Volle Arztpraxen wegen InfektenAnzahl der Kinder mit RS-Virus in Kölner Kliniken steigt stark an

Lesezeit 4 Minuten
Eine Intensivpflegerin versorgt auf der Kinder-Intensivstation einen am RS-Virus erkrankten Patienten, der beatmet wird.

In den Kölner Kinderkliniken steigt die Anzahl der kleinen Patienten, die wegen RSV behandelt werden müssen. (Symbolbild)

Die aktuelle Viruswelle sorgt für lange Wartezeiten in Kinderarztpraxen und volle Stationen in den Kinderkrankenhäusern.

Das RS-Virus grassiert in Deutschland – und sorgt auch in Köln für volle Wartezimmer bei den Kinderärzten und Einweisungen in die Kinderkliniken. „Seit Ende November ist die Anzahl der Patienten mit RS-Viren stark angestiegen“, sagt der Kinder- und Jugendarzt Marc Neukirch. „In dieser Woche ist es in unserer Praxis nochmal deutlich voller geworden als in der Vorwoche. Die Arbeitsbelastung ist aktuell sehr hoch.“

Am häufigsten behandelt Neukirch in seiner Praxis in Heimersdorf derzeit kleine Patienten mit RSV: Das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) löst Atemwegserkrankungen aus, die vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren schwer verlaufen können. „Verglichen mit dem Vorjahr ist die Situation aktuell aber noch händelbar.“ Im vergangenen Jahr war die RSV-Welle bereits im Spätsommer gestartet, zudem hatte auch die Grippesaison früher begonnen. „Grippe-Patienten sind bisher nur Einzelfälle.“

Köln: Zahl der Kinder mit RS-Virus in Kliniken steigt stark an

„Problematisch sind die übervollen Kliniken, so dass wir aktuell manche Kinder auch zweimal am Tag sehen müssen“, sagt Neukirch. So sollen Einweisungen möglichst vermieden werden. Neukirch ist stellvertretender Obmann im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und vertritt die Interessen seiner Kölner Kolleginnen und Kollegen, mit denen er sich regelmäßig austauscht.

Alles zum Thema Kliniken der Stadt Köln

In der Kölner Uniklinik hat die Anzahl der Kinder, die wegen einer Infektion mit RS-Viren stationär aufgenommen werden müssen, in den vergangen zwei Wochen stark zugenommen, wie Prof. Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), sagt.

Dieser Anstieg trifft auf einen hohen Krankenstand der Klinikbeschäftigten und den weiterhin bestehenden Fachkräftemangel. „Noch gibt es keine absolute Überlastung der Kliniken. Aber es wird solche Tage und Wochen geben, wo die Belastung so groß ist, dass wir Kinder in weiter entfernte Kliniken verlegen müssen.“ An einzelnen Tagen komme es jetzt schon vor, dass die Kliniken in Köln und im Umland bis Bonn und Aachen alle voll seien.

Es wird solche Tage und Wochen geben, wo die Belastung so groß ist, dass wir Kinder in weiter entfernte Kliniken verlegen müssen
Prof. Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik der Uniklinik Köln

„Eltern müssen sich darauf einstellen, dass gesündere Kinder weiter weg verlegt werden. Aber sie können sich auch darauf verlassen, dass wir sehr kranke Kinder nicht wegschicken“, sagt Dötsch. „Zur Not müssen wir Stationen überbelegen.“ Außerdem müssten Eltern mit langen Wartezeiten in den Notaufnahmen rechnen – mitunter könne es sechs bis acht Stunden dauern. Elektive Untersuchungen und Operationen – also solche, die geplant und nicht notfallmäßig stattfinden – müssen gegebenenfalls verschoben werden: „So stellen wir sicher, dass wir schwer kranke Kinder behandeln können.“

Dötsch ist es wichtig zu betonen, dass bei den meisten Patienten mit RS-Viren keine Probleme auftreten: „Nur bei zehn Prozent von ihnen eine Bronchitis oder Lungenentzündung auf. Von diesen müssen zehn Prozent stationär aufgenommen werden und von diesen wiederum zehn Prozent auf der Intensivstation behandelt werden.“ Das bedeutet: Von Kindern mit einer RSV-Infektion muss durchschnittlich jedes 100. im Krankenhaus und jedes 1000. auf der Intensivstation behandelt werden. Das seien vor allem Säuglinge und Kleinkinder mit einer Lungenentzündung.

RS-Virus: Vor allem Neugeborene und Kleinkinder erkranken schwer

Zu den Risikopatienten gehören Dötsch zufolge Frühgeborene, Kinder mit Herz- oder Lungenfehlbildungen, Kinder mit Trisomie 21 und Kinder, die wegen einer Muskelerkrankung nicht gut atmen können. Für Neugeborene mit solchen Risikofaktoren sei eine Impfung gegen das RS-Virus empfehlenswert, ebenso für Schwangere: Die Mutter bildet Antikörper, die sich auf das Neugeborene übertragen, das dadurch einen drei Monate dauernden „Nestschutz“ erhalte.

Auch im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße führen Atemwegsinfektionen in den vergangen Wochen vermehrt zu stationären Aufenthalten „Seit Ende Oktober beobachten wir insbesondere einen Anstieg von Infektionen durch das RS-Virus. Vor allem Neugeborene und Säuglinge erkranken bei RSV-Infektionen mit schwerer Symptomatik und benötigen eine vermehrte Sauerstoffzufuhr“, sagt Prof. Michael Weiß, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und Ärztlicher Direktor. Grippe und Corona spielten bislang keine große Rolle im Kinderkrankenhaus.

Die Allgemeinstationen sind Weiß zufolge „bereits jetzt voll ausgelastet“. Daher würden akut erkrankte Kinder mit Atemwegsinfektionen „in diesen Wochen auch gehäuft auf Stationen mit anderen fachlichen Schwerpunkten aufgenommen, um die gesamte Bettenkapazität im Kinderkrankenhaus für die notwendigen Behandlungen der überwiegend sehr jungen Patienten zu nutzen“. Um die Behandlungskapazitäten für Atemwegsinfektionen zu erweitern, seien im Herbst die Patientenzimmer mit speziellen Sauerstoffanschlüssen ausgerüstet worden.

KStA abonnieren