Die Sanierung der Mülheimer Brücke wird erheblich teurer. Was sind die Gründe für die explodierenden Kosten - und was bedeutet das für Kölner und Kölnerinnen, die die Brücke nutzen?
Kosten für Sanierung steigen enormMülheimer Brücke später fertig – Was das für den Verkehr bedeutet

Die Sanierungsarbeiten auf der Mülheimer Brücke dauern länger als geplant. (Archivbild)
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Die Instandsetzung der Mülheimer Brücke kostet die Stadt fast eine halbe Milliarde Euro, das ist eine Kostenerhöhung von 65 Prozent gegenüber der bisher bekannten Summe. Und Autos sollen sie spätestens ab März 2026 wieder in beide Richtungen nutzen. Das gab die Stadtverwaltung am Donnerstag bekannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viel kostet die Mülheimer Brücke mittlerweile?
Die genaue Summe beläuft sich laut Stadt jetzt auf 498,182 Millionen Euro. 105,59 Millionen Euro davon bezahlen die Bezirksregierung und der Verkehrsverbund Go-Rheinland, denn die Brücke steht unter Denkmalschutz und ist für den öffentlichen Nahverkehr wichtig, weil die Strecken der Stadtbahnlinien 13 und 18 über sie verlaufen.
Bisher bekannt waren Kosten von 301,5 Millionen Euro, die Zahl hatte die Stadt im Mai 2022 genannt. Das ist ein Unterschied von fast 200 Millionen Euro.
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Wieso kostet die Sanierung so viel mehr?
Die Stadt nennt als Gründe „bauzeitliche Verzögerungen“ und „allgemeine Preissteigerungen im Baugewerbe“, die 60 Millionen Euro brutto in Bezug auf die ersten Bauphasen (0 und 1) ausmachen sollen. Die Stadt habe diese Erhöhung schon 2022 angekündigt, aber die Summe damals noch nicht nennen können. Wegen der verlängerten Bauzeit erhöhen sich zudem die Baunebenkosten, so die Stadt, etwa für Bauüberwachung, Projektsteuerung, Planer, Prüfingenieure und Gutachter.
Wie haben sich die Kosten für die Brücke entwickelt?
Vor 15 Jahren hatte die Verwaltung einen Baustart 2012 anvisiert, Kosten: knapp 39 Millionen Euro. Über 72 Millionen im Jahr 2015 stieg die Summe auf 116,3 Millionen Euro, als der Rat den Bau 2016 beschloss. Ein Jahr später waren es schon 188 Millionen Euro. 2022 stieg das Budget auf 301,5 Millionen Euro und jetzt eben auf 498,2 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 328,4 Prozent im Vergleich zum Baubeschluss und den damals verabschiedeten 116,3 Millionen Euro.
Wird es bei der Summe von 498 Millionen Euro bleiben?
Nein. Zu erwarten sei ein weiterer Nachtrag aufgrund der Bauzeitverlängerung in der aktuellen Bauphase. Der soll aber „in der Dimension nicht vergleichbar“ sein mit der jetzigen Erhöhung.
Was wird überhaupt an der Mülheimer Brücke gemacht?
Seit April 2018 setzt die Stadt die denkmalgeschützte Brücke instand. Die Brücke setzt sich aus vier Teilen zusammen: der rechtsrheinischen Rampe in Mülheim (248 Meter), der 485 Meter langen Strombrücke über den Rhein, der Flutbrücke im linksrheinischen (104 Meter) und einer anschließenden Deichbrücke (94 Meter). Die beiden Brückenenden sind seit 1929 in Betrieb, sie werden komplett abgebrochen und erneuert. Die Strombrücke in der Mitte wurde nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erneuert und wird seit 1951 genutzt. Sie und die Flutbrücke werden von Grund auf saniert.
Was passiert aktuell auf der Baustelle?
Die Sanierung befindet sich derzeit in Phase 2, in der unter anderem die Stahlkonstruktion der mittleren Strombrücke ausgetauscht und die rechtsrheinische Rampe erneuert wird. In Fahrtrichtung Riehl ist die Brücke auf der Nordseite (die stadtauswärts gelagerte) für den Verkehr geöffnet, andersherum aber nicht. Parallel erneuern die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) die Gleise, weshalb die Bahnen seit April 2024 nicht mehr über die Brücke fahren.
Wann können Autos wieder in beide Richtungen über die Brücke fahren?
Spätestens ab Ende März 2026. Dann soll mit Beginn der Phase drei der Verkehr komplett auf die Südseite verlegt werden, mit je einer Autospur Richtung Mülheim und Riehl. Wie ein Sprecher mitteilte, arbeite die Stadt aber daran, auf der jetzt genutzten Südseite möglichst schon früher den Verkehr in beide Richtungen zu ermöglichen. Ein Datum konnte er am Donnerstag aber nicht nennen.
Die Verkehrsfreigabe insgesamt will die Stadt dann im März 2028 erteilen. Das bedeutet, ab dann wird der Verkehr über die Spuren geführt, die langfristig vorgesehen sind, nicht mehr wie in Phase 3 provisorisch zwei Fahrtrichtungen auf einer Brückenseite. Bislang war die Gesamtfreigabe für Ende 2026 geplant, also 15 Monate früher.
Was bedeutet das für die Stadtbahn?
Für die Stadtbahnen bleibt es beim Plan, dass ab dem 15. September die Linien 13 und 18 wieder über die Brücke fahren können. So hatte es die Stadt im Mai bekannt gegeben. Allerdings hatte sich dieser Stichtag zuvor schon mehrfach verzögert. Aus sieben Monaten, in denen beide Stadtbahnlinien unterbrochen sind, werden bis September 17,5 Monate.
Wie lange dauert die Sanierung insgesamt?
Aus zunächst angesetzten vier Jahren wurden mit der jüngsten Verzögerung elf. Als Grund nannte die Stadt nun fünf Monate Verzug unter anderem wegen Komplikationen an der rechtsrheinischen Rampe. Beim Abbruch wurde festgestellt, dass die Verstärkung von Betonbauteilen zum Teil beschädigt war, der Bereich musste neu geplant und statisch nachgerechnet werden. Weitere zehn Monate seien in Phase 2 dazugekommen: Zuletzt hatten die Sanierer Probleme gehabt, die Brücke aus ihren Lagern zu lösen. Nach der Verkehrsfreigabe dauern Restarbeiten laut Stadt bis voraussichtlich Mitte 2029 an.
Hat die Verwaltung sich 2016 zu den Risiken geäußert, als sie den Rat über die Sanierung abstimmen ließ?
Ja. Aber sie unterschätzte das Risiko massiv, dass sie im Bestand sanierte. „Das sich hieraus abzuleitende Risiko wurde seitens der Verwaltung durch eine Vielzahl von Untersuchungen auf ein mögliches Minimum reduziert“, behauptete sie 2016. Trotzdem könnten sich demnach Situationen ergeben, die vorher „nicht zu erwarten waren beziehungsweise nicht untersucht werden konnten und die die Arbeiten gegebenenfalls behindern oder verzögern“. Sie bezifferte dieses Risiko mit zehn bis 15 Prozent und ließ sich deshalb 15,2 Millionen Euro Risikobudget genehmigen.
Die Summe wirkt angesichts der Kostenexplosion auf fast eine halbe Milliarde Euro absurd niedrig. Wie konnte das passieren?
Die Stadtverwaltung hat in der jüngeren Vergangenheit bemerkenswert offen eingestanden, dass sie die Brücke von 1951 vor der Generalsanierung nicht ausreichend untersucht hat. Im Juni 2022 beispielsweise sagte Sonja Rode, Leiterin des Amts für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau: Künftig sei es „unbedingt erforderlich, genauer hinzugucken, damit man zu realistischen Kosten und Bauzeiten kommt“. Und die Verwaltung teilte dazu mit: „Das Beispiel zeigt, dass bereits im Zuge der Planung noch umfangreichere Bestandsanalysen als bisher durchgeführt werden müssen, um realistischere Baukosten und Bauzeiten angeben zu können. Dieses Prinzip wird die Stadtverwaltung in Zukunft verfolgen.“
Was sagt ein Experte?
Projektmanager Klaus Grewe war mitverantwortlich für Großprojekte wie die Olympischen Spiele 2012 in London und den Berliner Hauptbahnhof. Grewe zählte auch zur Reformkommission des Bundes zum Bau von Großprojekten, die 2015 ihren Bericht mit zehn Verbesserungstipps präsentiert hatte. Grewe hatte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon 2022 auf die Frage gesagt, ob Mehrkosten wie ein Naturgesetz wirkten: „Ja, das wird dann so hingenommen, weil frisches Geld kommt ja auf jeden Fall, wenn eine Stadt beim Stadtrat mehr Geld beantragt. Dass Großbauprojekte teurer werden, ist aber kein Naturgesetz.“ Laut Grewe gibt es auch Projekte in Deutschland, bei denen es besser läuft. „Sie planen viel, viel gründlicher und verbindlicher und betrachten die Risiken viel gewissenhafter“, sagte er.
Welche Brücken muss die Stadt noch sanieren?
In ihrem Masterplan zu den Brückensanierungen spricht sie von 438 städtischen Brücken. Besonders wichtig sind die acht großen Rheinbrücken, vier davon gehören der Stadt: Mülheimer Brücke (1951), Zoobrücke (1966), Deutzer Brücke (1948) und Severinsbrücke (1959). Bei der Severinsbrücke und der Deutzer Brücke prüft die Stadt, welches der beiden Bauwerke sich in einem schlechteren Zustand befindet und zuerst saniert werden muss. Die Zoobrücke wird als letzte der städtischen Rheinbrücken an die Reihe kommen. Über Termine und Kosten kann die Stadt noch nichts sagen.