Für ObdachloseGünter Bell setzt sich für bessere Aufenthaltsqualität an Kölner Plätzen ein

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Zu sehen ist ein Mann, der auf einer Bank liegt.

Günter Bell auf einer der Bänke am Alter Markt, die das Hinlegen ermöglichen.

Günter Bell hat Kölnerinnen und Kölner gebeten, Fotos von Orten in ihrer Stadt einzusenden, die Menschen den Aufenthalt erschweren.

Bänke im öffentlichen Raum bieten Sitzmöglichkeiten – manchmal auch einen Schlafplatz. Obdachlose Menschen nutzen sie bisweilen für ein Nickerchen.

Seit einiger Zeit ist das mancherorts in Köln schwierig. Bügel, die als Armlehnen mitten auf der Bank angebracht sind, lassen es nicht mehr zu, dass sich Nutzer dort hinlegen – eine Verhinderungstaktik. Der Stadtplaner, Sozialwissenschaftler und Linken-Politiker Günter Bell hat solche Bänke an zahlreichen Orten in Köln ausgemacht, beispielsweise am Bahnhof Deutz und in der U-Bahnstation Ebertplatz.

Bell kritisiert sie als „ausgrenzender Architektur“. Dieser Begriff, auch „defensive Architektur“ genannt, existiert seit Jahrzehnten. Er bezeichnet eine Form der Gestaltung des öffentlichen Raums und von Stadtmöbeln, die den Aufenthalt von Obdachlosen und Suchterkrankten verhindern sollen. Die ausgrenzende Architektur steht weltweit schon lange in der Kritik.

Köln: Kampagne gegen ausgrenzende Architektur gestartet

Bell hat nun eine Kampagne gegen ihre Kölner Erscheinungsform gestartet und Bürger und Bürgerinnen gebeten, Fotos von Orten einzusenden, die Menschen den Aufenthalt erschwert. Entstanden ist eine ganze Fotoreihe. Sie zeigt Bänke in der Stadt, die durch Lehnen auf ihre Sitzflächen das Hinlegen verhindern oder – wie an der Severinsstraße – so schmal sind, dass es unmöglich ist.

Zu sehen ist eine Sitzbank am Bahnhof Deutz/Messe.

Eine Bank am Bahnhof Deutz/Messe, die kein Hinlegen ermöglicht.

Dass es auch anders geht, beweisen die Bänke auf dem Alter Markt. Laut Stadtverwaltung habe sich die Seniorenvertretung gewünscht, dass sie Armlehnen erhalten, schildert Bell. So wurden dort Bügel installiert, die eine so große Öffnung aufweisen, dass sie nicht sowohl das Armab- und das Hinlegen ermöglichen.

Ausgrenzende Orte auch in Köln

Als ausgrenzend beurteilt Bell auch Orte in Köln, wo Steine, Poller oder Kübel Menschen bewusst daran hindern, sich dort aufzuhalten. Als Beispiel nennt er das Kaufland-Gebäude an der Kalker Hauptstraße, wo Blumenkübel neuerdings Obdachlosen den Zugang versperren. Am Parkgürtel verhindern spitze Steine unter der Straßenbrücke, dass sich Menschen dort hinlegen können.

Ebenfalls kritisch sieht er die Überwachungskameras an der Kalker Hauptstraße. „Menschen fühlen sich an diesem Ort nicht wohl, weil eine Kamera auf sie gerichtet ist“, sagt er. Das Ziel der Polizei, mit ihrer Hilfe Straftäter zu überführen, würde nicht erreicht, weil die Täter Drogendeals oder ähnliches einfach in die Nebenstraßen verlegen würden.

Köln: Geschlossene, privatisierte Wohnkomplexe als Problem

Eine andere Form der Ausgrenzung von Bürgern und Bürgerinnen sieht Bell in „Gated Communities“, also geschlossenen Wohnkomplexen mit Zugangsbeschränkungen, in der Innenstadt wie im Gerling-Quartier.  Das ehemalige Verwaltungsensemble der Gerling-Versicherung wurde vor mehr als zehn Jahren in Luxusgebäude umgewandelt. Im Herzen des Quartiers befindet sich der Gereonshof, der nach den damaligen Versprechungen der Investoren eine öffentliche belebte „Piazza“ werden sollte.

Heute befiehlt ein privater Sicherheitsdienst Menschen, die auf dem Platz verweilen, ihn zu verlassen. Er beruft sich darauf, dass sie dazu kein Recht hätten, sondern die Stadt sich nur ein Durchgangsrecht gesichert habe. Bell sieht den Fehler bei ihr: „Solche Plätze in der Innenstadt darf man nicht privatisieren“, sagt er. So entziehe man sie den Bürger und Bürgerinnen als Aufenthaltsort.

Ganz besonders oft seien obdachlose Menschen von der ausgrenzenden Architektur betroffen. „Natürlich“, so Bell, „muss es in erster Linie darum gehen, Obdachlosigkeit zu vermeiden“. Dafür hat der Stadtrat gerade ein Konzept zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit verabschiedet. Bell begrüßt das sehr.

Solange es der Stadt allerdings nicht gelinge, alle Menschen mit Wohnungen zu versorgen, müsse sie akzeptieren, dass sie sich im öffentlichen Raum aufhalten, und dürfe sie nicht verdrängen. In einer Demokratie findet nur derjenige Gehör“, sagt Bell, „der es sich verschaffen kann. Er muss wahrgenommen werden. Denn ein Problem, dass man nicht mehr wahrnimmt, wird auch nicht gelöst.“