Nach Zeugen-AussageStolpert Thomas Drach über seine eigene Überheblichkeit?

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Thomas Drach im Landgericht Köln mit seinem Verteidiger Andreas Kerkhof.

Köln – Stolpert der Reemtsma-Entführer Thomas Drach im aktuellen Strafprozess vor dem Landgericht Köln über seine eigene Überheblichkeit? Das vermuten Prozessbeobachter. „Das ist wie Fahrrad fahren, das verlernt man nicht“, soll Drach redselig einem Mithäftling in der JVA Ossendorf, dem „Klingelpütz“, anvertraut und drei der ihm nun vorgeworfenen Raubüberfälle zugegeben haben. Die brisante Zeugenaussage wird innerhalb des Justizbetriebes äußerst kontrovers diskutiert.

Zeuge sprach von neuer Entführung von Superreichen

Während die einen Prozessbeobachter gar nicht glauben wollen, dass ein „Profi-Verbrecher“ wie Drach einen solchen Anfängerfehler begehen und Tatdetails im Knast ausplaudern könnte, sagen andere, die vom Mithäftling geschilderten Aussagen könnten die innere Einstellung von Drach sehr gut widerspiegeln. Regelrecht gebrüstet habe sich Drach mit dem Einsatz einer Maschinenpistole und gesagt, er würde auch auf Frauen und Kinder schießen, um seine Freiheit zu verteidigen.

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Schon häufig wurde Thomas Drach per Hubschrauber von der JVA Köln zum Landgericht gebracht.

Der Mitgefangene will auch erfahren haben, dass Drach eine weitere Entführung geplant haben soll. Im Jahr 1996 hatte Drach mit Komplizen den Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, gekidnappt und 30 Millionen D-Mark erpresst. Diesmal, so der Mithäftling, habe Drach es auf die reichsten Frauen Europas abgesehen und schon Räumlichkeiten in der Schweiz angemietet. Als Beuteziel bei einer Erpressung habe er nun 30 Millionen Euro ausgerufen.

Kölner Richter muss Glaubwürdigkeit beurteilen

Der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern und seine Schwurgerichtskammer müssen bewerten, wie glaubhaft sie den Zeugen einstufen. Verteidiger Andreas Kerkhof spricht von einem „Aufschneider“ und dem Versuch, auf Kosten anderer seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Denn dem Zeugen droht wegen des Vorwurfs des Drogenhandels eine empfindliche Haftstrafe. Mehrfach soll er bereits bei den Behörden Personen verpfiffen haben. Er befindet sich im Zeugenschutzprogramm.

Es ist davon auszugehen, dass der Richter zumindest die objektiven Umstände im Knast überprüfen wird. JVA-Bedienstete könnten berichten, ob Drach und der Zeuge tatsächlich zusammen Billard und Tischtennis gespielt und gemeinsam gekocht haben. Und sich dadurch die Möglichkeit für die behaupteten Gespräche erst ergeben hat. Als unstrittig gilt, dass die beiden Straftäter zeitweise zusammen in Hafthaus 4 und damit dem Hochsicherheitstrakt der JVA Köln untergebracht waren.

Überfallener Geldbote galt selbst als Verdächtiger

Während die Vernehmung des brisanten Zeugen aufgrund ihrer Überlänge unterbrochen und an einem späteren Verhandlungstag fortgeführt werden soll, wurde am Mittwoch das normale Beweisprogramm fortgesetzt. Ein Geldbote berichtete hier im Zeugenstand, wie er einen Überfall im September 2018 erlebte. Der heute 38-Jährige galt eine Zeitlang sogar als Mittäter, nachdem er sich bei der Nachbesprechung der Tat bei seinem Arbeitgeber in Widersprüche verwickelt hatte.

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Der Geldbote hatte gerade knapp 90.000 Euro beim Globus-Supermarkt in Limburg an der Lahn abgeholt, als er in eine weiße Fratze, eine Art Clownsmaske, blickte, wie er es beschrieb. Er habe in den Lauf eines Maschinengewehrs geblickt und habe sich hinlegen müssen. „Ich war im Schock“, beschrieb der Mann die Situation. Der Täter habe ihm dann den Dienstrevolver und den Behälter mit dem Scheingeld abgenommen. Über den Parkplatz sei der Räuber zu seinem Fluchtwagen gelaufen.

Arbeitgeber habe ihn nach dem Überfall fallen lassen

Sein Arbeitgeber habe ihn danach „fallen lassen wie eine heiße Kartoffel“. Er habe nach sieben Jahren im Unternehmen die Kündigung erhalten. Durch Befragung von Verteidiger Wolfgang Heer kam heraus, dass dies womöglich auf Dienstvergehen zurückzuführen war. So könnte der Geldbote es versäumt haben, das Geld mit dem dafür vorgesehenen Trage-System zu sichern. Hier geht ein Alarm los, wenn der Träger den Griff loslässt. Das ist aber an jenem Tag nicht passiert.

„Ich habe nichts falsch gemacht“, sagte der Zeuge im Landgericht. Er habe damals womöglich einen zunächst bestrittenen Fehler zugegeben, weil die Polizei ihm eine Mittäterschaft unterstellt habe. Ein Ermittlungsverfahren sei danach eingestellt worden. Er habe dann die Security-Firma gewechselt.

Neben diesem Fall werden Thomas Drach drei weitere Raubüberfälle auf Geldboten in Köln und Frankfurt am Main vorgeworfen. Die Verteidigung hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.

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