„Putin, du Arschloch!“So politisch war die Nubbelverbrennung in der Kölner Südstadt

Jecke Pfaffen: Ralf Rohrmoser von Glasow und Hans Mörtter bei Nubbelverbrennung an der Lutherkirche
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Köln – In der Südstadt gab es Dienstagnacht gleich zwei Premieren: Zum einen fand die Nubbelverbrennung nicht traditionell vor dem „Filos“ in der Merowingerstraße statt. Zum anderen wurde erstmals ein Friedensgebet am Karnevalsdienstag gesprochen. Für beides waren die beiden großen Gründe dieser Zeit verantwortlich: Corona und Krieg.
Blau-gelb angestrahlte Kirchenfenster bei Nubbelverbrennung
Nach 34 Jahren versammelten sich einige hunderte Jecken nicht vor dem griechischen Restaurant von Costa Fotiadis, um den Nubbel für die Sünden des Karnevals brennen zu sehen. Stattdessen zogen die Organisatoren Ralf Rohrmoser von Glasow und Hans Mörtter in das Atrium der Lutherkirche um. Das Ordnungsamt habe eine Durchführung der Nubbelverbrennung unmöglich gemacht. Die Karnevalisten standen am Abend also im Innenhof, vor blau-gelb angestrahlten Kirchenfenstern, als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine.

Der Nubbel an der Lutherkirche: das Coronavirus.
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Der Streit mit dem Ordnungsamt sorgte so unfreiwillig für die viel passendere Atmosphäre für eine Nubbelverbrennung in dieser Zeit. Fast andächtig standen die Karnevalistinnen und Karnevalisten zusammen. „Filos in Resistance“ nannten Rohrmoser von Glasow und Südstadt-Pfarrer Mörtter das Zusammenkommen an der Lutherkirche.
Und verbrannten 2022 symbolisch keinen personifizierten Nubbel, sondern ein gebasteltes Corona-Virus, das für alle schlechten Nachrichten und Sünden an Karneval verantwortlich sei. „Koma-Saufen an der Zülpicher Straße ist erlaubt, Brauchtumspflege vor dem Filos nicht“, schimpften beide in ihrer Predigt.
Ukraine-Krieg: Buh-Rufe und Pfiffe für Putin
Diese konzentrierte sich dann aber hauptsächlich auf das allgegenwärtige Thema: den Krieg in der Ukraine. „Dem Putin haben sie wohl das Gehirn desinfiziert, dem größenwahnsinnigen Narzisst“, so Rohrmoser von Glasow. Immer wenn der Name „Putin“ fiel wurden im Innenhof laute Buh-Rufe und Pfiffe der Jecken laut. Zwischenzeitlich wurden auch „Putin, du Arschloch!“-Sprechgesänge angestimmt.
Daneben machten beide aber auch darauf aufmerksam, dass den Ukrainerinnen und Ukrainern gerade vor allem Geld-Spenden helfen. „Wir haben viele Brüder und Schwestern in Köln, die Angst um ihre Familien in der Ukraine haben. Wir wollen sie unterstützen“, so Mörtter.
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Neben aller Ernsthaftigkeit wurde am Dienstagabend aber auch ein Gefühl der Hoffnung und des Friedens verbreitet. „Das wahre Virus, das sind wir, mit unserem Glauben an das Leben“, so Mörtter. „Das Leben ist stärker als der Tod, und wir lassen uns keine Angst machen.“ Neben den Gesängen von kölschen Liedern wie dem „Stammbaum“ und „En unsrem Veedel“ auch das Friedenslied „We shall overcome“ gesungen. Außerdem wurde erstmals zusammen gebetet, Mörtter sprach ein israelisches Friedensgebet.
Nach der historischen Friedensdemonstration und dem kleinen Friedensumzug am Dienstag durch die Südstadt zeigte der Karneval bei der Nubbelverbrennung erneut, wie politisch und empathisch er sein kann. Im nächsten Jahr soll ein „echter“ Nubbel dann aber wieder für die üblichen Sünden im Karneval büßen, da war man sich in der Südstadt einig.