Die katholische und evangelische Stellen suche neue ehrenamtliche Mitarbeiter.
Kölner Helfer ziehen BilanzDie KI kann Telefonseelsorge nicht ersetzen

Annelie Bracke (l.) und Charlotte Horn.
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In den Gesprächen, die Mitarbeitende der beiden Kölner Telefonseelsorge-Stellen führen, geht es öfter als früher um das Thema Suizid. Sei es, dass jemand sich in einer akuten schweren Krise befindet, eine gewisse Lebensmüdigkeit spürt oder einen nahestehenden Menschen durch Selbsttötung verloren hat. Über diesen Trend sprachen jetzt Annelie Bracke, Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln, und Charlotte Horn, die das evangelische Pendant leitet, als sie gemeinsam die Jahresbilanz beider Stellen präsentierten, die eng zusammenarbeiten.
Seelsorge per E-Mail und im Chat sehr gefragt
2024 ist die Zahl der angenommenen Anrufe von 26.450, die im Vorjahr verzeichnet wurden, auf 27.300 gestiegen; das sind durchschnittlich 75 pro Tag. Im ersten Halbjahr 2025 waren es 13.850. In elf Prozent der Fälle ging es um das Thema Suizid; zuvor waren es neun Prozent. Noch größer war der Anteil bei der Seelsorge per E-Mail (26 Prozent) und im Chat (30 Prozent).
Das heikle, schambehaftete Thema sei in der Öffentlichkeit präsenter und weniger tabu als früher, nannte Horn als einen Grund. Bracke sagte, es herrsche eine gewisse Krisenstimmung und eine allgemeine Verunsicherung. Auch wenn die Weltlage in den Telefonaten nicht explizit angesprochen zu werden brauche, vermute sie, dass diese auf das persönliche Leben der Menschen durchschlage.
Alles in allem sind die Themen gleichgeblieben, von Alltagssorgen bis zu tiefen Lebenskrisen. Vor allem geht es um Beziehungsprobleme etwa in Partnerschaft und Familie, um Ängste, Stress und emotionale Erschöpfung, Einsamkeit und Isolation, depressive Verstimmungen, Erkrankungen oder Behinderungen.
Verbesserte Erreichbarkeit
„Uns möchten mehr Menschen erreichen, als durchkommen können“, sagte Bracke. Das liege auch an denjenigen Menschen, die häufig anrufen würden, bisweilen mehrmals an Tag. Manche hätte etwa aus Einsamkeit das Bedürfnis, eine menschliche Stimme zu hören. Bei allem grundsätzlichen Verständnis richte sich an sie der Appell, aus Rücksicht auf andere Hilfesuchende die Zahl der eigenen Anrufe zu beschränken. Dieser Appell habe Wirkung gezeigt, so Bracke. Die Erreichbarkeit der Telefonseelsorge habe sich verbessert.
Zunehmend tauche in den Gesprächen das Thema Künstliche Intelligenz auf, sagte Horn. Es gebe immer mehr Menschen, denen Chatbots als eine Art „Beziehungspartner“ dienten. Daran knüpfe sich die Frage, ob die KI den zwischenmenschlichen Kontakt im Rahmen der Telefonseelsorge ersetzen könne. Die beiden Leiterinnen sind vom Gegenteil überzeugt. „Wir sind unersetzbar“, sagte Holm und sprach von „Spontaneität, Humor, Vertrauen und Verbindlichkeit“. Bracke ergänzte, zwar sei ein Sprachmodell wie ChatGPT „erstaunlich differenziert“ und mute emotional an, doch es fehle der „menschliche Faktor“.
KI in Seelensorge gilt als wichtiges Thema
Der bestehe darin, vor Berührtheit auch einmal zu verstummen, das Schweigen auszuhalten und stammelnd nach Worten zu suchen. Dagegen liefere ein Chatbot laufend Antworten. Die Frage, wie weit die KI reichen kann, nimmt der internationale Verband der telefonischen Krisenhilfe (Ifotes) so ernst, dass sich sein nächster Weltkongress, der im Juli 2026 in Budapest stattfindet, der „Kraft der menschlichen Präsenz“ widmet.
Bei der Evangelischen Telefonseelsorge Köln sind 90 ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt, auf katholischer Seite 70. Beide Stellen suchen Verstärkung. Interessenten können sich schon jetzt bewerben, auch wenn die Ausbildungskurse erst Anfang September 2026 beginnen. Gesucht werden Männer und Frauen, die lebenserfahren sind, sich für andere Menschen interessieren, sich auf sie einstellen und gut zuhören können. Sie sollten belastbar und in der Lage sein, mit Krisen umzugehen.
Die Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen werden ein Jahr lang in eine Gruppe von maximal zwölf Personen geschult. Dafür sind 150 Stunden inklusive Hospitation vorgesehen. Eine anschließende Mitarbeit von mindestens drei Jahren wird erwartet. Der monatliche Einsatz – Supervision und Fortbildungen eingerechnet – umfasst 15 Stunden; das schließt regelmäßige Nachtdienste ein. Neben der Qualifizierung werde die Gemeinschaft großgeschrieben, sagte Bracke. Als „dritte Säule“ der Mitarbeit bei der Telefonseelsorge nannte sie die Spiritualität. Dazu gebe es Angebote, die anzunehmen freiwillig sei.
Weitere Informationen bei der Evangelischen Telefonseelsorge Köln, Tel. 0221/31 71 59, telefonseelsorge.kirche-koeln@ekir.de, und bei der Katholischen Telefonseelsorge Köln, Tel. 0221/25 70 184, mail@telefonseelsorge-koeln.de.

