Kirche und SeuchenKabarettist Konrad Beikircher über sein neues Programm

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Kabarettist Konrad Beikircher in seinem Garten

Kabarettist Konrad Beikircher in seinem Garten

Köln – Kabarettist Konrad Beikircher beschäftigt sich in seinem neuen Programm mit  der Kirche und Seuchen. Herr Beikircher, in Ihrem neuen Programm, das im März Premiere hat, beschäftigen Sie sich mit der Kirche und Seuchen. Was hat beides miteinander zu tun? Konrad Beikirchner: Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Kirche schon immer hervorragend von Katastrophen, Krankheiten und Seuchen profitiert hat. Gnadenlos ging es ihr darum, mehr Geld einzuheimsen und mehr Macht zu bekommen. Dem christlichen Gedanken der Nächstenliebe ist das natürlich radikal entgegengesetzt. Das fing schon im sechsten Jahrhundert an. Es hieß, die Pest sei eine Strafe für die Sünden, und jetzt müsse man der Kirche spenden, in die Kirche gehen et cetera. Das hat sich durchgezogen. Die Kirche hat immer mit der Angst operiert. Falsche Reliquien wurden verkauft und Ablassbriefe.

Heute aber…

Beikirchner: … sind neue Pestbeulen aufgetaucht.

Was meinen Sie damit?

Beikirchner: Den sexuellen Missbrauch und das Schweigen unseres Kardinals. Das bedrückt mich umso mehr, als ich überzeugter Christ bin. Warum wird das Gutachten der Münchner Rechtsanwaltskanzlei zum Umgang mit Missbrauch von der Leitung des Kölner Erzbistums unter Verschluss gehalten? Der Reflex, die Institution schützen zu wollen, und das Bedürfnis nach Selbstschutz gehen oft Hand in Hand. Auch ein Kardinal kann zurücktreten, das wäre doch nicht schlecht. Wenn sich Woelki wenigstens dafür schämen würde, was er mit diesem Verhalten anderen antut. Im Programm nehme ich ihm nach und nach die Beichte ab. Zum Schluss kriegt er natürlich nicht die Absolution, tut mir Leid. Er sollte das Gutachten so schnell wie möglich veröffentlichen und sich entschuldigen. Damit würde er zumindest etwas an Glaubwürdigkeit wiedergewinnen. Das Problem ist ja: Die Lüge hat die Glaubwürdigkeitskrise nach sich gezogen. Inzwischen treten im Erzbistum so viele Leute aus der Kirche aus, dass sie lange auf einen Termin warten müssen.

Haben Sie auch mit dem Gedanken gespielt, auszutreten?

Beikirchner: Das habe ich schon 2006 getan, nach einem Gespräch mit Kardinal Joachim Meisner, der mich eingeladen hatte. Er sagte, Katholiken sollten exkommuniziert werden, wenn sie mit ihrem protestantischen Lebenspartner am Abendmahl teilnehmen. Mein lieber Herr Gesangsverein! Das ist so weit weg von der Bergpredigt und vom christlichen Gedanken, dass ich ausgetreten bin. Das hatte auch den Effekt, dass ich gläubiger geworden bin, als ich es vorher war.

Zurück zu den Seuchen. Welche Parallelen und Unterschiede sehen Sie zwischen früher und heute?

Beikirchner: Die Verhaltensweisen sind ähnlich. Im Alten Ägypten wurden die Israeliten vertrieben, weil sie im Verdacht standen, Aussatz zu haben. In Pest-Zeiten hat man die Leute eingesperrt und die Häuser versiegelt und während der Spanischen Grippe in Lazarett-Schuppen gesteckt und möglichst die Tür verschlossen. Einen großen Unterschied sehe ich allerdings: In allen früheren Seuchen hat man die Überlebenden, die Gesunden geschützt. Jetzt versucht man auch, die Betroffenen, die Kranken zu schützen. Das ist eher neu. Die Fürsorge der Gesellschaft für die Corona-Infizierten ist ein sehr schönes, humanitäres Zeichen.

Und die Corona-Politik?

Beikirchner: Dass die Unsicherheit der Politiker so groß ist, kann man ihnen nicht verdenken. Andererseits nehmen wir in Deutschland beispielsweise einfach in Kauf, dass pro Jahr 40.000 Menschen an Krankenhauskeimen sterben. Ich habe den Eindruck, dass sich bei Corona niemand getraut, etwas zu sagen, auch weil es noch an Wissen fehlt. Wenn man nur die medizinischen Experten ranlässt, die ein Covid-freies Europa oder Deutschland wollen, werden mit diesem Ziel vor Augen andere Ziele vernachlässigt. Du kannst ja differenziert gar nichts mehr sagen, ohne sofort in eine Ecke gedrängt zu werden.

Zur Person

Konrad Beikircher, geboren 1945 in Bruneck in Südtirol, kam 1965 zum Studium der Musikwissenschaft, Psychologie und Philosophie nach Bonn. Ab 1971 arbeitete der Kabarettist, Musiker, Schriftsteller und Moderator zunächst als Gefängnispsychologe. (cs)

Vieles ist von Angst bestimmt.

Beikirchner: Im Programm versuche ich an Beispielen wie der Lepra zu zeigen, dass Europa viel schlimmere Seuchen überlebt hat. Es gibt Schlimmeres, als nicht mehr nach Mallorca fliegen zu können. Angst halte ich übrigens für eine der deutschesten Seuchen, Angst vor der Zukunft, vor der Ungewissheit. Im Programm erzähle ich vom Bedürfnis der Deutschen, sich abzusichern und für alles Versicherungen abzuschließen.

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Wie sind Sie persönlich durch die Corona-Krise gekommen?

Beikirchner: Ich hatte ja auch Corona, zum Glück nur drei Tage. Dazu kamen andere Probleme, aber gesundheitlich bin ich alles in allem gut durchgekommen. Ökonomisch natürlich nicht, Auftritte gab es extrem wenig. Ich schreibe jetzt mehr. Ausgehend vom Kabarettprogramm werde ich ein Büchlein schreiben, mit dem ich Hoffnung geben möchte.

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