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Nach mildem UrteilMitglied von Kölner „Folter-WG“ wieder vor Gericht – diesmal wegen Missbrauchs

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Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Ingo Lindemann beim früheren Prozess am Landgericht Köln

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Ingo Lindemann beim früheren Prozess am Landgericht Köln

Im früheren Verfahren hatte der Mann sich an Misshandlungen beteiligt. Seine Freundin starb.

Er war Mitglied der sogenannten „Folter-WG“ in Köln-Höhenberg, in der eine junge Frau tagelang gequält und schließlich zu Tode misshandelt wurde. Während drei Mittäter im Februar 2024 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, kam der heute 30-Jährige mit einer kürzeren Gefängnisstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung relativ glimpflich davon. Weil das Urteil nicht rechtskräftig war, blieb er auf freiem Fuß. In dieser Zeit soll er ein Kind sexuell missbraucht haben.

Köln: Laut Anklage die Tochter eines Bekannten missbraucht

Der neue Prozess dreht sich um zwei mutmaßliche Fälle schweren sexuellen Missbrauchs an einem 12-jährigen Mädchen im August vergangenen Jahres. Bei der Geschädigten handelt es sich um die Tochter eines Bekannten. Der Angeklagte kannte dessen Familie schon länger, wie es in der Anklage heißt. Das Mädchen habe ihn regelmäßig besucht und soll kurz zuvor von ihrer Wohnanschrift ausgerissen sein. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen soll es zu den Übergriffen gekommen sein.

Der Prozess um die „Folter-WG“ im Landgericht zog auch ein hohes mediales Interesse auf sich.

Der Prozess um die „Folter-WG“ im Landgericht zog auch ein hohes mediales Interesse auf sich.

Zum Prozessauftakt in Saal 32 des Kölner Justizgebäudes wurde lediglich die Anklageschrift verlesen. Erst nach einer möglichen Einlassung des Beschuldigten oder dessen Verteidiger Ingo Lindemann wird die Vorsitzende Richterin entscheiden, ob das Mädchen als Zeugin gehört werden muss. Am Prozess nimmt auch ein psychiatrischer Gutachter teil – denn grundsätzlich könnte dem Angeklagten auch die Einweisung in eine forensische Klinik drohen. Bei ihm soll auch eine Intelligenzminderung vorliegen.

Köln: Beschuldigter misshandelte Freundin in „Folter-WG“

Der aktuelle Prozess erhält besonderes Gewicht durch die Vorgeschichte des Angeklagten. Nur wenige Monate vor dem mutmaßlichen Missbrauch – im Februar 2024 – war er wegen gefährlicher Körperverletzung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Hintergrund war seine Beteiligung an den Gewalttaten in der sogenannten „Folter-WG von Höhenberg“. Über den Fall – der wie das aktuelle Verfahren in derselben Wohnung spielt – war damals bundesweit berichtet worden.

Mieter der Wohnung war der heute 30-Jährige, er lebte dort mit seiner damals 21-jährigen Freundin. Die drei Haupttäter, zwei Frauen und ein Mann, hatten sich wenige Wochen vor der Tat in der Wohnung einquartiert. Was zunächst als Freundschaftsdienst begann, entwickelte sich zu einem Szenario der totalen Kontrolle: Das spätere Todesopfer musste um Erlaubnis bitten, wenn es die Toilette benutzen oder duschen wollte. Hygieneartikel wie Tampons wurden ihr verweigert.

Köln: Mittäter erhielten lebenslänglich Haft wegen Mordes

Die Frau wurde geschlagen, getreten und gezwungen, den Boden abzulecken. Ihre Nieren versagten infolge eines Flüssigkeitsentzugs. Das Opfer starb Wochen später im Krankenhaus. Während die Haupttäter zu lebenslanger Haft verurteilt wurden – zwei mit Sicherungsverwahrung –, erkannte das Gericht beim nun erneut Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit. Er selbst war laut Urteil geistig eingeschränkt, wurde von den anderen unter Druck gesetzt und auch selbst misshandelt.

Dennoch hatte sich der Mann auch aktiv an den Gewalttaten gegen seine Freundin beteiligt, er sei aufgehetzt worden. Das Gericht verurteilte ihn deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung, nicht aber wegen Mordes. Die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar sprach bei der damaligen Urteilsbegründung von einem „menschlichen Abgrund“. Die Haupttäter hätten die geistig unterlegenen eigentlichen Bewohner der Wohnung systematisch unterdrückt und entmenschlicht.

Köln: 30-Jähriger blieb trotz Hafturteils auf freiem Fuß

Während die Mittäter im Rahmen des damaligen Prozesses verhaftet wurden, blieb der heute 30-Jährige auf freiem Fuß. Ihm wurde damit die Möglichkeit eröffnet, seine Strafe bei Rechtskraft im offenen Vollzug antreten zu können. Erst im August 2025 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil. Damit wurde es rechtskräftig und vollstreckbar. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte jedoch längst die neuen mutmaßlichen Straftaten begangen, wegen derer er jetzt erneut vor Gericht steht.

Beim früheren Verfahren hatte Verteidiger Lindemann herausgearbeitet, dass sein Mandant zwar Täter, aber auch ein Opfer gewesen sei. Mit welcher Strategie der Anwalt in den neuen Prozess geht, ist nicht bekannt. Dem Angeklagten droht eine mehrjährige Haftstrafe – zusätzlich zu den viereinhalb Jahren Gefängnis, die er ohnehin antreten muss. Das Verfahren unter dem Aktenzeichen 322 KLs 8/25 ist auf insgesamt vier Verhandlungstage terminiert. Ein Urteil soll Anfang November fallen.