OB Reker über Schulplatznot in Köln„Schulen hätten vor Jahren fertig sein müssen“

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Reker

Henriette Reker zu Besuch in der Kreuzgasse.

Köln – Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat „großes Verständnis“ für den Unmut angesichts der Schulplatznot geäußert. Für Viertklässer, Eltern, Schulleitungen und Sekretariate sei dies gerade eine schwere Zeit, sagte die Oberbürgermeisterin einen Tag nach der Veröffentlichung eines Brandbriefs von 34 Schulleitungen.

Gleichzeitig verwies sie auf die Versäumnisse vergangener Jahrzehnte, die auch sie ärgern würden: „Die Schulen für die jetzt einzuschulenden Kinder hätten ja schon vor vielen Jahren fertig sein müssen.“ Seit ihrem Amtsantritt habe der Schulbau für sie höchste Priorität. Dafür investiere Köln seit ein paar Jahren so viel Geld wie noch nie. Außerdem sei das Tempo durch die Vergabe an General- und Totalunternehmer deutlich erhöht worden.

Da dies noch nicht reicht, sei nun eine Schulbaugesellschaft gegründet worden, um noch mehr Tempo in den Schulbau zu bringen. Reker verwies darauf, dass in den vergangenen sechs Jahren 1100 Plätze für Fünftklässler geschaffen worden seien. Sie werde gemeinsam mit dem Bau- und dem Schuldezernenten „alles dafür tun, die Situation nachhaltig zu verbessern“.

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Tempo durch Modulbau

Der Kölner Schulplatzmangel besteht schon seit mehr als zehn Jahren und spitzt sich trotz umfangreicher Baupläne der Stadt weiter zu. Das Problem: Die Hauptversäumnisse liegen weit in der Vergangenheit, da man in Köln über viele Jahre den kontinuierlichen Schulbau versäumt hat. Seit einigen Jahren wird versucht, über große Schulbaumaßnahmenpakete mit vielen Neubauprojekten, General- und Totalunternehmer sowie Modulbau Tempo zu machen: Aber man läuft eben nicht nur einem großen Rückstand hinterher, sondern kämpft außerdem mit den Herausforderungen einer wachsenden Stadt.

Der 2020 letztmalig aktualisierte Schulentwicklungsplan prognostiziert allein bis 2030 einen Bedarf von 54 neuen Schulen. Die Stadt wächst laut den aktuellen Prognosen bis zum Jahr 2040 um 200000 Menschen. Das entspricht von der Einwohnerzahl dem Zuwachs einer Stadt in der Größenordnung von Oberhausen. Und bedeutet eben auch, in Sachen Schulen die Infrastruktur einer ganzen Stadt zusätzlich schaffen zu müssen – und das, obwohl in der bereits stark verdichteten Stadt keine passenden Grundstücke mehr zu finden sind.

Chronisch unterbesetzt

Mit der gerade erst gegründeten von Reker angesprochenen externen Schulbaugesellschaft versucht man nun weitere Beschleunigungen herbeizuführen, da diese schneller agieren kann als die personell chronisch unterbesetzte städtische Gebäudewirtschaft. Nur: Diese ist bislang lediglich mit zehn Stellen ausgestattet. In Düsseldorf und Hamburg gibt es solche Gesellschaften bereits seit 2015 bzw. 2013. In Hamburg sind zwei ausgegliederte eigene Schulbaugesellschaften mit 1000 Mitarbeitern für den Schulbau der Hansestadt beschäftigt.

Dass wirklich kurzfristige Verbesserungen nicht zu erwarten sind, ist daran erkennbar, dass auch für das kommende Schuljahr – so wie schon in diesem Jahr – nach den jetzigen Planungen wieder keine neue Gesamtschule im Interim an den Start gehen wird. Gleichzeitig entstehen riesige Neubaugebiete wie etwa die Kölner Weststadt, wo auf dem Max-Becker-Areal 1700 neue Wohnungen geplant sind.

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Das Gymnasium Kreuzgasse

Vorgesehen ist dort lediglich der Bau einer Grundschule, aber keine weiterführende Schule. Und das, obwohl die beiden nächstgelegenen Gesamtschulen Heliosschule und Wasseramselweg schon in diesem Jahr die höchste Anzahl an Ablehnungen aller Gesamtschulen verschicken musste. Erst auf Antrag der SPD wurde in der letzten Sitzung des Schulausschusses ein einsprechender Prüfauftrag für den Bau einer weiterführenden Schule an die Verwaltung erteilt.

Köln Thema im Landtag

Angesichts von öffentlichem Druck und Schulanmeldechaos durch die Mehranmeldungen haben SPD und FDP für den Schulausschuss am Montag eine Aktuelle Stunde zum Thema Schulplätze beantragt. Es brauche dringend eine Lösung zu den Mehrfachanmeldungen und eine Beschleunigung des Schulbaus. Auch der Landtag wird sich mit der Kölner Lage auseinandersetzen: Auf Antrag der Sozialdemokraten gibt es in der kommenden Sitzung des Schulausschusses am kommenden Mittwoch eine Aktuelle Viertelstunde zum Kölner Anmeldeverfahren.

Der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jochen Ott, fordert, dass angesichts der Kölner Gymnasien an der Kapazitätsgrenze eine Lösung gefunden werden müsse. Die SPD will wissen, ob die Landesregierung das Schulgesetz überarbeitet, um das Anmeldeverfahren zu verbessern. Und: Wie die Landesregierung dafür sorgen wird, dass alle Kölner Kinder einen Schulplatz an einem Gymnasium bekommen. Bereits am Mittwoch hatte das Schulministerium erklärt, dass die Landesregierung sich das diesjährige Verfahren in Köln sehr genau anschauen werde. Der neu gewählte Landtag müsse dann entscheiden, ob der rechtliche Rahmen für das Verfahren angepasst werde.

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Am kommenden Mittwoch werden Bezirksregierung, die Stadt als Schulträger und die Schulleitungen zusammenkommen. Es geht darum, angesichts 450 fehlender Plätze 15 Schulen zu finden, in denen eine Mehrklasse gebildet werden kann und ob die Bedingungen vor Ort so sind, dass diese überhaupt von der Bezirksregierung genehmigt werden können.

Demonstration der Eltern

Neben dem Hilferuf der 34 Schulleiter hatten sich auch zahlreiche Klassen- und Schulpflegschaften aus Grundschulen in einem Brief an Reker gewandt: „Sie haben eine politische Bankrott-Erklärung hingelegt.“ Und: „Sie lehren Kinder, dass nicht Fleiß zum Erfolg führt, sondern Losglück.“

Zu Beginn der Woche hatten Kölner Kinder in Briefen an die Oberbürgermeisterin geschildert, wie schlecht sie sich nach zahlreichen Ablehnungen und aussichtslosen Wartelistenplätzen fühlen. Am kommenden Montag werden Kölner Eltern auf dem Alter Markt gegen die „Schulplatztombola“ demonstrieren.

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