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Brandmauer-EklatKölner JU-Politiker plante „Demokratieprojekt“ mit AfD

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Unterstützer von Charlie Kirk halten sein Bild hoch.

Der Name von „Wendepunkt Deutschland“ ist an „Turning Point USA“ angelehnt. Dessen Gründer Charlie Kirk wurde im Oktober bei einer Veranstaltung erschossen. 

In Köln will sich der Verein „Wendepunkt Deutschland“ gründen, inspiriert vom rechten Aktivisten Charlie Kirk. Auch Vertreter der AfD, CDU und SPD sind dabei.

Am Wochenende will sich in Köln ein Verein formieren, in dessen Gründungsvorstand eigenen Angaben zufolge „Vertreterinnen und Vertreter aus SPD, CDU und AfD“ sind. Das geht aus einer Mitteilung zur Vereinsgründung hervor. Als Organisator präsentierte sich Dennis Splitt, stellvertretender Vorsitzender der Jungen Union (JU) Lindenthal. Damit hat er kurz vor Weihnachten in der Kölner CDU ein Beben um die Brandmauer zur AfD ausgelöst: Seine Partei droht ihm mit einem Ausschlussverfahren.

Es war eine ungewöhnliche Einladung, die am Montag an mehr als 150 Journalisten und einige AfD-Politiker verschickt wurde. „AfD-, CDU- und SPD-Mitglieder initiieren ein überparteiliches Demokratieprojekt“, heißt es in der Mitteilung. Die Verfasser wollen am kommenden Wochenende den Verein „Wendepunkt Deutschland – Plattform für den politischen Meinungsaustausch“ gründen – angelehnt an die amerikanische Organisation „Turning Point USA“ des getöteten rechten Aktivisten Charlie Kirk. Die Einladung weist Ungereimtheiten auf: Datum und Wochentag des Gründungstreffens stimmen ebenso wenig überein wie die Adresse und der genannte Veranstaltungsort. Als Pressebeauftragte unterzeichnete eine junge Frau, die sich zuletzt beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) engagiert haben soll. Sie ließ Anfragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Raum für Gründungstreffen gekündigt

Bei der Veranstaltung soll sowohl ein Bundesvorstand als auch ein Kölner Ableger gegründet werden. Für „Angehörige weiterer demokratisch gewählter Parteien wie FDP, Grüne und Die Linke“ seien Plätze reserviert, heißt es in der Mitteilung. Die Verfasser schreiben, sie wollen die „gefühlte Meinungstoleranz stärken“ und fordern einen „Wendepunkt zurück zur Mitte“. Diesen planen sie allerdings gemeinsam mit Vertretern der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD – was prompt Kritik auslöste.

Für ihr Gründungstreffen wollten die Veranstalter eigentlich einen Kulturraum des Kölner Vereins „Zeitgeist-Braunsfeld“ mieten. Nach einer Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zog dieser die Nutzungszusage zurück. Der Raum sei am 22. November von Dennis Splitt angefragt worden, teilt „Zeitgeist“ mit. Splitt ist stellvertretender Vorsitzender der JU Lindenthal. Er habe für eine Vereinsgründung angefragt, „darauf hinweisend, dass er als Mitglied der CDU den Raum bereits mehrfach genutzt hätte“. Ob die Veranstaltung an einem anderen Ort stattfindet, ist unklar. Splitt ließ eine Anfrage dieser Zeitung unbeantwortet.

Matthias Büschges, Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Stadtrat, bezeichnet sich auf Nachfrage als „stillen Interessenten“ der Initiative. Er sei bei einem ersten informellen Treffen gewesen, wo ihm die Idee von „Wendepunkt Deutschland“ präsentiert worden sei.

CDU und Junge Union drohen mit Rauswurf

In der Kölner CDU sorgt dieser Vorgang für Aufruhr. Die Gesamtpartei hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss verabschiedet, der jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Dementsprechend scharf fiel die Kritik in der Kölner CDU am Vorgehen von Dennis Splitt aus. „Falls sich das erhärten sollte, werde ich dem Kreisvorstand in der nächsten Sitzung ein Parteiausschlussverfahren vorschlagen“, sagte die Kölner Parteichefin und Bundestagsabgeordnete Serap Güler gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dem schloss sich auch Teresa De Bellis-Olinger an, Vorsitzende des CDU-Stadtbezirks Lindenthal. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU sei eindeutig und gelte auf allen Ebenen: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD – weder formal noch informell. Die Initiative ‚Wendepunkt Deutschland‘, die offensichtlich die Zusammenarbeit mit der AfD sucht, ist daher in keiner Weise tragbar.“ Parteiausschlussverfahren sind in der CDU Nordrhein-Westfalen eher selten. Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Juli die Düsseldorfer Geschäftsstelle nach der Anzahl aller Ausschlussverfahren seit 2023 fragte, antwortete sie: Die CDU habe kein einziges solcher Verfahren in dem Zeitraum durchgeführt. 

Auch die Junge Union kündigt Konsequenzen an. „Wer solche Vereine mitgründet, passt nicht zu uns“, sagt Aaron Appuhn, Mitglied des NRW-Landesvorstands, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wenn sich das bestätigt, kann ich mir einen Verbleib von Dennis Splitt in der Jungen Union nicht vorstellen.“

Aus Parteikreisen heißt es, als finanzieller Unterstützer der „Wendepunkt Deutschland“-Gründung soll gegenüber der CDU der Name eines Vorstandsmitglieds eines Kölner CDU-Stadtbezirksverbandes gefallen sein. Das Mitglied bestritt gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Beteiligung an dem Gründungstreffen, weitere Nachfragen wollte es jedoch nicht beantworten.

SPD: „Für uns ist jede Nähe zur AfD völlig ausgeschlossen“

Splitt ist bereits das zweite Vorstandsmitglied der JU Lindenthal, das durch Veranstaltungen mit Nähe nach Rechtsaußen auffällt. Der Lindenthaler JU-Vorsitzende Benedict Doege, der wie Splitt im Juli in den Vorstand gewählt wurde, hatte zum Tag der Deutschen Einheit über seinen Instagram-Kanal „Gegendasgendern“ umfangreich in den sozialen Netzwerken für einen Marsch von Detmold zum Hermannsdenkmal aufgerufen (wir berichteten). Auf der „patriotischen Wanderung“ befanden sich auch Vertreter aus dem rechtsextremen Spektrum. Das ging aus der Antwort des NRW-Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der SPD im Landtag hervor. Die Kölner CDU distanzierte sich von der Aktion in Detmold. Güler sagte dazu: „Wir mahnen an, dass Mitglieder unserer Union für Anstand und Maß in der politischen Kultur einstehen.“

Claudia Walther, Co-Parteichefin der Kölner SPD, zeigt sich überrascht von der Mitteilung von „Wendepunkt Deutschland“, laut der auch Vertreter der SPD in dem Projekt aktiv sind. Ihr sei nicht bekannt, dass sich Mitglieder der Kölner SPD an der Gründung des Vereins beteiligen. „Für uns ist jede Nähe zur AfD völlig ausgeschlossen.“