Kinder-Comiczeichner Ferdinand Lutz„Köln ist schön unaufgeregt – anders als Berlin“

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Der Comiczeichner Ferdinand Lutz lebt seit 2012 in Köln.

  • Der Comiczeichner Ferdinand Lutz hat den Außerirdischen Q-R-T erfunden. Sein Comic erscheint monatlich in „Dein Spiegel“.
  • Lutz ist Mitherausgeber des Kölner Kindercomic-Magazin „Polle“.
  • Ein Gespräch über die Comic-Szene der Stadt und warum Comics Kinder zur Autonomie verhelfen.

Köln – Was können Comics Kindern bieten, das Bilderbücher nicht können?

Das Tolle für mich an der Entdeckung des Comics war, dass ich mir die Geschichten selber aneignen konnte, weil sie kleinschrittiger sind. Man kann sich sehr komplexe Inhalte selbst erschließen, ohne dass man das Vorwissen haben muss. Es ist eben nicht so versprachlicht, sondern visuell. Es ist ein toller Einstieg, um autonom zu werden.

Comics haben in den letzten Jahren eine Art Aufschwung erlebt. Hat sich ihr Akzeptanz-Problem innerhalb der Kunstformen damit erledigt?

Wie ein Vehikel auf dem Weg zur Anerkennung war der Begriff der Graphic Novel statt des Comics. Ich bin felsenfest überzeugt, dass der Begriff Comic hinderlich ist. Dass Menschen in Bildern Geschichten erzählen, ist super alt. Die Schrift basiert auf Bildern, der Kreuzweg wird in Kirchen auf Bildtafeln dargestellt. Der Begriff Comic kommt dann eben von den Comicstrips, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Zeitungen auflockern sollten, die sonst nur schlechte Nachrichten enthielten. Da hat sich leider dieser Name verselbständigt und dann nennen wir alle diese Geschichten „Comic“.

Welchen Begriff würden Sie denn bevorzugen?

Ich würde es Bildergeschichte nennen. Zur Akzeptanz hat sicherlich auch beigetragen, dass viel mehr Frauen nun Comics zeichnen. In den 60ern zeichneten vor allem Männer Comics, die dann von Superhelden und Kraftprotzen handelten. Dann gab es diese Mickey-Mouse-Disney-Comics, die explizit für Kinder waren. Ich merke, dass uns der Weg in die Buchhandlung vielfach auch durch Literaturadaptionen geöffnet wurde. Und eben durch die Vielfalt.

Kölner Kindercomic-Magazin „Polle“: Neue Ausgabe

Apropos Vielfalt: Sie haben zusammen mit zwei weiteren Mitstreitern das Kinder-Comic-Magazin Polle“ erfunden, dessen sechste Ausgabe nun erschienen ist. Viele unterschiedliche Zeichnerinnen und Zeichner liefern dafür Auszüge aus ihren Bildergeschichten.

Ja genau, die Idee ist, dass man die Vielfalt, die es bei Erwachsenencomics gibt, auch für Kinder darstellt. Ich bin zum Beispiel mit dem Mickey-Mouse-Magazin aufgewachsen. Man weiß, was Walt Disney für eine Vorstellung von Romantik und Gesellschaft hat – es ist eine Linie. Da sind Zeichner, meist nur Männer, die versuchen, den einen Stil zu zeichnen. Es wird immer dasselbe erzählt: Donald Duck, der Pechvogel, Mickey Mouse, der Schlaue. Wie will man den Kindern zeigen, dass Vielfalt was Schönes ist, wenn man ihnen nicht zeigt, dass es ganz viele Zeichenstile gibt und nicht nur diesen runden, süßen Walt-Disney-Strich. Es gibt nicht nur den, der was Lustiges erlebt, sondern auch den, dem was Schlimmes passiert und der etwas Trauriges erzählt. Mit Polle versuchen wir dennoch auch konstant zu sein, indem wir regelmäßige Serien anbieten.

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Die sechste Ausgabe des Polle-Magazins ist erschienen. Das Cover hat die Britin Tor Freeman gestaltet

Wie kam die Gründung zustande?

Wir waren zu dritt, ich bin der einzige Comiczeichner. Ich mache Lesungen aus meinen Büchern mit einem Musiker und Geräuschemacher. Wir kennen uns seit der fünften Klasse und verbringen sehr viel Zeit miteinander. Irgendwann reifte die Idee mit dem Magazin, dann haben wir den dritten im Bunde gefunden. Ein weiterer Ansporn war, dass es für Zeichner in Deutschland wenig Spielwiesen gibt, wo sie Projekte auch mal ausprobieren können. Wenn sie eine Idee haben, müssen sie für den Verlag ja erst ein Exposé machen. Man muss immer in Vorleistung gehen. Bei Polle kann man erst einmal etwas ausprobieren, wir zahlen dafür und vielleicht wird daraus auch noch ein Buch.

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Warum hat es Sie nach Köln verschlagen?

Ich bin 2012 nach Köln gekommen, in dem Moment, als ich festgestellt habe, dass ich mein Soziologie-Master in Konstanz nicht zu Ende bringen würde, weil ich ein Jahr zuvor eine Anfrage von „Dein Spiegel“, der Kinderausgabe des Spiegels, bekommen hatte. Sie  haben mich gefragt, ob ich jeden Monat einen Comic für sie zeichnen würde. Das war super. Fünf Seiten im Monat klingen erst einmal nicht viel, aber das sind 60 Seiten im Jahr – und das wiederum anderthalb Asterix-Bücher. Meine Frau ist damals zum Studieren nach Köln gegangen. Dann hielt mich in Konstanz auch nichts mehr. Also war es schließlich die Liebe, die mich nach Köln gebracht hat.

Kölner Comicszene: Zeichner informell vernetzt

Ist denn Köln eine gute Comic-Stadt, wie ist die Szene?

Als ich nach Köln gekommen bin, habe ich mir direkt ein Gemeinschaftsatelier gesucht. Da war eine Comiczeichnerin drin, Sarah Burrini, die machte sehr erfolgreiche Web-Comics, dann habe ich auch viele andere Zeichner kennengelernt. Unter anderem Ralf König. Man kennt sich hier, auch wenn es keine Kunsthochschule gibt, an die Comiczeichner andocken würde, wie in Hamburg oder Berlin. Oder auch in kleineren Universitätsstädten wie Kassel. Es gibt hier keine Strukturen, eher Selfmademen und Selfmadewomen. Jeder hat sein individuelles Schicksal, wie er Zeichner geworden ist. Ich fand das sehr angenehm an Köln, weil das so unaufgeregt ist. Anders als in Berlin, wo ich das Gefühl habe, dass jeder ein extremes Selbstbewusstsein hat und man sich ständig vergleicht. Der Austausch mit den Kollegen hier ist nicht unbedingt inhaltlich, wir unterhalten uns eher über die Arbeitsmotivation.

Ihr Comic Q-R-T umfasst mittlerweile mehrere Bände. Da geht es um einen Außerirdischen. Wieso finden Kinder diesen Kniff womöglich cool?

Der Außerirdische steht ein wenig dafür, dass man sich wundert, dass man manche Situationen von Erwachsenen sieht und sich befremdet fühlt. Ich erinnere mich an dieses Befremden als Kind noch sehr gut. Warum sind die so ernst? Warum nehmen die sich so wichtig? Die jungen Leserinnen und Leser haben dem Q-R-T einiges voraus, weil sie wissen, in welches Fettnäpfchen er womöglich treten wird. Das größte Kompliment, was mir Kinder manchmal machen ist, wenn sie sagen, sie fühlen sich selbst manchmal wie Außerirdische. Dann merke ich, ich habe auch die abgeholt, die sich nicht nur für Abenteuer interessieren.

Was war Ihr Lieblingscomic als Kind?

Definitiv Lucky Luke. In meinem Elternhaus gab es keine Comics, ich musste in Stadtbibliotheken gehen, um herauszufinden, dass es so etwas gibt. Dann habe ich auch sofort angefangen zu zeichnen. Sobald ich irgendetwas gesehen habe, was mich fasziniert hat, wollte ich es nachmachen. Irgendwann habe ich mich für andere Dinge interessiert und erst über alternative französische Comics habe ich mich dann mit 15, 16 wieder dafür begeistert.

Zur Person und zum Magazin

Ferdinand Lutz ist 35 Jahre alt und kommt gebürtig aus Heppenheim. Der Comiczeichner hat Soziologie und Volkswirtschaft in Konstanz und Paris studiert. Seit 2011 publiziert er monatlich in „Dein Spiegel“. 2021 hat er den Verlag Péridot gegründet, in dem auch das Kindercomicmagazin Polle erscheint, dessen Mitherausgeber er ist. Lutz lebt mit seiner Familie in Köln.

Die neue und sechste Ausgabe von Polle widmet sich Geschichten zu den Themen Zirkus und Zauberei. Neben Tor Freeman und Mawil sind auch Brecht Evebs, Flame und Wauter Mannaert als Künstler dabei. Seit der ersten Ausgabe mit dabei ist auch der Kölner Leo Leowald. Auch Ralf König und Anke Kuhl haben schon beigetragen. Polle richtet sich an Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren. (gam)

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