekrem Bora heißt. „Die türkischen Märkte waren davon bisher ausgeschlossen. Bei unserem Lieferservice können auch kleinere Familienbetriebe mitmachen und sich neue Kunden erschließen.“

Eko Fresh und seine Mitstreiter haben Erfahrungen in der Branche gesammelt, seit sie vor rund 15 Monaten den Bringservice „Liefertüte“ gründeten, der seither Kunden in Köln und Bonn bis 2 Uhr nachts vornehmlich mit Kioskartikeln wie Kölsch, Zigaretten und Snacks versorgt - aus einem eigenen Lager, mit eigenen Fahrzeugen und eigens angestellten Fahrern. Das Konzept von „Liefertürke“ ist anderes: Den beteiligten Märkten wird lediglich ein Online-Portal zur Abwicklung der Bestellungen bereit gestellt.

Die Entscheidungsmacht liegt bei den Märkten

Jeder Markt muss selbst entscheiden, welche Wohnquartiere er beliefern möchte, und ob gegebenenfalls Personal dafür eingestellt und Fahrzeuge angeschafft werden. Die Kunden erfahren nach der Eingabe ihrer Postleitzahl auf der Homepage, welcher Markt für sie in Frage kommt.

Bislang wurde noch keine groß angelegte Werbeaktion für den neuen Lieferservice gestartet, Eko Fresh hat aber schon seine Follower auf Instagram und Facebook informiert, und dafür „viel positives Feedback erhalten“, wie er erzählt. „Es haben sich auch schon ungefähr 25 Märkte gemeldet, die gern mitmachen würden“, berichtet Malic Bargiel, bei „Liefertürke“ zuständig für das Marketing. „Jetzt müssen wir jeden Markt auf unsere Qualitätsstandards hin überprüfen, dafür fühlen wir uns verantwortlich.“ In der Zentrale von „Liefertürke“ im Poller Industriegebiet könne über die Software auch kontrolliert werden, ob die Lieferungen rechtzeitig beim Kunden eintreffen – auch darauf legt das Unternehmen großen Wert.

Start-up will auch in Berlin Fuß fassen

Im Februar will „Liefertürke“ richtig durchstarten: „Wir investieren 80.000 Euro in Werbung, die hauptsächlich in den sozialen Medien läuft“, so Bargiel. Denn „Liefertürke“ hat ehrgeizige Ziele: Zunächst soll ganz Köln „abgedeckt werden“, danach will man in Berlin Fuß fassen, ebenfalls eine Großstadt mit hohem Migrantenanteil. „Aber natürlich können potenziell alle türkischen Märkte in Deutschland mitmachen.“

Für Eko Fresh hat das Engagement bei „Liefertürke“ nicht zuletzt eine gesellschaftliche Dimension. „Der Name ist catchy, aber da ist natürlich auch ein Augenzwinkern dabei“, sagt der Rapper. „Liefertürke“ spiele mit dem Klischee vom „Gastarbeiter“, der in Niedriglohnjobs arbeitet, aber er zeige auch, dass die Community in der Online-Welt präsent ist und könne auf diese Weise helfen, Vorurteile abzubauen.

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Vor allem aber biete das Online-Portal türkischstämmigen Kleinunternehmern die Möglichkeit, sich in den Strukturen des Einzelhandels zu behaupten, die sich durch die Digitalisierung verändert haben. Als Promi möchte er seinen Teil dazu beitragen, dass der „German Dream“ - wie er es nennt - der türkischstämmigen Bevölkerung erhalten bleibt. Und nicht zuletzt könne so ein Teil der türkischen Identität in die neue Zeit hinübergerettet werden. „Das Essen, vor allem in der Gemeinschaft, ist für uns sehr wichtig.“ Bei Ibrahim Kesin, dessen Frischmarkt für den Testlauf ausgewählt wurde, ist das angekommen: „Mann, der Eko Fresh ist hier um die Ecke in Humboldt-Gremberg aufgewachsen, der war immer mein Idol. Jetzt machen wir was zusammen - das fühlt sich an wie Familie.“

Mindestbestellwert liegt bei 30 Euro

Grundsätzlich gilt: Die Lieferung ist kostenlos, der Mindestbestellwert beträgt 30 Euro, und sechs Prozent des Umsatzes, der durch Lieferungen erzielt wird, gehen an „Liefertürke“. Dafür stellt das Startup ein Rundum-sorglos-Paket bereit. Auf dem Online-Portal ist beispielsweise das gesamte Sortiment des jeweiligen Ladens mit den entsprechenden Fotos der Artikel abgebildet, da gibt es Kalender, in die der Kunde seine Termin-Wünsche eintragen kann.

Für Fahrten zu mehreren Kunden werden automatisch die günstigsten Routen errechnet, und der Kunde kann zwischen 15 Zahlungsarten wählen. Damit das alles auch funktioniert, hat „Liefertürke“ die nötige Software von der namhaften Kölner IT-Agentur „railslove“ entwickeln lassen. „Die Mitarbeiter in den Märkten können auch problemlos auf der Homepage die Preise aktualisieren“, versichert „railslove“-Chef Jan Kus.

Nicht nur „orientalische“ Produkte im Angebot

Mitmachen können alle Märkte, die ein „orientalisches Sortiment“ anbieten. Auch in den aufgeklärten türkischen Märkten Kölns werden ja längst Spezialitäten aus arabischen Ländern oder vom Balkan verkauft. Nutella aber werde nicht im Angebot sein, lediglich bei Haushaltswaren wie Küchenrolle oder Klopapier seien deutsche Produkte ausnahmsweise erlaubt, sagt Malic Bargiel: „Da ist es ja nicht so wichtig, wo sie herkommen.“

Was die Kundschaft angeht, so hat „Liefertürke“ die jüngere Generation der türkischen Community im Blick. Die sollen künftig auch für ihre Eltern und Großeltern ordern. Aber auch mit den deutschstämmigen Bürgen wird fest gerechnet: Gerade unter den Jüngeren sei der Einkauf von frischem Gemüse und Obst „beim Türken“ ausgesprochen beliebt. Bargiel führt eine Erhebung an, wonach durchschnittlich 30 Prozent der Kunden in türkischen Märkten deutsche Wurzeln haben, in Hipster-Hochburgen wie Ehrenfeld dürfte der Anteil wesentlich höher sein. Allerdings sollen die „halal“-Vorschriften streng beachtet werden: Schweinefleisch wird nicht mal Kunden, die Schmitz heißen, zugestellt. „Für Schweinereien sind andere zuständig – das wäre doch ein guter Werbespruch“, sagt Malic Bargiel lachend.

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