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Umsetzung kostet MillionenSind die KVB-Pläne für mehr Sicherheit überhaupt finanzierbar?

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Die Zahl der Menschen, die in U-Bahnstationen übernachten, Drogen konsumieren und dort ihren Unrat hinterlassen, nimmt laut KVB zu.

Die Zahl der Menschen, die in U-Bahnstationen übernachten, Drogen konsumieren und dort ihren Unrat hinterlassen, nimmt laut KVB zu.

Die KVB will für mehr Sicherheit und Sauberkeit in U-Bahn-Haltestellen sorgen. Es stellt sich die Frage, ob die Pläne überhaupt bezahlbar sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) wollen mit einem Bündel verschiedener Ansätze die Auswirkungen verhindern, dass zunehmend wohnungslose und drogenabhängige Menschen in den Kölner U-Bahn-Stationen übernachten. Eine Maßnahme könnte sein, U-Bahnhaltestellen mit Rolltoren nachts zu versperren. Das soll wohl am Appellhofplatz getestet werden.

Die KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks hatte zur Vorstellung des Konzepts am Donnerstag gesagt: „Einige dieser Maßnahmen können und werden wir mit eigenen Mitteln umsetzen, für andere benötigen wir die Unterstützung der Politik, für die wir jetzt werben werden.“

Die KVB geht davon aus, dass die Umsetzung aller Pläne mehrere Millionen Euro kosten würde, die sie laut eigener Aussage nicht komplett selbst zahlen will. Es stellt sich die Frage, ob die Pläne überhaupt bezahlbar sind. Dazu zählt auch eine häufigere Reinigung. 40 der 205 Haltestellen sind U-Bahn-Haltestellen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Wie bewerten Vereine für Wohnungslose das Vorgehen der KVB?

Jens Röskens, Vorstand des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM), sagt: „Wir alle wollen in einem angstfreien Raum leben. Aber wir dürfen dabei eines nicht vergessen: Menschen, die auf der Straße leben und/oder süchtig sind, haben ihre Geschichte. Sie brauchen nicht nur Regeln, sondern vor allem auch Hilfe. Wenn wir sie nur wegschicken, lösen wir kein Problem – wir verschieben es nur an eine andere Stelle. Im Zweifel vor andere Haustüren.“

Die KVB will unter anderem mit einem Shuttle-Bus obdachlose Menschen abends zur nächstgelegenen Notschlafstelle bringen und plant einen „Wärme-Raum“ in einem KVB-Bus bereitzustellen. Anke Collignon, Sprecherin der SKM, sagt: „Manche verbringen ihre Nächte in U-Bahnstationen, weil sie dort zumindest ein Dach über dem Kopf finden. Insbesondere im Winter ist das oft der letzte Ausweg vor einem Tod durch Erfrierung.“ Der SKM stehe bereit, den nötigen Prozess zu begleiten.

Anja Bracht arbeitet beim Kölner Verein Straßenwächter, der wohnungslosen Menschen Kleidung, Essen und eine Anlaufstelle bietet. Viele ihrer Kollegen, die sich hier engagieren, waren selbst einmal obdachlos. Aus dem Austausch mit ihnen erzählt Bracht: „Sie können nachvollziehen, dass die KVB die Stationen nachts schließen will, der Dreck, der hinterlassen werde, sei unmöglich.“ Sie sagt aber auch: „Viele Notschlafstellen sind nicht beliebt.“ Es gebe kaum Privatsphäre, Tiere dürften nicht mitgenommen werden und es komme zu Diebstählen unter den Nutzern. Positiv bewerten die „Straßenwächter“ hingegen den Plan für einen weiteren Wärme-Raum in einem KVB-Bus.

Das Ordnungsamt, die Polizei udn KVB kontrollieren eine Person in der Zwischenebene der U-Bahn-Station Appellhofplatz.

Das Ordnungsamt, die Polizei udn KVB kontrollieren eine Person in der Zwischenebene der U-Bahn-Station Appellhofplatz.

Wie bewerten die Ratsfraktionen das Konzept?

Eine breite Mehrheit aus Grünen, CDU, Volt, SPD und FDP befürworten zumindest den Vorstoß grundsätzlich. Manfred Richter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagt: „Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen, wie zum Beispiel die nächtliche Schließung der U-Bahnhöfe, bedürfen der genauen Prüfung.“ Bernd Petelkau, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht gerade den Teil als „richtiges Signal“. Viola Recktenwald, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, sagt: „Jetzt ist aber auch die Stadtverwaltung gefragt, sich um die Menschen zu kümmern, mit neuen Unterbringungsmöglichkeiten und Hilfsangeboten.“ Die Linke will lieber Mittel aufwenden, um stadteigene Wohnungen für Obdachlose zu bauen. Ratsmitglied und OB-Kandidat Heiner Kokerbeck sagt: „Solange die Obdachlosigkeit in Köln nicht vollständig überwunden ist, verbietet es sich darüber nachzudenken, obdachlose Menschen aus den U-Bahnhöfen zu vertreiben.“

Sind die Ratsfraktionen auch bereit, der KVB mehr Geld zur Verfügung zu stellen?

Eine Mehrheit grundsätzlich schon, will aber konkrete Forderungen der KVB abwarten und Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Die KVB geht davon aus, dass 2,5 Millionen Euro zum Beispiel für 35 zusätzliche Stellen nötig sind, um mindestens an 20 Haltestellen in der Innenstadt rund um die Uhr mit Mitarbeitern präsent zu sein. 35 neue Stellen bräuchte sie dafür. Eine tägliche Reinigung sämtlicher U-Bahn-Stationen würde weitere rund sechs Millionen Euro kosten.

Richter sagt, man müsse sehr genau prüfen, welche zusätzlichen Ausgaben tragfähig seien. Auch Volt zeigte sich grundsätzlich bereit, finanzielle Unterstützung freizugeben. Petelkau sagt: „Das KVB-interne Programm wird aus dem laufenden Budget der Verkehrsbetriebe finanziert.“ Das zusätzliche Konzept bedürfe eines städtischen Zuschusses und der Anpassung des Öffentlichen Dienstleistungsvertrages. „Hier werden wir in den nächsten Wochen intensiv schauen, durch welche Quellen wir dies finanzieren können.“ Die drei Fraktionen halten mit 51 von 90 Sitzen eine Mehrheit im Rat. Volker Görzel, FDP-Fraktionschef und Oberbürgermeisterkandidat, sagt: „Saubere, sichere Haltestellen sind kein Nebenprodukt, sondern eine Kernaufgabe der Stadt.“ Er sieht jedoch die KVB als Unternehmen in der Pflicht, ihr Vorhaben in ihren Stationen aus eigenen Mitteln zu finanzieren – in Kooperation mit Polizei, Ordnungsamt, Sozialträgern.

Ein Streifenteam der Polizei, des Ordnungsamts und der KVB in der U-Bahn-Station Appellhofplatz.

Ein Streifenteam der Polizei, des Ordnungsamts und der KVB in der U-Bahn-Station Appellhofplatz.

Warum ist es wichtig, ob der Stadtrat bereit ist, der KVB mehr Geld zur Verfügung zu stellen?

Weil es sowohl der KVB als auch der Stadt finanziell schlecht geht. Die KVB ist ein städtisches Unternehmen und zählt wie die Rhein-Energie oder die Köln-Bäder zu den Stadtwerken Köln (SWK). Die KVB fährt seit Jahren hohe Verluste ein: Im Jahr 2023 lag der Verlust bei 131,4 Millionen Euro. Das Problem: Das Netz der KVB soll für die Verkehrswende ausgebaut werden, doch das kostet viel Geld. Allein die Umsetzung der Basis-Pläne würde ein Minus von 227 Millionen Euro im Jahr 2035 bedeuten. Auch die Stadt geht für die nächsten Jahre für Verluste in Milliarden-Höhe aus. Das heißt: Weder Stadt noch KVB haben Geld zum Verschenken übrig.

Hat der Stadtrat nicht voriges Jahr ein von der KVB erarbeitetes Sicherheitskonzept für die Haltestellen verabschiedet?

Darüber gab es am Freitag zunächst unterschiedliche Aussagen. Das Konzept heißt „KVB SOS“, für Service, Ordnung und Sicherheit. Das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat es mit einem Dringlichkeitsantrag in den Hauptausschuss im April eingebracht, doch letztlich hat das Gremium die Umsetzung des Konzeptes laut Protokoll nur „unterstützt“ und kurzfristig 1,35 Millionen Euro freigegeben. Die Auszahlung an die KVB Ende des Vorjahres bestätigte die Stadt. Doch die Finanzierung über 2024 hinaus blieb ungeklärt. Sozialdezernent Harald Rau stellte damals die Frage, „wie die benötigten Ressourcen aufgebracht werden können“. Der wichtigste Punkt von „SOS“, der die höchsten Kosten bedeuten würde, ist zusätzliches Personal. Die KVB empfahl in ihrem Konzept, 38 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen.