Odonien-Betreiber in Köln„Jeder kann einen Müllplatz anmieten und einen Club bauen“

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Zwischen kuriosen Kunstwerken, Metallkonstruktionen und Schrott: das Odonien in Köln.

  • Freiluftatelier, Club und Biergarten: Das Odonien in Ehrenfeld ist mit kaum einem anderen Ort in Köln vergleichbar.
  • Der Künstler Odo Rumpf mietete das Gelände zwischen Eisenbahntrasse und dem heutigen Pascha vor 17 jahren an.
  • Ein Gespräch über das wieder gestartete Nachtleben, die Pandemie und den Spagat zwischen Kunst und Geschäft.

Köln – Herr Rumpf, in Köln ist ein so großes Freigelände mitten in der Stadt wie das Odonien Mangelware. Andere Kulturschaffende würden sich vermutlich nach etwas Vergleichbarem verzehren. Ist Ihnen dieser Luxus bewusst? Rumpf: Damals war es auf jeden Fall kein Luxus. Vor 17 Jahren wollte das keiner haben. Es war vollgemüllt und ohne jegliche Infrastruktur, ohne Strom, ohne Abwasser. Meine Freunde haben mir davon abgeraten, nach dem Motto „Hör auf mit dem Scheiß“. Aber ich wollte mein Atelier bauen, da habe ich noch gar nicht an Veranstaltungen oder Techno gedacht. Ich hatte damals nur einen Teil gemietet und als der andere Teil später anders vermietet werden sollte, musste ich mich entscheiden. Es ging mit den Genehmigungen los und ich musste ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Es war klar: Ohne Veranstaltungen lohnen sich die Investitionen nicht. Aber kann ja jeder machen, sich einen Müllplatz anmieten und dort seinen Club bauen, man muss nicht neidisch werden.

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Eine Kunstwelt für sich: Das Odonien.

Die bürokratischen Hürden waren jedoch für auch Sie alles andere als leicht. Vor über zehn Jahren hatte die Stadt Sicherheitsbedenken. Wie kam es?

Rumpf: Das war nach der Loveparade in Duisburg 2010. Da wurde ein Fokus auf das Thema Sicherheit gelegt. Außerdem gab es hier in der Nähe ein wildes Partygelände, da war Riesenlärm und alle dachten, es liegt am Odonien, war aber nicht so. Die Beschwerden drangen bis zum Bürgermeister durch. In dem Rahmen mussten dann Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, weil es im öffentlichen Interesse war. Wir haben sehr lange an den Genehmigungen gearbeitet, aber mittlerweile ist alles geklärt.

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Das Kölner Odonien in der Pandemie

Frau Dieterle, wie ist das Odonien durch die Pandemie gekommen?

Dieterle: Ich bin einfach nur froh, nicht mehr mit Corona-Maßnahmen arbeiten zu müssen. Es war so energiezehrend und nervenaufreibend. Ich war oft an dem Punkt, lieber nichts machen zu wollen statt unter diesen Umständen zu veranstalten. Aber natürlich haben wir weitergemacht. Gerade beim Tanzverbot musste man die ganze Zeit darauf achten, dass die Leute nicht zu viel Spaß haben – das ist so sehr gegen alles, was man über die Jahre gelernt hat. Ich hoffe, es ist nun vorbei.

Rumpf: Die zwei Sommer waren dennoch ganz schön, wir hatten schönes Biergartenprogramm, und von der Stadt sind einige Veranstaltungen mitfinanziert worden, wie die Global-Sounds-Konzerte im Rahmen des Kölner Kultursommers. Wir hatten großes Glück und nicht solche Probleme wie andere Clubs mit fünfstelligen Mietsummen oder vielen Festangestellten.

War die teilweise Schließung förderlich für Ihr künstlerisches Schaffen?

Rumpf: Ja, klar. Ich gehe immer einen Kompromiss ein. Ich arbeite gern in den Betriebsferien im Winter, weil ich die großen Arbeiten nur dann realisieren kann. Dann steht hier ein Baukran, das Material. Wenn Veranstaltungen stattfinden, müssen die Bauzäune weg, insofern ist es immer eine Gratwanderung zwischen kreativer Arbeit und dem Geschäft. Für mich als Künstler ist freie Zeit hier ein Paradies.

Nachtleben: Kölner teilweise noch zögerlich

Seit fast zwei Monaten findet das Nachtleben wieder statt, mittlerweile ganz ohne Beschränkungen. Wie ist Ihre Bilanz bisher?

Dieterle: Die ersten paar Partys waren mega. Die Leute waren so dankbar und zivilisiert, die Schlangen haben funktioniert und es wurde Abstand gehalten. Nach dem ersten guten Wochenende ging es dann wieder etwas runter: Zwischenzeitlich waren die Corona-Zahlen wieder sehr hoch. Bei uns läuft es dennoch ganz gut, ich habe von anderen Clubs jedoch schon Dinge gehört wie: Wenn es so weitergeht, machen wir wieder zu.

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Odo Rumpf arbeitet mit einem ein jungen Team zusammen: Anke Dieterle organisiert die Events und Partys.

Und das obwohl nun auch die letzten Maßnahmen wie 2G-Plus gefallen sind.

Dieterle: Manche sind gerade dadurch noch verunsicherter im Clubkontext. Das größte Risiko sich zu infizieren ist nun mal weiterhin, sich acht Stunden in einen Raum zu quetschen mit 100 schreienden, schwitzenden Menschen. Dieses Feedback haben wir auch bekommen: Ich bin noch nicht bereit, in den Club zu gehen.

Das Odonien verlangt für Partys immer noch einen negativen Schnelltest. Warum halten Sie daran fest?

Dieterle: Weil wir im Zuge von Corona auch Personalmangel erfahren haben. Wir sind noch nicht wieder so gut aufgestellt wie vorher, dementsprechend haben wir Angst, dass wir den Betrieb nicht aufrecht erhalten können. Wir können das nur deshalb anbieten, weil wir ein Testcenter vor der Tür haben, das jedoch bald wegzieht. Dann geht es nicht mehr. In der Sommersaison arbeiten wir mehr mit offenen Türen, dann wird es auch wieder ein anderes Empfinden geben.

Odonien in Köln: Das Partyprogramm ist elektronisch

Im Odonien gibt es in erster Linie Techno- und Elektro-Partys. Weshalb hat sich diese Stilrichtung durchgesetzt?

Rumpf: Wir haben verschiedenes ausprobiert, auch für älteres Publikum. Aber da gibt es andere etablierte Orte. Gerade Veranstalter wie Jan Krauthäuser von Humba e. V. hat sich irrsinnig bemüht, mit World-Music-Partys andere Gäste herzubringen. Das hat aber nicht funktioniert. Auch Punk oder Rock haben wir mal ausprobiert, aber die Szenen sind in Köln auch schon vertreten. Bleibt die Bandbreite der elektronischen Musik.

Dieterle: Es ist eine allgemeine Entwicklung in Deutschland, dass alle zur elektronischen Musik gewandert sind. Wir hatten früher viele Hiphop-Partys, aber dann sind immer weniger Menschen gekommen und irgendwann war unsere Location zu groß. So wurde es immer elektronischer. Das war nicht der Plan. Wir sind aber happy mit der Entwicklung.

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Das Odonien ist ein Sammelsurium aus Skulpturenkunst, Kunstwerken aus Schrott, Rauminstallationen, Open-Air-Gelände und Club.

Das Open-Air-Kulturprogramm im Odonien startet bald wieder. Gibt es neue Akzente?

Dieterle: Wir haben ein paar neue Konzertveranstalter, einen neuen Afro-Food-Markt Ende Mai. Ein kleines, junges Theaterensemble, das neu in der Szene ist. Ansonsten haben wir unsere klassischen Termine wie das Event „Brasilonia“ am 6. Juni oder die Konzertreihe „Lagefeuer deluxe“. Als nächstes kommt unser „Tag des offenen Tors“ am 15. Mai. Das ganze Gelände ist dann offen, der Eintritt frei. Es gibt Bühnenprogramm, Essen, man kann in Odos Werkstatt schauen und in andere Räume, in die man sonst nicht kommt. Musik läuft auf den Floors. Alles, um zu sagen: Hallo, das sind wir.

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An welchem Ort in Köln weht denn noch so ein kreativer Geist wie im Odonien?

Rumpf: Es gibt nicht mehr viel. Die Künstler aus der Kolbhalle in Ehrenfeld müssen den Ort nun verlassen. Der Ebertplatz hat sich zeitweise schön entwickelt, da werden wir sehen, wie es diesen Sommer wird. Ich war neulich bei der Mülheimer Nacht im Kunstwerk und da war erschreckend wenig. Raum13 im Otto-Langen-Quartier in Mülheim hat noch eine Chance.

Das Odonien kann auch für private Veranstaltungen, Firmenfeste und sogar Hochzeiten angemietet werden. Was ist der Reiz?

Dieterle: Die Leute wollen „mal nicht das Klassische, mal nicht die Hotellobby“. Wenn sie dann hier sind, zweifeln manche auch schon wieder. „Ob man das der Oma antun kann?“. Die große Einschränkung ist, dass wir es freitags und samstags nichts anbieten können, weil wir selber Veranstaltungen haben. Vor Corona hatten wir in den Sommermonaten sicher so eine Hochzeit pro Monat.

Zu den Personen und zum Odonien

Der Künstler und Odonien-Betreiber Odo Rumpf ist 61 Jahre alt. Nach dem Abschluss seines Maschinenbau-Studium entschloss hat er sich von der Branche abgewendet und ist seit 1991 hauptberuflich als Bildhauer tätig. Rumpf fertigt Skulpturen aus Industriefundstücken, Rauminstallationen und erschafft Medienskulpturen. Vor 17 Jahren mietete er von der Deutschen Bahn das Gelände zwischen Eisenbahntrasse und Eroscenter in Ehrenfeld. 

Anke Dieterle kommt gebürtig vom Bodensee und lebt seit 2002 in Köln. Seit etwa elf Jahren organisiert sie maßgeblich das Kultur- und Partyprogramm im Odonien.

Heute ist das Odonien eine Mischung aus Freiluftatelier, Club und Biergarten. Am 7. Mai findet hier die Odonien Records Release-Party statt. Odonien Recors ist ein Künstlerkolletiv vom Odonien, das eigene elektronische Musikstücke produziert. (gam)

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