„Gespräche mit der Stadt waren erschreckend“Hockey-Weltmeister kritisiert Kölner Sportförderung

Lesezeit 7 Minuten
Timur Oruz am Ball

Timur Oruz vom KTHC ist mit der deutschen Nationalmannschaft Hockey-Weltmeister geworden.

Hockey-Weltmeister Timur Oruz im Interview über die unzureichende Sportförderung und die Ziele des „Verbunds Kölner Athleten“.

Herr Oruz, Sie sind als Hockey-Weltmeister die treibende Kraft hinter dem „Verbund Kölner Athleten“. Wie ist er entstanden, und was soll er bewirken?

Timur Oruz: Er ist entstanden durch die Not der olympischen Spitzensportler in unserer Stadt und den Versuch, sie zu lindern. Durch meine Schwester Selin (Olympia Bronzemedaillengewinnerin und Vize-Europameisterin, Anm. d. Red.), die in Düsseldorf als Hockeyspielerin aktiv ist, sehe ich, wie Unterstützung von Sportlern laufen kann in Verbindung mit Stadt, Politik und Wirtschaft. Die Sportstadt Düsseldorf ist deutschlandweit führend in der Unterstützung olympischer Sportler, die auch im Stadtbild auf Plakaten präsent sind, wovon die Stadt wiederum profitiert. Man kennt sich und duzt sich, alles geschieht auf Augenhöhe. Und die Athleten bekommen finanzielle Unterstützung von der Stadt. Die beläuft sich auf 600 bis 650 Euro im Monat, plus ein Fahrzeug.

Und das geht in Köln nicht?

Oruz: In Köln gibt es bis heute nichts ansatzweise Vergleichbares. Von der Oberbürgermeisterin weiß ich, dass sie sich schon mehrmals für uns eingesetzt hat, aber es im Rat dafür offenbar keine Mehrheiten gibt. Das ist für mich ein Rätsel. Manchen von uns Olympia-Sportlern, die nicht Fußballer sind, geht es vielleicht etwas besser, weil sie wie wir Hockeyspieler von der Vereinsstruktur und den dortigen Sponsoren profitieren. Andere haben nur die Sporthilfe als festen Unterstützer. Da ist es jedoch schwankend, ob du 400 oder 800 Euro bekommst, je nach Leistung.

Es geht hier um mehrere Hundert Euro pro Monat für olympische Spitzenathleten und Weltmeister?

Oruz: Ja genau. Das ist jammerschade. Als Top-Athlet macht man immer wieder dieselbe Erfahrung, wenn man auf potenzielle Sponsoren zugeht. Sie sagen: „Toll, wunderbare Leistung. Aber leider sind wir schon woanders aktiv, haben dafür kein Budget.“ Selbst wenn es nur um 3000 bis 5000 Euro im Jahr geht für einen Spitzenathleten. Das bekommt man nur schwer in Deutschland. Die Firmen arbeiten lieber mit irgendwelchen Influencern zusammen, weil die halt die Reichweite haben.

Sie haben doch bestimmt mit der Stadt Köln gesprochen. Was haben Sie da erlebt?

Oruz: Das „Ja, ist halt so, war immer schon so“ möchte ich nicht akzeptieren. Da gehe ich durch die Decke. Das ist doch kein Argument. Genau deshalb muss man es doch ändern. Es gibt hier die „Kölsche Sportnacht“, ein richtig cooles Event für die olympischen Sportler Kölns. Hier werden einmal im Jahr in der Flora die Sportler geehrt. Damit endet das Engagement der Stadt für die Athleten aber auch.

Haben Sie denn mal den Kontakt zum Sportausschuss der Stadt gesucht?

Oruz: Ich habe die Vorsitzenden aller Parteien und den Chef des Sportausschusses angeschrieben und mich mit allen getroffen, die sich gemeldet haben. Grüne, SPD, FDP, Volt. Die Gespräche waren inhaltlich erschreckend. Die meisten dieser Lokalpolitiker und Politikerinnen machen das ehrenamtlich. Sie haben keine Vorstellung von der Lebensrealität eines Spitzenathleten in Köln. Und die meisten haben noch nie etwas von der Sportstadt Düsseldorf gehört. Alle fanden, das sei eine Super-Idee, man müsste mal etwas machen. Aber es gab keine zielführenden Reaktionen. Und dann haben wir Sportler gesagt: Jetzt müssen wir es selbst machen. Bei einem Essen mit dem Paralympics-Sieger Felix Streng wurde es schließlich ganz konkret. Wir haben mit Aclewe eine Agentur gefunden, die uns geholfen hat, die Marke „Verbund Kölner Athleten“ aufzubauen. Das haben die ganz toll gemacht, pro bono. Markenaufbau, Designentwicklung, Website. Und so sind wir eine Gruppe von 20 Athleten geworden – den Kölner Olympia-Kaderathleten von 2022. In Düsseldorf sind es fast 80, die gestaffelt unterstützt werden. Aber das ist eine Geldfrage. Das kommt aus dem Haushalt der Stadt. In Hamburg und Berlin gibt es so etwas auch. In Köln nicht.

Was können Sie in Eigeninitiative für die Kölner Athleten tun?

Oruz: Wir sind im Stadtbild ja nicht bekannt. Wenn man durch die Straßen geht und fragt nach Jonas Hector, dann sagen alle: „Ja, den kenne ich.“ Wenn Sie aber nach einem aus unseren Reihen fragen, dann kennen uns sehr wenige, auch wenn wir Weltmeister, Olympiasieger, Europameister und Deutscher Meister sind. Und deshalb wollen wir in die Offensive gehen, um mittel- und langfristig ähnliche Strukturen zu schaffen wie etwa in Düsseldorf. Ein Traum wäre außerdem für uns, einen großen Sporttag rund um das Rhein-Energie-Stadion zu organisieren. Da wäre zum Beispiel Rot-Weiß mit Hockey und Tennis präsent, der ASV mit der Leichtathletik-Bahn, dann könnten wir die Sporthochschule mit der Judo-Halle und der Turnhalle nutzen. Da könnten wir alle Sportler und deren Sportarten den Sportinteressierten in Köln vorstellen, auch die Kinder erreichen und Vorbilder sein. Vielleicht könnte man auch den FC ins Boot holen.

Und wie waren die Reaktionen auf diese Idee?

Oruz: Wir hatten im Dezember ein Kick-off-Event beim Sport-Informationsdienst, der uns auch unterstützt. Dazu hatten wir alle möglichen Leute eingeladen und waren sehr erschrocken, was wir für einen Gegenwind bekommen haben. Auch von Institutionen, von denen wir das nicht gedacht hätten.

Zum Beispiel?

Oruz: Zunächst das Kölner Sportamt. Das hat nicht reagiert, weder auf die Einladung noch auf Nachfrage. Aber die krasseste Erfahrung war die Reaktion des Olympiastützpunktes (OSP) Rheinland, der in Köln sitzt. Er zählt strukturell zu den führenden, am besten aufgestellten deutschen Olympiastützpunkten, die kümmern sich um sehr viele auch erfolgreiche Athleten, bei weitem nicht nur in Köln. Wir haben von Anfang an den Olympiastützpunkt und seinen Leiter Daniel Müller mit ins Boot geholt, und man hat uns ermuntert. Als wir dann aber plötzlich präsent waren, auch auf Social Media, kippte die Stimmung. Dann hieß es von deren Agentur, die auch die Kölsche Sportnacht organisiert, man habe die Befürchtung, dass wir Konkurrenten werden könnten.

Welche Art von Konkurrenz sollte ein Verbund Kölner Athleten darstellen?

Oruz: Aus unserer Sicht gar keine, denn wir bespielen ein völlig anderes Feld. Der Olympiastützpunkt ist ja nicht dafür zuständig, dass die Athleten möglichst viel Geld bekommen, sondern für die optimalen Trainingsmöglichkeiten. Dass wir einen Kraftraum haben, dass wir zum Physio können. Dafür sind wir auch dankbar. Wenn der Olympiastützpunkt uns im Monat 400 bis 500 Euro zahlen würde, müssten wir uns nicht gründen. Aber das können sie nicht. Trotzdem wird es als Konkurrenz empfunden, weil man die Befürchtung hat, wir würden uns an potenziell dieselben Sponsoren wenden wie der OSP. Man will nicht das große Ganze sehen, dass jeder Euro, der im Sport ankommt, gut für alle ist. Dabei wollen wir nicht gegen jemanden arbeiten, sondern mit allen zusammen.

Warum kollidiert die Förderung Düsseldorfer Athleten denn nicht mit dem Olympiastützpunkt, der für alle Athleten im Rheinland gleichermaßen zuständig ist?

Oruz: Eigentlich dürfte es überhaupt kein Problem sein. Trotzdem weiß ich, warum es eines ist: Weil der OSP Rheinland in Köln sitzt. Deshalb. Hierin sieht man eine Konkurrenz. Und deshalb sind die Kölner Athleten die Verlierer. Das kann doch nicht sein. Sie müssen allerdings möglichen Geldgebern etwas anbieten. Aus Idealismus und Menschenliebe werden sie keine Unterstützung leisten.

Worin genau besteht Ihr Angebot?

Oruz: Wir sind erfolgreiche Athleten und könnten Markenbotschafter der Stadt sein. Wir repräsentieren diese und ihre Werte als diverse Gruppe weit über die Stadtgrenzen hinaus. Davon könnten unsere Unterstützer und möglichen Sponsoren entsprechend profitieren. Darüber hinaus können wir für unsere Unterstützer Vorträge in deren Unternehmen halten, zum Beispiel zum Thema Sport und Beruf, ein Netzwerk bieten, Sporttage in den Unternehmen bereichern und ihre Unternehmen-Logos entsprechend platzieren. Wir geben nicht auf. Es wird weitere Veranstaltungen und Bemühungen geben – zum Beispiel am 22. Mai im Heising und Adelmann. Das haben die Top-Athleten dieser Stadt verdient.


Person und Verbund

Timur Oruz, geboren 1994 in Krefeld, ist deutscher Hockey-Nationalspieler und spielt seit 2015 für Rot-Weiss Köln. Mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft wurde Oruz Anfang des Jahres Weltmeister und gewann 2016 die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen. Gemeinsam mit 19 anderen Kölner Spitzensportlern bildet Oruz den „Verbund Kölner Athleten“ und setzt sich für eine gerechte Sportförderung ein.

KStA abonnieren