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Meistgelesen 2022Kölner findet zauberhafte Lösung im Nachbarschaftsstreit

Lesezeit 3 Minuten
Djordje Atlialp steht vor einem Gartenzaun. Ein Schild daran trägt die Aufschrift „Wikelgasse“.

Djordje Atlialp am Eingang der Winkelgasse.

  • Dieser Artikel ist zuerst am 13. Oktober 2022 erschienen.

Bei Harry Potter ist die Winkelgasse bekanntlich eine Hauptader im Einkaufsviertel für Hexen und Zauberer. Seit einigen Wochen gibt es auch in Merheim, im Neubaugebiet Merheimer Gärten, eine Winkelgasse, die ebenso wenig auf den offiziellen Karten der „Muggels“ zu finden ist. Und sie war immerhin schon an der Beendigung eines unschönen Nachbarschaftsstreits beteiligt. Zwar war dabei keine Zauberei im Spiel, ein kleines Wunder aber war nötig.

Denn die Familie von Djordje Atlialp, der mit seinem freundlichen Lächeln tatsächlich ein wenig an eine erwachsene Version des Zauberlehrlings erinnert, hat freiwillig einen Teil ihres Eckgrundstücks am Salbeiweg für die Einrichtung der Gasse zur Verfügung gestellt. „Ich konnte mir das einfach nicht mehr mit ansehen“, kommentiert der Software-Experte die Situation, wie sie sich noch vor einigen Wochen darstellte. Neben den schon vor zehn Jahren fertiggestellten Eigenheimen im Salbeiweg waren im Frühjahr die fast baugleichen Reihenhäuser im Teebaumweg bezugsfertig geworden.

Nachbarschaftsstreit in Köln: Autobesitzer fürchteten um ihren Lack

Ein größerer Parkplatz für die Bewohner des Salbeiwegs grenzt am Ende der Straße an einen schmalen Weg für Fußgänger, der zu den Haustüren am Teebaumweg führt. Nun befürchteten die Autobesitzer, dass die Kinder der neu Zugezogenen zwischen den Autos herumlaufen und dabei den Lack beschädigen könnten.

Um dies zu verhindern, zogen sie einen Zaun zwischen dem schmalen Weg und dem Parkplatz hoch. Für rund 20.000 Euro, wie Atlialp gehört hat. Einige Bewohner der Salbei-Seite beschwerten sich daraufhin, weil sie ihr Fahrrad nun nicht mehr aus ihrem Garten über den schmalen, Teebaum-seitigen Weg auf den Parkplatz schieben konnten. Plötzlich mussten sie dafür das Rad durchs Erdgeschoss ihres Hauses tragen. Deshalb wurde noch eine verschließbare Tür in den Zaun eingebaut. Wer einen Schlüssel wollte, musste 200 Euro zahlen.

Köln-Kalk: Andere müssen Riesenumweg nehmen

Das Angebot galt, wohlgemerkt, nur für die Bewohner der Salbei-Seite, was die von der Teebaum-Seite endgültig auf die Palme brachte. Teilweise verweigerten sie den Radschiebern den Durchgang auf dem Weg vor ihrer Haustür. Es wurde giftig. „Besonders schlimm war es für Mütter am Teebaumweg, die ihre Kinder zu den Kitas bringen wollten, und vor allem für Kinder, die zu den Spielplätzen wollten. Die mussten alle einen Riesenumweg in Kauf nehmen“, erzählt Djordje Atlialp.

Die älteren unter ihnen begannen, über den Zaun zu klettern. „Der ist aus Metall und 1,70 Meter hoch, ganz ungefährlich ist das nicht“, so Atlialp. Mit dem Einverständnis seiner Familie entfernte er vor etwa sechs Wochen ein Stück des Gartenzauns, der an den Teebaumweg grenzt und ließ das Gartentor offen, das auf den Parkplatz des Salbeiwegs führt. „Die Leute vom Teebaumweg waren begeistert über den neuen Durchgang, zwei von ihnen, Nikolaos Thanasidis und Konstantin Gurevich, halfen mit Know-how und Material aus“, berichtet Djordje Atlialp. Nun ist die Winkelgasse sauber gepflastert, sogar Bodenleuchten wurden aufgestellt.

Winkelgasse in Köln-Kalk jetzt sauber gepflastert

Mit Bäumchen in Pflanzkübeln hat er die Winkelgasse notdürftig vom Rest des Gartens abgegrenzt, aber im Sommer waren natürlich trotzdem viele Pänz vom Teebaumweg im Garten, auch um mit den Atlialp-Kindern zu spielen. „Zeitweise habe ich für acht oder neun Kinder gekocht“, erzählt der Freiberufler lachend. „Auch unter den Erwachsenen ist die Atmosphäre jetzt ganz anders geworden, man lädt sich gegenseitig zum Essen ein, es wird geredet und gelacht.“ Das sei ja gerade in so einem bunten, ethnisch diversen Wohngebiet wichtig. Auch Claudia Greven-Thürmer wurde schon auf die Winkelgasse aufmerksam und freute sich über die „Öffnung“: „Das ist schon etwas Besonderes. Bemerkenswert, wie da Nachbarschaft verstanden wird, als ein echtes Miteinander“, sagte die Bezirksbürgermeisterin.

Nur einige Autobesitzer auf der Salbei-Seite sind neuerdings nicht mehr so gut auf Djordje Atlialp zu sprechen. „Die sind stinksauer, manche reden gar nicht mehr mit mir. Aber das ist schon okay so.“

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