„Wir sind keine Nieten“Kölner Schüler und Eltern demonstrieren gegen Schulplatzmangel

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Demonstration gegen das Schulanmelde-Verfahren auf dem Alter Markt in Köln

Köln – Mit Trillerpfeifen, ohrenbetäubendem Lärm und lauten Schreien haben Kölner Viertklässler bei einer Demonstration auf dem Alter Markt ihrem Frust über den Schulplatzmangel Luft gemacht. Fast hatte man den Eindruck, die ganze Anspannung der letzten Wochen des Anmeldeverfahrens brach sich Bahn: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man keine Schulen baut“, skandieren sie im Chor.

Auf bunten Plakaten hatten die Schüler und ihre Eltern das zusammengefasst, was die „Schulplatzverlosung“ in ihnen ausgelöst hat: „Wir fühlen uns wie Nieten“ stand da, „Bildung ist kein Glücksspiel“ oder „Gib mir mein Selbstbewusstsein zurück“. „Spielen statt pendeln“ steht auf dem Plakat, das Lina und Frida hochhalten, die jetzt bald weite Wege zur Schule fahren müssen.

Verzweifelte Eltern in Köln: „Ich kann nicht mehr schlafen"

„So viele Jahre hat die Stadt versagt. Diesem Unvermögen verdanken wir, dass wir in diese Situation geraten sind“, sagt Vater Karsten Krieg. Und Daniela Jansen aus Ehrenfeld hat bislang vergeblich auf einen Anruf gewartet: „Ich kann seit 14 Tagen nicht mehr schlafen“, sagt sie. Bennett (10) steht am Rand es Geschehens. Er hat den ersehnten Anruf inzwischen erhalten und einen Platz über die Warteliste ergattert. Trotzdem ist er gekommen und fühlt sich trotz Losglück nicht gut: „Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich einen Platz habe und andere aus meiner Klasse nicht.“

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Viertklässler demonstrieren auf dem Alter Markt.

Im Anschluss an die Demonstration ergriff Schuldezernent Robert Voigtsberger zu Beginn des Schulausschusses das Wort. Es war eine Ruckrede, während der man eine Stecknadel fallen hören konnte: „Die Situation ist auch für mich unerträglich“, schickte er vorweg. Der Schuldezernent sprach von einem dramatischen Zustand beim Schulbau. „Alles, was zu tun ist, liegt auf dem Tisch . Wir müssen bauen, bauen, bauen. Es gibt kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, konstatierte er. Seit Jahren werde die Priorität des Schulbaus beschworen. Aber immer wieder würden Partikularinteressen höher gewichtet als der Schulbau.

Ein Provisorium für die Gesamtschule an der Fitzmauricestraße

Voigtsberger führte eine lange Liste von Beispielen dafür an, wie immer wieder Baupläne für Schulen entweder daran scheiterten, dass etwa eine Hundewiese in der Nachbarschaft erhalten werden sollte, Investoren auf den Grundstücken den Wohnungsbau bevorzugt hätten und Proteste gegen Baumfällungen Interimsbauten verhinderten.

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Zahlreiche Schülerinnen, Schüler und Eltern waren zu der Demo in Köln gekommen.

Oder ganz aktuell: Wie ein Provisorium für die Gesamtschule an der Fitzmauricestraße, die schon in diesem Jahr die Situation bei den Gesamtschulplätzen entlastet hätte, scheiterte, weil andere Interessen höher gewichtet wurden. Zudem seien in der Vergangenheit nicht selten Investoren Grundstücke überlassen worden, die sich sehr gut für den Schulbau geeignet hätten.

Resolution für den Schulbau in Köln

Voigtsberger machte klar, dass all das künftig so nicht mehr geht: „Mit jedem Nein zu einem Projekt wird eine von wenigen Chancen vertan“, sagte er. Schließlich gebe es in der hoch verdichteten Stadt ohnehin nicht mehr viele geeignete Grundstücke. Verzögerungen jeder Art seien nicht mehr hinnehmbar. Er forderte ein klares Bekenntnis zu „einer Leitlinie Schulbau First“. Er werde dem Rat eine entsprechende Resolution vorlegen, die diese Priorität untermauert.

„Es soll keine Zweifel mehr geben, dass sich das höchste Gremium der Stadt zu diesem Grundsatz bekennt.“ Dies müsse als übergeordneter Konsens allen klar sein. Was das konkret bedeutet, ließ er nicht unbeantwortet: Voigtsberger will ein Stärkungspaket für Gymnasien und Gesamtschulen einbringen. Dafür sollen alle noch nicht begonnen Bauprojekte in der Stadt auf den Prüfstand. Will sagen: Es wird in jedem einzelnen Fall geprüft, ob nicht doch ein Schulbau dem geplanten Bauprojekt vorgezogen wird.

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Auch beim Thema Schulanmeldeverfahren will Voigtsberger Änderungen herbeiführen. Auch wenn der Mangel an Schulplätzen die Ursache für das belastende Verfahren der Schulplatzverlosung ist. „Auch hier hilft nur bauen.“ Er will aber dafür kämpfen, dass das Verfahren geändert wird und es zumindest die Mehrfachanmeldungen im kommenden Jahr nicht mehr geben wird. Das Problem ist, dass er dafür auf die Kooperation der Landesregierung angewiesen ist. Denn Mehrfachanmeldungen sind laut Schulgesetz Nordrhein-Westfalen eindeutig zulässig.

Die Stadt hat keine Handhabe, das den Eltern vorzuenthalten. Deshalb hat Voigtsberger sich an das Land gewandt mit der dringenden Bitte, das Gesetz so zu ändern, dass Mehrfachanmeldungen ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr möglich sind. Ziel soll es sein, ein faireres, transparenteres Verfahren zu schaffen, das den Wünschen der Kinder und Eltern wieder mehr Raum gibt.

Kölner Anmeldeverfahren soll dringen überarbeitet werden

Der Schulausschuss stimmte daraufhin einstimmig einem Dringlichkeitsantrag zu. In diesem beauftragten alle Fraktionen die Verwaltung, das Anmeldeverfahren für das nächste Jahr zu überarbeiten. Es solle auf Mehranmeldungen verzichtet werden und den Eltern wieder die Möglichkeit gegeben werden, mehrere Wunschschulen anzugeben und diese klar zu priorisieren.

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Eine Mutter hält ein Plakat bei der Demo in Köln.

Für Schülerinnen und Schüler, die in Randlagen wie etwa in Langel wohnen solle es Härtefallregelungen geben, die sicherstellen, dass sie auf eine auf Kölner Stadtgebiet liegende Schule in ihrer Nähe gehen können. Außerdem fordern sie, dass im kommenden Jahr zunächst das Anmeldeverfahren für die Gesamtschulen beendet wird, ehe das Verfahren an den anderen weiterführenden Schulen startet. 58 Plätze fehlen noch

Stand der Schulplatzvergabe in Köln

Gleichzeitig informierte die Stadt über den Zwischenstand der Schulplatzvergabe: Noch sei immer noch viel Bewegung im Verfahren, sagte die Leiterin des Schulentwicklungsamtes Anne Lena Ritter. Immer noch würden Plätze zurückgegeben und anderen Familien angeboten. Stand jetzt hätten allerdings noch 387 Kinder keinen Platz an einer Schule haben.

Demgegenüber gibt es im Stadtgebiet noch 326 freie Plätze. Die fehlenden 58 Plätze würden durch weitere Mehrklassen geschaffen. Die Stadt rechnet damit, dass in den nächsten Tagen noch etwa 210 Kinder über die Wartelisten nachrücken werden und damit einen Platz an einer Schule bekommen, an der sie sich angemeldet haben. Vermutlich 180 Kinder müssen in eine zweite Anmelderunde und sich für eine anderes Gymnasium entscheiden.

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