Albrecht Schrader„Ich habe keine Lust mehr darauf als unmännlich zu gelten, weil ich gerne Musicals schaue“

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Der Musiker Albrecht Schrader im Porträt vor einer Kirmes.

Albrecht Schrader leitete das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld.

Albrecht Schrader ist Musiker und Ex-Leiter des Rundfunktanzorchesters Ehrenfeld. Im Interview spricht er über Kölner Hedonismus, toxische Männlichkeit und sein neues Album.

Ihr neues Album „Soft“ ist gerade erschienen. Wie fühlt sich das an?

Jetzt besser als kurz davor. Die Antizipation ist im Social-Media-Zeitalter echt hart. Ich frage mich immer, wie es für die Leute in den 90ern gewesen sein muss, als es diese Variable noch nicht gab. Es ist Fluch und Segen. Wenn man ein neues Album rausbringt, potenziert sich das. Man muss das Album in den sozialen Netzwerken bewerben, aber auch darauf achten, darin nicht zu versinken. Aber es überwiegt die Freude.

  • Albrecht Schrader ist 1983 in Hamburg geboren und lebt mittlerweile wieder dort. Er arbeitet als Musiker, Komponist und hat das Musiklabel „Krokant“ gegründet.
  • Schrader studierte Musik-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität zu Köln.
  • Von 2016 bis 2019 leitete er gemeinsam mit Lorenz Rhode das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld, das Teil der Sendung Neo Magazin/ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann ist. 2019 war das Orchester für den Grimme-Preis nominiert.

„Ich finde es gut, dass Privilegien überprüft werden“

Ihr Album trägt den Titel „Soft“. Setzt es den aktuell harten Zeiten etwas Weiches entgegen, oder nimmt es Bezug auf Männlichkeit?

Alles zum Thema Jan Böhmermann

Sowohl als auch. Die Musik, die ich mache, ist ein Zufluchtsort, in der ich meine Weichheit und meine Verletzlichkeit ausleben kann. Und das durchaus im Kontrast zu dem Druck, den ich schon immer empfinde, weil ich männlich bin. In dem Zusammenhang finde ich alles, was sich gerade gesellschaftlich verändert, dass Privilegien überprüft werden, dass marginalisierte Gruppen mehr in den Fokus kommen, total gut und wichtig. Das bedeutet für mich auch, dass ich als Mann andere Inhalte besprechen kann. Ich habe das schon immer gemacht, aber das Label passt gerade besonders gut in die Zeit. Ich habe keine Lust mehr darauf als unmännlich zu gelten, weil ich gerne Musicals schaue. Das Album ist aber auch ein utopischer Wunsch nach einem liebevollen, verständnisvollen Umgang miteinander.

Wie spiegelt sich das im Sound der Platte wider?

Meine Musik hat bewusst sehr wenig mit Rockmusik zu tun, obwohl das eigentlich meine erste Prägung war. Aber es ist nicht mehr mein ästhetischer Weg. Ich habe mich in den letzten zehn bis 15 Jahren eher zu eleganter, schöner, weicher, psychedelischer Musik hingezogen gefühlt. Ich finde die Grenze zu dem, was Leute als Kitsch empfinden, spannender als die zum Lauten, Schreienden. Ich möchte eine schöne, mystische Klangwelt aufbauen. Das ergibt sich bei mir aber automatisch. Ich mochte auf Alben die Balladen schon immer am meisten.

Albrecht Schrader über seine Arbeit mit Jan Böhmermann und dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld

Sie spielen die Platte im Rahmen einer Tour live. In Köln findet das im Konzert im King Georg statt, einem wichtigen Ort für die hiesige Musikszene. War das Ihr Wunsch?

Das war so nicht direkt geplant, aber als die Location feststand, habe ich mich sehr darüber gefreut. Ich bin aus Köln weggezogen, als das neue King Georg gerade aufgemacht hat. Das alte King Georg war in meiner Köln-Zeit ein sehr prägender Ort. Ich habe auch in der Nähe gewohnt und war dort oft auf Konzerten und bin dort ausgegangen. Im „neuen“ war ich noch nie und freue mich sehr darauf.

Sie haben in Köln studiert und im Anschluss auch hier gearbeitet, drei Jahre lang als Leiter des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld in der Sendung von Jan Böhmermann.

Nach dem Studium war ich mit einem Bein eigentlich schon wieder in Hamburg. Irgendwie hat sich in Köln dann aber alles sehr beschleunigt. Über die Subkultur, wie die Baustelle Kalk oder die Galerie „Gold und Beton“, habe ich spannende Leute kennengelernt, mit denen ich viele Sachen ausprobiert habe. Parallel kam die Verbindung zur „Bildundtonfabrik“ und die Fernsehjobs. Da war absehbar, dass ich in Köln von der Musik leben kann. Und das war mein erklärtes Ziel. Es war mir aber immer klar, dass ich irgendwann zurück nach Hamburg möchte.

„Köln scheitert oft am eigenen Hedonismus“

Wie schätzen Sie die Kölner Musikszene ein?

Köln hat eine tolle Energie in der Subkultur. Oft scheitert es aber daran, dass diese städtisch nicht erkannt wird und die Räume fehlen – sowohl metaphorisch als auch konkret. Es gibt ein paar große Leuchttürme: Das Label Kompakt, die Bildundtonfabrik, Annenmaykantereit, Roosevelt. Die bekommen eine riesige Anerkennung. Aus dem Mittelfeld oder im Kleineren bleibt aber oft nicht viel hängen. Ich habe Köln immer als hedonistische Stadt wahrgenommen, im positiven Sinne. Das ist in Hamburg anders. Vielleicht scheitert Köln oft aber auch an diesem Hedonismus. Vielleicht bleibt einiges zu klein, was eigentlich größer werden könnte.

Seit 2019 sind Sie nicht mehr Teil des Rundfunktanzorchesters. Vermissen Sie es manchmal?

Der Hauptgrund für meinen Entschluss dort aufzuhören war, dass es für mich zu viel Arbeit wurde. Ich habe es parallel nicht mehr geschafft, noch andere Projekte zu verfolgen, was ich immer wollte. Das war für mich eine ganz schwierige Entscheidung, die aber richtig war. Was mir fehlt, ist die Teamarbeit. Jetzt arbeite ich hauptsächlich allein. Im Rundfunktanzorchester habe ich mit tollen Musikerinnen und Musikern gearbeitet, und die Arbeit hat eine hohe Anerkennung erfahren. Mittlerweile kann ich aber an vielen verschiedenen Dingen mitwirken, was für mich sehr erfüllend ist.

Albrecht Schraders Album „Soft“ ist am 20. Januar erschienen und bei allen gängigen Streaming-Plattformen abrufbar. Am 28. Januar spielt er ein Konzert im Kölner „King Georg“, Tickets gibt es für 18,50 Euro.

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