Antoinette Guilleaume, eine Stifterin aus der Kölner High-Society, gründete Anfang des 20. Jahrhunderts ein Kinderkrankenhaus im heutigen Stadtteil Weidenpesch, das inzwischen verfällt und dessen Zukunft ungewiss ist.
Köln früher und heuteEhemaliges Kinderkrankenhaus im Wandel der Zeit

Historisches Foto (1931): Das St. Antoniusheim im damaligen Merheim linksrheinisch war eine Stiftung von Antoinette Guilleaume und wurde später in ein Kinderkrankenhaus umfunktioniert.
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Nur der zweite Blick verrät, dass es sich noch immer um dasselbe Gebäude handelt, für das Antoinette Guilleaume einst eine Menge Geld gespendet hatte. Denn die Jahrzehnte haben dem mehrstöckigen Komplex an der Pallenbergstraße 24 ordentlich zugesetzt. Erst die Beschädigungen des Zweiten Weltkriegs, dann die Vernachlässigungen der jüngeren Vergangenheit: Seit 2003 steht das ehemalige Weidenpescher Kinderkrankenhaus, gebaut 1908, größtenteils leer und verfällt. Die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss.
Guilleaume gehörte zur Kölner High-Society
Antoinette Guilleaume gehörte zur Kölner High-Society. Ihr Mann Franz Carl gründete 1874 das nach ihm benannte Carlswerk in Mülheim, das zum international agierenden Konzern für Kabel- und Drahtseilprodukte aller Art aufstieg. Das Familienvermögen wurde im Jahre 1913 auf 84 bis 85 Millionen Mark geschätzt, was heute etwa 550 Millionen Euro entspräche.
Während sich Franz Carl um das Geschäftliche kümmerte, betätigte sich seine Frau als Stifterin. Sie förderte finanziell nicht nur das Marienheim am Gereonswall, in dem Kleinkinder und Säuglinge betreut wurden und Arbeiterinnen Handarbeitsunterricht erhielten. Ihrem Einsatz war auch der Erweiterungsbau zu verdanken, den ab 1906 Stadtbauinspektor Johannes Kleefisch im damaligen Merheim linksrheinisch (heute Weidenpesch) plante. „Das große neue Säuglings- und Kinderheim in gesunder, luftiger und sonniger Lage außerhalb der Stadt soll allen neueren wissenschaftlichen und technischen Prinzipien gerecht werden“, schrieb der „Kölner Local-Anzeiger“ bei der Eröffnung des „St. Antoniusheims“ 1909. Weihbischof Müller erläuterte das höhere Ziel der Einrichtung: „Armen Säuglingen, deren Leben leider durch manche Umstände gefährdet ist, soll hier das Leben erhalten und gepflegt werden, damit sie es dereinst im Dienste Gottes und der Mitmenschen verwerten.“
In NS-Zeit stand Schließung des Heims im Raum
Als Antoinette Guilleaume 1922 starb, hatte sie 1,5 Millionen Mark in beide Häuser investiert. Das Antoniusheim hatte sie zuvor der Stadt geschenkt und eine Stiftung gegründet, deren Erträge betriebliche Verluste ausgleichen sollten. „Seitdem wird die Stiftung von der Stadt verwaltet“, sagt Stephan von Guilleaume, Ur-Ur-Enkel von Antoinette. Seit vielen Jahren finanziert die „Guilleaume-Stiftung St. Antoniusheim“ ein spezielles Freizeitangebot zur Förderung und Gruppenintegration von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Ihren ursprünglichen Gründungszweck – die Kinderbetreuung an der Pallenbergstraße – gibt es schließlich längst nicht mehr.
Während des Ersten Weltkriegs war die Zahl der Waisen noch stark angestiegen. In nationalsozialistischer Zeit stand dann die Schließung des Heims im Raum. Als Ausweg wurde es 1933 der Ordensgemeinschaft der Vinzentinerinnen mietfrei übertragen. Die Stiftung, geschwächt auch durch die Geldentwertung der 1920er Jahre, fiel in einen Dornröschenschlaf. 1941 verwandelte die Stadt das Waisenhaus in ein Kinderkrankenhaus mit angegliederter Säuglingspflegeschule. Die oberen Stockwerke erlitten ein Jahr vor Kriegsende bei Luftangriffen derart gravierende Beschädigungen, dass das Haus nur noch als Aufnahme- und Durchgangsstation genutzt werden konnte. In den 1950er Jahren folgten Aufstockungen und Erweiterungen, die den Charakter des Gebäudes stark veränderten. Anfang der 1960er Jahre war die Zeit des Kinderkrankenhauses abgelaufen: An der Amsterdamer Straße stand nun ein moderner Neubau zur Verfügung. Auch das Kinderkrankenhaus in Brück hatte ausgedient.
Nach russischem Angriffskrieg auch Flüchtlingsunterkunft
Schwesternwohnheim, Pflegefachschule, „Höhere Fachschule für Sozialarbeit“, Werkstatt für Behinderte – Nutzungen gab es seitdem viele. Laut Stadtverwaltung steht das Vorderhaus mit seinen Anbauten jedoch seit 2003 weitgehend leer. Die Liste der Baumängel reiche von veralteten und mit Legionellen belasteten Trinkwasserrohren aus Blei über Feuchtigkeitsschäden bis zu fehlendem Brandschutz. Die Statik sei jedoch „solide“.

Aktuelles Foto: Seit 2003 steht das Gebäude an der Pallenbergstraße größtenteils leer. Wie es weitergeht, ist noch unklar.
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2021 war bekannt geworden, dass die Stadt das „Geisterhaus“ sanieren und in ein Mehrfamilienhaus verwandeln will. Der russische Angriffskrieg hat die Planungen offenbar durcheinandergewirbelt. Laut einer Stadtsprecherin seien personelle Kapazitäten des Amts für Wohnungswesen durch die „kurzfristige Schaffung von Unterkünften für Geflüchtete aus der Ukraine“ vorrangig in Anspruch genommen werden. Da auch weiterhin nicht genug Personal zur Verfügung stehe und die Kosten mittlerweile auf 18 Millionen Euro taxiert würden, werde nun die Entwicklung des Projekts durch einen Investor vorbereitet.
Die Absicht, das Areal im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zu entwickeln, bestehe nach wie vor, so die Sprecherin. Denkbar sei, das Gelände nach einer städtischen Ausschreibung an einen Generalunternehmer „zwecks Kernsanierung“ zu vergeben. Da kein Denkmalschutz bestehe, seien aber auch ein Abbruch und Neubauten denkbar: „Letztlich dürften wirtschaftliche Erwägungen entscheidend sein.“