„Wo sollen die Leute dann noch hin?“Neue Blumenkübel vor Kalker Drogerie verdrängen Obdachlose

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Einkaufende mit Tüten ziehen über die Kalker Hautpstraße.

Wo noch kürzlich Obdachlose ihr Lager aufschlugen, stehen nun Blumenkübel vor der „dm“-Drogeriemarkt-Filiale an der Kalker Hauptstraße 114.

Blumenkübel vor der „dm“-Drogeriemarkt-Filiale an der Kalker Hauptstraße sorgen für Unmut. Auch ein Streetworker schaltet sich ein.

An diesem Morgen war Tobias Kreutzer auf dem Weg durch die Passage des früheren Kaufhof-Gebäudes zur Kalker Hauptstraße, als er dort einen der wohnungslosen Menschen traf, die sonst auf dem Bürgersteig vor dem Erdgeschoss des Einkaufszentrums campieren. „Die haben uns gesagt, wir sollen verschwinden“, habe der verstörte Mann ihm berichtet. Als Kreutzer aus der Passage kam, sah er den Grund: Eine Reihe massiver Blumenkübel war vor der Fensterfront der „dm“-Drogeriemarkt-Filiale aufgestellt worden, die Habseligkeiten der Obdachlosen schon abtransportiert.

Obdachlose können ihr Lager hier nicht mehr aufschlagen

„Es kann ja keine Lösung sein, den offensichtlich existenziellen Problemen der Menschen hier damit zu begegnen, dass man ihre Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum weiter einschränkt“, meint Kreutzer, der in Kalk lebt. Denn ihr Lager können Obdachlose an dieser Stelle nicht mehr aufschlagen. Wegen der Kübel würde es bis in die Mitte des Gehwegs reichen.

Kreutzer lebt noch nicht lange in Kalk, aber er kennt natürlich auch die wohnungslosen und alkoholkranken Menschen, die sich regelmäßig vor der „dm“-Filiale versammelt hatten. „Vier bis sechs Leute standen da oft herum und einige Passantinnen und Passanten hat das wohl gestört. Aber das ist ja keine dunkle Ecke, sondern gut beleuchtet, da muss niemand Angst haben.“

Den Einlassungen von „dm“ mag Kreutzer keinen Glauben schenken. Als die Geschäftsführung der Kalker-Filiale eine Anfrage dieser Zeitung nicht beantwortete und auf die bundesweite Hotline der Drogeriemarkt-Kette verwies, erklärte die „dm“-Gebietsverantwortliche Kerstin Walschburger daraufhin: „Die Blumenkübel vor unserem ‚dm‘-Markt in der Kalker Hauptstraße 114 in Köln haben optische Zwecke und sind mit der Stadt Köln als kleiner Beitrag der Aufwertung des Stadtbildes in der Kalker Hauptstraße entstanden.“

Streetworker ist Ansprechpartner für Kalker Obdachlose

Dass das nicht die ganze Wahrheit sein könnte, hält auch Tobias Berg für möglich. Er hatte sich ebenfalls an das Unternehmen gewandt und eine ähnliche Antwort erhalten. „Man hat mir außerdem zugesagt, dass das Personal in Zukunft höflich mit den Wohnungslosen umgehen wird“, sagt der Streetworker der Diakonie Michaelshoven. Er steht regelmäßig einmal in der Woche als Ansprechpartner für Obdachlose mit einem Bus an der Kalker Post, und unternimmt auch sporadisch Rundgänge durch den Stadtteil.

„Die Stelle war nicht ohne“, sagt er mit Blick auf das frühere Lager vor der „dm“-Filiale, „da muss man schon beide Seiten in den Blick nehmen.“ Zwar seien dort nie harte Drogen im Spiel gewesen, aber jede Menge Alkohol, es wurde gebettelt, Passantinnen und Passanten haben sich regelmäßig beschwert – und das Ordnungsamt hatte das Lager schon räumen müssen.

Bedenken, dass Obdachlose keinen Platz mehr finden 

Er habe durchaus Verständnis dafür, sagt Berg, wenn Geschäftsinhaber diese Situation als geschäftsschädigend ansähen. Andererseits: „Man muss die Aufstellung der Kübel auch kritisch sehen: Wenn das jetzt überall passiert, wo sollen die Leute dann noch hin?“

Hinzukommt: Derzeit kann der Streetworker-Bus, der mittwochs von 9.30 bis 11.30 Uhr an der Kalker Post steht, dort wegen des Weihnachtsmarkts nicht Station machen. Nach einem alternativen Standort wird noch gesucht.

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