„Stadt vor riesiger Finanzierungsfrage“KVB befürchtet Abo-Einbruch nach 9-Euro-Ticket

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KVB-Bahn Symbolbild Linie 13

Eine Bahn der Linie 13 auf dem Sülzgürtel 

Die KVB befürchtet, dass sich das 9-Euro-Ticket langfristig negativ auf den öffentlichen Verkehr in Köln auswirken könnte. „Wir bekommen im Folgezeitraum ein großes Problem mit der Preiswahrnehmung. Mit dem 9-Euro-Ticket hat man uns vielleicht einen Bärendienst erwiesen“, sagte Thomas Schaffer, Finanzvorstand der KVB, am Montag.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion in der „KVB-Lounge“ stellte Schaffer aktuelle Zahlen vor. Demnach habe man in Köln im Zuge der Corona-Pandemie rund 40 Prozent der Fahrgäste verloren – und bislang nicht zurückgewinnen können. „Die sind immer noch nicht zurück“, sagte Schaffer. Nachdem die Finanzierung vor der Pandemie noch zu 62 Prozent über die verkauften Tickets gewährleistet war, liege sie nun bei weniger als 50 Prozent. „Die Stadt Köln steht hier kurz- und mittelfristig vor einer riesigen Finanzierungsfrage.“ Und das 9-Euro-Ticket, so Schaffers Befürchtung, könnte dabei eher hinderlich sein.

Kölner Kämmerin sieht auch die Kommune in der Verantwortung

Auch Dörte Diemert, die Kämmerin der Stadt Köln, sieht in dem 9-Euro-Ticket keine Dauerlösung. „Wir müssen uns ehrlich machen: Die Verkehrswende ist unverzichtbar wichtig – und sie wird teuer“, sagte Diemert dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bund und Land seien hierfür in einer direkten Verantwortung. Vor allem, was die Finanzierung des Netz-Ausbaus betrifft.

Aber: „Wir können nicht nur nach oben schauen, wir müssen auch sehen, was wir in der Kommune verändern können.“ Hierfür sei eine klare Prioritätensetzung zugunsten des öffentlichen Verkehrs entscheidend. Diese fehle bislang – auch in der Kölner Politik.

Kritik an Volker Wissing: „Im Moment ist die Verkehrswende abgesagt“

Auch Oliver Wolff, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), hält eine dauerhafte Verlängerung des 9-Euro-Tickets für falsch. Diese Idee sei „Schwachsinn“, sagte er im Rahmen der Podiumsdiskussion. „Das wären zehn Milliarden Euro, die pro Jahr investiert werden – und davon geht nichts in den Ausbau des Systems.“ Angesichts von bislang 16 Millionen verkauften 9-Euro-Tickets sei die entscheidende Erkenntnis, dass Nutzer gerne für ein Ticket durch ganz Deutschland zahlen; auch, wenn sie es kaum für lange Strecken nutzen.

Seiner Ansicht nach braucht es zunächst eine klare politische Priorität für den öffentlichen Verkehr, um das Schienennetz effektiv auszubauen – und so überhaupt ein interessantes Angebot für viele Bürgerinnen und Bürger zu machen. Den amtierenden Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisierte Wolff scharf: „Im Moment ist die Verkehrswende abgesagt. Die kommenden drei Jahre sind verloren.“ Die Priorität liege derzeit erkennbar auf dem Autoverkehr.

Berliner Verkehrsforscher fordert dauerhaftes 9-Euro-Ticket

Eine grundlegend andere Position zum 9-Euro-Ticket vertritt Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. „Wir müssen die Dauerfinanzierung des Tickets fordern. Erst dann kommen wir in die Debatte und erst dann kommt das Geld für den öffentlichen Verkehr.“ Seiner Ansicht nach müssten die rund zehn Milliarden Euro, die das 9-Euro-Ticket pro Jahr in etwa kosten würde, investiert werden – anstelle verschiedener Zuschüsse für den Autoverkehr. Auch kommunal gebe es Chancen, das Primat des Autoverkehrs effektiv zu kippen – durch Einführung einer City-Maut etwa.

Seine Idee also: Über dauerhaft günstige Tarife soll die Nachfrage massiv gesteigert werden, die Erweiterung des öffentlichen Verkehrs könnten parallel erfolgen – und ist keine Voraussetzung für günstige Tarife. Er sagt: „Das Internet vor der Erfindung des Browsers ist wie der ÖPNV heute. Wer nur von Haltestelle zu Haltestelle und nicht von A nach B denkt, ignoriert die Grundbedürfnisse der Nutzer.“ 

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