Kölner Drach-ProzessNach dem Tod eines Raubopfers steht der Richter vor einem Dilemma

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Der Angeklagte Thomas Drach wird stets von SEK-Beamten in den Gerichtssaal des Landgerichts Köln gebracht.

Der Angeklagte Thomas Drach wird stets von SEK-Beamten in den Gerichtssaal des Landgerichts Köln gebracht.

Der Tod eines Raubopfers sorgt für weitere Ungewissheit im Prozess gegen den Reemtsma-Entführer Thomas Drach. So geht es jetzt weiter.

Der Mammut-Prozess um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach befand sich bereits auf der Zielgeraden, doch der Tod eines der Raubopfer könnte das Verfahren nun noch einmal erheblich verzögern. Richter Jörg Bern hat jetzt vorsorglich bereits Termine bis Ende November festgesetzt. Sollten Ärzte einen Zusammenhang zwischen dem Kalaschnikow-Überfall und dem Ableben des früheren Geldboten sehen, dann droht Drach eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes.

Köln: Opfer-Anwälte prüfen Zusammenhang zwischen Tat und Tod

Eine unmittelbare Auswirkung hatte die Todesnachricht zunächst nicht auf den Prozess. „Bisher haben wir nur den Totenschein“, hatte der Vorsitzende Richter erklärt. Weitere Veranlassung sah er offenbar in dieser Situation nicht. „Die Kammer muss nicht gleich in Aktion treten, nur weil das Opfer Jahre nach der Tat verstirbt“, sagt der bekannte Kölner Strafverteidiger Sebastian Schölzel. Eine Aufklärungspflicht bestünde nur bei konkreten Anhaltspunkten, dass ein Zusammenhang bestehe.

„Wir sind in der Prüfung, ob eine Kausalität besteht und haben ärztliche Berichte angefordert“, erklärt dazu Rechtsanwalt Alexander Cormann auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Cormann und seine Kollegin Monika Müller-Laschet hatten den nun Verstorbenen als Nebenkläger im Prozess vertreten. Sollten die Anwälte einen Zusammenhang zwischen dem Überfall im Jahr 2019 und dem Tod des Mannes sehen, dann würde ein Antrag auf Zulassung der Nebenklage für die Witwe erfolgen.

Drach-Prozess: Vorwurf könnte auf vollendeten Mord lauten

Würde Richter Bern die Kausalität dann ebenfalls erkennen, müsste er einen rechtlichen Hinweis erteilen, dass für Drach auch eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes in Betracht käme. Es ist davon auszugehen, dass Drachs Verteidiger sich gegen eine solche Einschätzung zur Wehr setzen würden. Sieht Bern indes keinen Zusammenhang, könnten die Angehörigen und deren Anwälte protestieren. Der Richter käme wohl kaum um ein aufwendiges medizinisches Gutachten herum.

Thomas Drach wird regelmäßig mit dem Hubschrauber aus dem Gefängnis zum Kölner Justizgebäude gebracht, bewacht von SEK-Beamten.

Thomas Drach wird regelmäßig mit dem Hubschrauber aus dem Gefängnis zum Kölner Justizgebäude gebracht, bewacht von SEK-Beamten.

Bisher spricht die Anklage lediglich von versuchtem Mord. Drach soll dem Geldboten am Flughafen Köln/Bonn in die Beine geschossen haben, nur eine Not-Operation hatte dessen Leben gerettet. Unbestritten waren die psychischen Folgen, im Zeugenstand zeigte sich der damals 56-Jährige schwer traumatisiert. Der überfallene Geldbote litt allerdings auch an einer schweren Lungenkrankheit. Eine Obduktion durch Gerichtsmediziner ist ausgeschlossen, da der Verstorbene bereits eingeäschert wurde.

Mitangeklagter wollte als Zeuge aussagen: Sturz im Gefängnis

Als weitere Unwägbarkeit in diesem Verfahren stellt sich erneut Drachs mutmaßlicher Komplize Eugen W. heraus, dessen Verfahren abgetrennt wurde. Drachs Anwälte hatten angekündigt, W. wolle diesen mit einer Aussage entlasten. Im Zeugenstand hatte der Niederländer aber nur seine Anwälte reden lassen. Zuletzt befand sich der Niederländer nach einem Sturz in der JVA Köln-Ossendorf im Justizkrankenhaus. Ob Eugen W. doch noch einmal als Zeuge auftreten wird, erscheint fraglich.

Unlängst hatte Drach betont, dass er eine Verschwörung zwischen den Ermittlern und seinem früheren Entführungsopfer, dem Hamburger Tabakkonzern-Erben Jan Philipp Reemtsma, sehe. In dem Zusammenhang erwähnte Drach einen zwei Jahre alten Brief, den Reemtsmas Anwalt Johann Schwenn verfasst hatte. Hier wird Drach mit einem Raubüberfall auf einen Geldtransporter in Braunschweig im Jahr 1995 in Verbindung gebracht. Der Fall ist strafrechtlich inzwischen verjährt.

Köln: Anwälte von Thomas Drach wollen Freispruch erreichen

Drachs Verteidiger haben mehrfach deutlich gemacht, einen Freispruch für ihren Mandanten erreichen zu wollen. Am Mittwoch war die DNA-Mischspur an einem Fluchtwagen abermals Thema. Anwalt Kerkhof hatte ausgeführt, dass womöglich Feuerwehrleute die Spur an das gestohlene Kennzeichen des Audis übertragen hätten. Im Beweisantrag hatte Andreas Kerkhof erwähnt, dass Drach den Audi, der aus dem Dunstkreis von Eugen W. stammen soll, schon einmal gefahren sei.

Das seit Februar vergangenen Jahres laufende Verfahren hat den Steuerzahler bereits geschätzte 20 Millionen Euro gekostet. Thomas Drach wird aus Sorge vor Befreiungsaktionen meist per Helikopter gebracht, Straßen werden dafür gesperrt, das Justizgebäude mit bewaffneten Polizeibeamten gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Aus ursprünglich 53 angesetzten Prozesstagen wurden nun bereits 91 – und es werden wohl noch ein paar dazukommen. Eigentlich sollte diese Woche plädiert werden.

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