Nach Reizgas-AttackeKölner zum Pflegefall geprügelt – jetzt äußert sich der Türsteher

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Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Christopher Posch (l.) und Tamer Yaikin im Kölner Landgericht.

Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Christopher Posch (l.) und Tamer Yaikin im Kölner Landgericht.

Ein Türsteher soll einen Mann zum Pflegefall geprügelt haben. Beim Prozessauftakt äußerte sich der Beschuldigte über seinen Anwalt. 

Ein Mann sprüht im Februar dieses Jahres Reizgas in eine Menge vor der Diskothek „Venus Cellar“ am Zülpicher Platz, flüchtet, wird aber von einem der Verletzten an der Weyerstraße eingeholt. Dann folgt laut Anklage eine regelrechte Gewaltorgie. Am Ende ist der „Sprüher“ ein Pflegefall, kann nicht mehr laufen und eigenständig essen. Am Dienstag hat nun im Landgericht der Prozess begonnen.

Köln: Opfer ist seit der Tat ein Pflegefall

Der großgewachsene und kräftig wirkende Angeklagte mit Glatze betritt am Morgen den Gerichtssaal 5, Wachtmeister führen ihn aus dem Zellenbereich des Justizgebäudes vor. Der 34-Jährige trägt ein weißes Hemd und eine blaue Anzughose, er nimmt Platz zwischen seinen beiden Verteidigern Christopher Posch (bekannt aus der RTL-Serie „Staatsanwalt Posch ermittelt“) und Tamer Jakin.

Kriminalhauptkommissar Dirk Bachem von der Polizei Köln bei der Anbringung des Zeugenaufrufs am Tatort in der Weyerstraße.

Kriminalhauptkommissar Dirk Bachem von der Polizei Köln im Mai bei der Anbringung des Zeugenaufrufs am Tatort in der Weyerstraße.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem beschuldigten Türsteher vor, sein Opfer zu Boden gebracht und immer wieder mit wuchtigen Schlägen und Tritten traktiert zu haben. „Als der Geschädigte sich aufrichten wollte, trat er ihm noch einmal gezielt gegen den vulnerablen Kopf“, so die Anklägerin. Ein paar Schritte habe das Opfer noch laufen können, sei dann aber zusammen gebrochen.

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Im Rettungswagen sei der 32-Jährige reanimiert worden. Nach zwei Monaten habe er die Intensivstation verlassen können. Seither sei der Mann in einer Spezialklinik untergebracht. Die Schädigung am Hirngewebe mache es dem Geschädigten unmöglich, sich sprachlich zu äußern. Aufgrund einer schweren Schluckstörung müsse er durch eine Magensonde ernährt werden.

Kölner Angeklagter spricht von Notwehrsituation

Verteidiger Posch erklärt beim Prozess, wie sehr sein Mandant die schweren gesundheitlichen Folgen für das Opfer bedauere. Er habe daher bereits 1000 Euro als erste Entschädigung angewiesen. „Er hatte nie vor, ihn schwer zu verletzen oder zu töten“, sagt Posch. Die Anklage geht davon aus, dass der 34-Jährige den möglichen Tod seines Kontrahenten zumindest billigend in Kauf genommen hatte.

Der Angeklagte sieht sich allerdings auch selbst in der Opferrolle. So sei er bei dem Reizgasangriff erheblich an den Augen verletzt worden. Er habe den Angreifer nur festnehmen und der Polizei übergeben wollen. Doch bei der körperlichen Auseinandersetzung habe der Mann laut Anwalt Posch erneut mit dem starken Tierabwehr-Spray gesprüht und den Mandanten auch übel beleidigt.

Angeklagter und Opfer kannten sich aus Türsteher-Szene

Der Angeklagte habe nicht auf den Kopf seines Kontrahenten gezielt. Zudem habe dieser ja auch Zeugen aufgefordert, die Polizei zu rufen. Irgendwann habe er gemerkt, dass er den Mann seit Jahren kenne, etwa von gemeinsamen Security-Jobs und aus dem Fitnessstudio. Da habe er diesem aufgeholfen und gesagt: „Wir klären das nächste Woche.“ „Okay, Bruder“, habe der Geschädigte da geantwortet. Wie der Vorfall sich genau abgespielt haben soll, muss das Gericht nun auch anhand intensiver Zeugenbefragungen klären.

Der Angeklagte soll bereits mehrfach durch Gewaltdelikte aufgefallen sein. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe. Erst Wochen nach der Tat war die Polizei dem Mann auf die Spur gekommen. Im Bereich des Tatorts hatten die Ermittler Fahndungsplakate aufgehängt. Danach hatten sich Zeugen gemeldet, es kam zur Festnahme des Verdächtigen in Holweide. Der Prozess wird fortgesetzt.

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