Szene-Kneipe in Köln-Ehrenfeld„Ich hatte schlaflose Nächte wegen Karneval“

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Tomas Pollmann ist seit 11 Jahren der Besitzer der Hängenden Gärten in Köln-Ehrenfeld

  • Karneval steht vor der Tür: Wirt Tomas Pollmann von den Hängenden Gärten in der Vogelsanger Straße hat lange mit der Entscheidung, ob er feiern soll, gezögert.
  • Ein Gespräch über Brauchtumszone, Ehrenfeld und die Einschränkungen der Pandemie.

Köln – Herr Pollmann, das gesamte Stadtgebiet wurde zur Brauchtumszone deklariert. Karneval in Kneipen findet unter 2G-plus-Bedingungen (Geimpfte und Geboosterte mit Test) statt. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin total zwiegespalten. Auf der einen Seite freue ich mich, dass es möglich ist, Karneval zu feiern. Für viele Kollegen ist das gut und wichtig, weil der Umsatz massiv eingebrochen ist. Wir haben im Januar auch 50 Prozent weniger Umsatz als sonst. Es ist zwar immer voll, aber nach den Möglichkeiten. Jeder hat einen Sitzplatz. Vor Corona standen immer drei Reihen vor der Theke, es wurde getanzt. Jetzt ist das eher wie im Restaurant oder Café. Das macht auch keinen Spaß. Ich nenne die Gärten eigentlich immer Discobar, weil wir normalerweise DJs haben und am Wochenende Party ist.

Und wie haben Sie sich entschieden: Werden Sie an Karneval öffnen?

Alles zum Thema Henriette Reker

Ich hatte schlaflose Nächte wegen Karneval. Mache ich das jetzt oder nicht? Nach langer Überlegung haben wir uns dazu entschieden, an zwei Tagen zu öffnen, donnerstags ab 13 Uhr und samstags ab 18 Uhr und zwar mit halber Auslastung. Ich habe Lust darauf, weil ich ein riesiger Karnevalsfan bin. Die einzige Alternative wäre, den Laden komplett geschlossen zu lassen: also quasi eine Null beim Umsatz zu wenigstens ein bisschen Umsatz. Zur Zeit haben wir so 50 Leute im Laden am Wochenende. Ob jetzt noch 20 bis 50 dazukommen macht den Braten auch nicht fett. Es soll angenehm für alle sein. Wir werden draußen auch weitere Stehtische hinstellen, machen vorne die Tür auf, sodass wir die ganze Zeit durchlüften werden.

Über dem Ganzen schwebt noch das Tanzverbot, das erst nach den jecken Tagen am 4. März aufgehoben wird. Und laut Henriette Reker ist eine Kneipenveranstaltung keine Tanzveranstaltung…

Es gibt in der Verordnung ja auch so eine Klausel, dass wenn Tanz spontan entsteht, er in Ordnung ist, auch wenn man keine Tanzveranstaltung machen darf. Ich weiß auch gar nicht, was an dem Tanzen so böse sein soll - das Atmen?

Wirt Tomas Pollmann gibt trotz Pandemie nicht auf

Es macht keinen Spaß mehr seit der Pandemie, haben Sie gesagt. Sie werden aber nicht aufgeben, oder?

Auf keinen Fall. Ich mache das ja eigentlich super gerne, und Gastro ist auch das Einzige, was ich mache. Normalerweise kann ich von der Kneipe echt gut leben. Ich freue mich jetzt aufs Frühjahr, darauf, dass es ab März wieder etwas normaler wird, so dass man mal wieder ein Konzert organisieren kann, dass man wieder Abende hat, die den Laden ausmachen, und dass die Leute die Tische auf Seite schieben können und eben spontaner Tanz entsteht. Jetzt muss man die Gäste abends teilweise wegschicken.

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Typisch für die Bar Die hängenden Gärten: Die Blumen, die von der Decken herunter hängen.

Mittlerweile ist der Abendbetrieb wohl eher durchreguliert….

Ja, und ich habe auch Mitarbeiter, die sagen, sie hätten das Gefühl, in einem Restaurant zu arbeiten. Ich hatte ein sehr treues Team, kurz vor August habe ich zwei verloren, aber das waren die ersten in der ganzen Corona-Zeit. Denen passte auch die Außengastro nicht, vorher war man nur an der Theke und jetzt mussten sie eben auch raus an die Tische und bedienen. Ich kann das auch verstehen, dass man da nicht so Lust drauf hat.

Möchten Sie Ihre erweiterte Außengastronomie denn auch dauerhaft behalten?

Vorher hatten wir jahrelang gar keine, und dann eine ganz kleine mit vier Zweiertischen. Dann wurde die Straße umgebaut, der Bürgersteig verbreitert. Das war mein großes Glück: Das wurde fertig, und dann kam Corona. Ich hatte den Pflasterern noch gesagt, sie sollen den Abschnitt hier zuerst machen, habe ihnen eine Kiste Cola hingestellt. Und das haben die dann auch gemacht. Ich will sie unbedingt behalten.

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Außenfassade und Außengastro der hängenden Gärten

Die hängenden Gärten in Ehrenfeld werden dieses Jahr 20 Jahre alt

Sie betreiben die Hängenden Gärten seit elf Jahren, die Kneipe gibt es seit 2002. Wie kam es dazu, dass Sie die übernommen haben?

Ein Freund von mir, Roland Sachs, hat den Laden vor 20 Jahren eröffnet. Der betreibt das Weltempfänger-Hostel auf der Venloer Straße. Er hatte die Gärten und das Hostel gleichzeitig geführt, ich arbeitete damals im Hostel-Café. Ich wollte eigentlich einen anderen Laden eröffnen. Er hatte mir einen Kontakt vermittelt. Doch kurz vor Vertragsunterzeichnung ist das geplatzt. Und Roland fragte dann, ob ich nicht die Gärten kaufen will. Ich kannte den Laden, der Name war schon da, auch die Blumen. Es sind 10.000 Stück, das war viel Arbeit, die aufzuhängen. Die sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Man muss die irgendwann erneuern, im Dunkeln sieht man nicht, wie schmutzig die teilweise sind.

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Wie hat sich in den letzten elf Jahren das Veedel verändert?

Das Auffälligste ist, dass Sachen einfach weg sind: das Underground, das Heinz Gaul. Ich bin selber richtiger Ehrenfelder, seit über 20 Jahren wohne ich hier. Es gibt mehr Neubauten, alles ist teurer geworden. Man sieht mehr große Autos. Früher war hier mehr los mit Studenten. Ich glaube, dass wenige Studenten sich das noch leisten können, hier zu wohnen. Unter der Woche merkt man das. Vielleicht liegt das auch daran, dass sich das Studieren verändert hat.

Macht sich das sonst noch irgendwie bemerkbar?

Vielleicht trinken deswegen auch weniger. Manchmal kommen Leute her und trinken den ganzen Abend nur Limo. Das ist ja auch super, jeder soll trinken, was er will. Ich biete auch alkoholfreien Gin oder alkoholfreien Martini, das will ich auch unterstützen. Aber ich finde das ungewöhnlich, auch gerade zu Corona-Zeiten, dass man herkommt, und drei Stunden an zwei Limos trinkt. Das würde ich nicht machen. Da könnte ich mich auch zuhause treffen.

Zur Person

Tomas Pollmann ist 44 Jahre alt. Bevor er vor elf Jahren die Hängenden Gärten übernommen hat, arbeitete er für Kölnticket. Beruflich kommt er kommt er aus der Musikindustrie, wo er für Radio und Pressepromos für Universal Music und Indie-Labels machte. Pollmann ist vor einigen Monaten Vater einer kleinen Tochter geworden. (gam)

Was waren denn in den letzten Jahren außer der Pandemie noch Herausforderungen?

Eigentlich gab es keine. Ich hatte immer großes Glück, dass der Laden immer gut lief, es wurde auch immer mehr, es ist durchaus gelungen, dass der Laden noch bekannter wurde. Also wirklich keine Krise und keinen Ärger. Einmal hatten wir allerdings einen Überfall.

Also doch Ärger….

Das war vor vier Jahren. Da wurde einer meiner Mitarbeiter von einem Gast bedroht, der seinen hohen Deckel nicht zahlen konnte. Der hat die Pistole gezogen und sie auf den Mitarbeiter gerichtet und gesagt, er könne nicht zahlen und ist rückwärts rausgegangen. Das war sonntags. Seitdem haben wir sonntags zu. Denn es ist auffällig, dass wenn es doch mal etwas Ärger gab, das eher sonntags war. Viele Läden haben zu, man zieht dann so Freaks an, und manche sind vielleicht noch auf irgendwelchen Mitteln.

Würden Sie unter diesen Umständen überhaupt nochmal Gastronom werden und einen Laden eröffnen?

Ja, aber wenn etwas anderes. Ein Café oder Bistro. Ich persönlich hätte nicht nochmal Lust, eine Kneipe zu eröffnen. Ich habe alles getrunken, was es gibt, ich habe da schon alles gesehen. Es macht mir noch Spaß, komme gern her, aber ich habe keine Lust mehr, Schichten hinter der Theke zu machen. Ich hatte das Glück, dass ich selten hier stehen muss.

Wohin gehen Sie selber gern, um ein Kölsch zu trinken?

Ich gehe erstaunlich wenig aus, auch vorher schon. Wenn dann gehe ich auf Konzerte ins Gebäude 9 oder essen. In andere Kneipen selten. Nur in die Eckkneipe Bergkrug in der Kepler Straße, die Parallelstraße hier, gehe ich so ein- bis zweimal die Woche kurz vorbei, weil ich das einfach so liebe. Das ist wie die Lindenstraße: Der Typ von der Prinzengarde trifft da auf den arbeitslosen Maler und den Rentner. Jeder kennt sich, weil die alle hier wohnen. Man braucht kein Geld, weil man immer eingeladen wird. Das finde ich total schön.

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