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„Akten verschimmeln lassen“Anwalt kritisiert späten Prozess um Attentat vor Kölner Diskothek

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Auf den Fahrer dieses Mercedes wurde vor der Diskothek „Halle Tor 2“ geschossen.

Auf den Fahrer dieses Mercedes wurde vor der Diskothek „Halle Tor 2“ geschossen.

Dem Angeklagten wird versuchter Mord an einem Käfigkämpfer vorgeworfen. Der Vorfall ereignete sich bereits vor zehn Jahren. 

Nach zehn Jahren verhandelt das Kölner Landgericht einen Mordanschlag auf dem Parkplatz der Diskothek „Halle Tor 2“ in Vogelsang. Ein damals 29-Jähriger wurde in seinem Mercedes sitzend von mehreren Kugeln getroffen, überlebte nur durch eine Not-Operation. Der Fall wurde nach der Anklageerhebung im Jahr 2017 wegen einer Überlastung der zuständigen Strafkammer lange nicht bearbeitet.

Köln: Schüsse auf Kampfsportler auf Disco-Parkplatz

Der geschädigte Kampfsportler, bekannt durch Käfigkämpfe im Mixed Martial Arts, saß in der Tatnacht im November 2015 mit einer Zeugin im Auto, als sich ein Mann näherte. Dabei soll es sich um den 35-jährigen Angeklagten aus Chorweiler handeln. „Er kam zur Fahrertür und forderte den Geschädigten auf, auszusteigen“, so die Staatsanwältin. Dann habe der Beschuldigte unvermittelt das Feuer eröffnet.

Der Angeklagte habe durch die Scheibe der Fahrertür geschossen, sein Opfer zunächst am Oberarm getroffen. „Das Projektil prallte am Brustkorb ab“, heißt es in der Anklage. Dann habe der Täter noch dreimal auf das Bein des Mercedesfahrers geschossen. Das Opfer habe den Motor starten können, sei schreiend und hupend vor den Diskothekeneingang gefahren, woraufhin der Schütze geflohen sei.

Köln: Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Mord

Die Staatsanwaltschaft stuft die Tat als versuchten heimtückischen Mord ein. Auch einen sogenannten Rücktritt vom Tötungsversuch sieht die Anklägerin im aktuellen Fall nicht, da der Schütze aufgrund der vor der Disco aufmerksam gewordenen Zeugen an der weiteren Tatausführung gehindert worden sei. Grundsätzlich droht dem Angeklagten damit eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Als Hintergrund der Tat wurde damals ein schwelender Streit in der Türsteher-Szene vermutet. Kurz darauf konnte der Angeklagte festgenommen werden, er befand sich mehrere Monate in Untersuchungshaft. Laut seinem Rechtsanwalt Ulrich Sommer wurde der Mann in die Freiheit entlassen, nachdem die Behörden einen dringenden Tatverdacht nicht mehr gesehen hätten.

Köln: Verteidiger kritisiert überlange Verfahrensdauer

In der Folgezeit hätte die Strafkammer „die Akten auf der Fensterbank verschimmeln lassen“, warf Verteidiger Sommer dem Landgericht vor. Dieses über viele Jahre über ihm schwebende „Damoklesschwert“ habe bei seinem Mandanten, der unschuldig sei, für erhebliche psychische Probleme gesorgt. Das Gericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen.

Richter Alexander Fühling folgte dem Antrag der Verteidigung nicht, das Verfahren einzustellen. Die „rechtsstaatliche Verfahrensverzögerung“, die etwa durch den Mammutprozess gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach entstanden sei, könne anders kompensiert werden. Möglich erscheint hier ein gehöriger Straferlass – sollte der Angeklagte verurteilt werden. Der Prozess wird fortgesetzt.