Überfall auf Kippa-Träger in KölnKeine Zweifel mehr an antisemitischem Motiv

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Die Kölner Synagogen-Gemeinde beklagt einen deutlich wachsenden Antisemitimus. (Symbolbild)

Köln – Nach dem nächtlichen brutalen Angriff auf einen Kippa-tragenden 18-Jährigen auf den Ringen sind sich die Ermittler sicher, dass die Täter aus judenfeindlichen Motiven gehandelt haben. Aufgrund der Angaben des Opfers und zweier weiterer Zeugen könne „bedauerlicherweise an der (auch) antisemitischen Tatmotivation aus hiesiger Sicht schon jetzt kein Zweifel bestehen“, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit.

Zwei Heranwachsende (18 und 19 Jahre) waren kurz nach der Tat am Freitagabend als Tatverdächtige festgenommen worden. Dabei handelt es sich um einen Deutschen und einen Deutsch-Türken, hieß es weiter. Beide seien inzwischen wieder auf freiem Fuß, gelten aber weiter als Verdächtige.

Die Polizei hat indes eine fünfköpfige Ermittlungsgruppe eingesetzt. Die beim Staatsschutz angesiedelte Einheit soll nun unter anderem Aufnahmen aus der polizeilichen Videoüberwachung auswerten, sagte ein Polizeisprecher. Die Kameras könnten auch aufgezeichnet haben, wer sich vor und nach der Tat auf dem Grünbereich am Kaiser-Wilhelm-Ring aufgehalten hat. Die Sicht auf den Tatort selbst und damit auf den Tathergang dagegen ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Teilen von einem Baum verdeckt.

Alles zum Thema Polizei Köln

Antisemitisch beleidigt

Am Kaiser-Wilhelm-Ring – einem Feier-Hotspot in der Innenstadt – war Polizeiangaben zufolge am Freitag gegen 23.30 Uhr ein 18-Jähriger aus einer Gruppe von etwa zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen heraus geschlagen und getreten worden. Dabei wurden ihm die Nase und das Jochbein gebrochen. Einer aus der Gruppe habe dem Heranwachsenden zudem seine Kippa vom Kopf geraubt. Der Tat soll eine antisemitische Beleidigung vorausgegangen sein. Offenbar kannten sich das Opfer und die mutmaßlichen Täter nicht.

Die Tat löste deutschlandweit Bestürzung und Sorge aus. „Der feige Angriff auf einen jungen Mann in der Nacht zu Samstag in Köln hat offensichtlich wieder einmal die hässliche Fratze des Antisemitismus in Deutschland sichtbar gemacht“, sagte etwa Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Antisemitismusbeauftragte in NRW. „Angriffe auf Leib und Leben von Jüdinnen und Juden sind widerwärtige Attacken, die konsequent verfolgt und mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden müssen.“

Mitglieder der Synagogen-Gemeinde fühlen sich nicht mehr sicher

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich am Montag bestürzt. „Ich bin entsetzt über diesen schrecklichen und feigen Angriff auf einen jungen Mann, der offenbar aufgrund antisemitischer Motive aus einer Gruppe heraus heftig angegriffen und dabei schwer verletzt wurde“, sagte Klein.

„Mitglieder der Synagogen-Gemeinde Köln fühlen sich nicht mehr sicher in ihrer Stadt. Wir erwarten von der Polizei, den Staatsanwaltschaften und den Richtern in diesem Land, dass mit der nötigen Härte des Gesetzes gegen antisemitische Exzesse vorgegangen wird“, sagt Felix Schotland, Mitglied des Vorstandes der Synagogen-Gemeinde Köln. „Wir wissen allerdings, dass die meisten Vertreter aus Politik und Stadtgesellschaft an unserer Seite stehen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

206 antisemitische Straftaten im ersten Halbjahr in NRW

Im ersten Halbjahr 2021 wurden in Nordrhein-Westfalen 206 antisemitische Straftaten begangen. Dabei ging es vor allem um Volksverhetzungs-, Beleidigungs- und Propagandadelikte aber auch um Sachbeschädigung, Bedrohung und in drei Fällen um Körperverletzung. Das geht aus einem Bericht der Landesregierung hervor, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Demnach wurden gegen 488 Beschuldigte Ermittlungsverfahren eingeleitet. In 56 Fällen sei Anklage erhoben oder ein Strafbefehl beantragt worden, bei 297 Verdächtigen sei es zur Einstellung des Verfahrens gekommen.

Etwa die Hälfte der Taten sei von Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum verübt worden, 70 Fälle seien dem „Phänomenbereich ausländische Ideologie“ zuzuordnen, heißt es in der Antwort des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag. Im Mai dieses Jahres hatte es in Deutschland in mehreren Städten antisemitische und anti-israelische Ausschreitungen gegeben. Zuvor war der Gaza-Konflikt zwischen militanten Palästinensern und Israel wieder eskaliert. Vom 10. bis zum 21. Mai wurden in NRW in diesem Zusammenhang etwa 90 antisemitische Straftaten gemeldet, teilte das Innenministerium mit.

Im vergangenen Jahr war die Zahl der Übergriffe mit 276 Fällen insgesamt noch zurückgegangen. Dies waren 39 Straftaten weniger als im Vorjahr. Entwarnung jedoch könne längst noch nicht gegeben werden, warnte Leutheusser-Schnarrenberger damals schon. Während der Corona-Pandemie habe sich „ein Nährboden für einfache Erklärungsmuster und Verschwörungsmythen gebildet“. So träten auf Querdenker-Demonstrationen und in sozialen Netzwerken selbsternannte Verschwörungstheoretiker auf und verbreiteten den uralten Mythos einer jüdischen Weltverschwörung. 

KStA abonnieren