Welttag Suizidprävention25 Menschen am Tag starben 2020 durch Suizid

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Symbolbild Suizid

Ausweglos erscheint Menschen mit Suizidgedanken ihre Lage. 

Köln – Durchschnittlich 25 Menschen am Tag. So viele Personen sind 2020 durch Suizid gestorben. Mehr als durch Gewalttaten, Verkehrsunfälle und den Konsum illegaler Drogen zusammen. Im Rahmen des Welttages zur Suizidprävention am 10. September liegt besondere Aufmerksamkeit auf dem Thema. In Köln gibt es verschiedene Projekte, die sich die Entstigmatisierung von Suizid und psychischen Erkrankungen auch unabhängig von diesem Tag auf die Fahne geschrieben haben. Eines davon ist das Netzwerk „Überlebenswert“.

In Köln beschäftigen sich einige Projekte mit der Entstigmatisierung von Suizid

Über die Website werden unterschiedliche Hilfsangebote, darunter die Telefonseelsorge und der Sozialpsychiatrische Dienst Köln, die in akuten Krisen kontaktiert werden können, an Betroffene vermittelt. Bettina Busch, die Geschäftsführerin der Eckhard Busch Stiftung, die das Netzwerk koordiniert, verbindet ihre persönliche Geschichte mit dem Thema Suizidprävention. „Mein Vater hat sich das Leben genommen“, erzählt sie. Einige Jahre später gründete sie die Stiftung, mit der nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige von psychisch Erkrankten angesprochen werden soll.

Hier gibt es Hilfe

Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern: Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste: 0800/111 0 111 (ev.); 0800/111 0 222 (rk.); 0800/111 0 333 (für Kinder/Jugendliche); per E-Mail unter www.telefonseelsorge.de

Aufklärungsarbeit halte sie für einen wichtigen Pfeiler in der Suizidprävention, erzählt Busch. Aber auch wissenschaftliche Untersuchungen, derzeit etwa zu Kliniksuiziden, werden von der Stiftung unterstützt. Für ihr Wirken mit der Stiftung wurde sie in diesem Sommer mit dem Landesverdienstorden NRW ausgezeichnet.

„Wir würden gern noch mehr Suizide verhindern. Aber jeder Suizid, den wir verhindern können, ist wichtig“, so Busch. „Da braucht es Anlaufstellen, und zwar schnell. Menschen in der Krise haben keine Zeit, erst mal im Internet zu suchen und Mails zu schreiben“, sagt Busch. Aus diesem Grund werden die Informationen zu Hilfsangeboten auf der Website von „Überlebenswert“ gebündelt und übersichtlich dargestellt. „Da es in anderen Städten bereits Netzwerke für Suizidprävention gibt, war es mir ein Bedürfnis, auch in Köln ein solches Netzwerk zu gründen“, erzählt Martina Nassenstein, die „Überlebenswert“ initiiert hat. Im Zusammenhang mit Suizidalität sei es wichtig, dass das Thema gesamtgesellschaftlich betrachtet werde, sagt sie. Nicht nur Menschen mit diagnostizierter psychischer Erkrankung seien von Suizid betroffen. „Wenn der Blick zu sehr auf Menschen mit psychischen Erkrankungen gerichtet wird, besteht die Gefahr, dass im Sinne der Prävention nicht alle erreicht werden“, so Nassenstein.

Stiftung mit Landesverdienstorden ausgezeichnet

Auch Barbara Schneider, Psychiaterin an der LVR-Klinik, ist Teil des Netzwerkes „Überlebenswert“ und erzählt von konkreten Hilfsangeboten in der Suizidprävention. „Die LVR-Klinik hat, so wie andere Kölner Kliniken, rund um die Uhr geöffnet. Wer in einer akuten Krise ist, kann sich an uns wenden. Geschultes Personal ist jederzeit ansprechbar.“ Zweimal jährlich bietet die Klinik Schulungen zum Umgang mit Suizid an, die für alle Berufsgruppen zugänglich sind. „Wichtig ist, überhaupt hinzuschauen und Menschen anzusprechen, um die man sich Sorgen macht, auch wenn Suizid noch immer ein Tabu-Thema ist“, sagt Schneider. Zusätzlich rät sie dazu, sich professionelle Hilfe an die Seite zu holen, zum Beispiel den sozialpsychiatrischen Dienst.

„Wir arbeiten in der Krisenintervention bei Suizidalität“, so Matthias Albers, der die Abteilung soziale Psychiatrie der Stadt Köln leitet. „Wir sind unmittelbar mit Betroffenen in Kontakt“, erzählt er. Wer suizidale Gedanken hat oder sich Sorgen um eine Person macht, kann sich direkt an den sozialpsychiatrischen Dienst mit neun Leitstellen in Köln wenden. „Wir beraten Angehörige, sprechen mit den Betroffenen oder besuchen sie zu Hause“, erzählt Albers. Zuzuhören und neue Perspektiven mit den Betroffenen zu erarbeiten, sei in diesen Fällen wichtig. „Suizidgedanken sind kein Zeichen dafür, dass jemand verrückt ist, sondern dass in dem Leben der betroffenen Person etwas nicht gut läuft und sie Unterstützung braucht“, sagt Albers. Auch bei der Vermittlung zu Therapie- oder Klinikplätzen hilft der sozialpsychiatrische Dienst Köln. „Es ist einfach wichtig zu wissen, dass es Menschen gibt, mit denen man über dieses noch immer tabuisierte Thema reden kann, ohne dass jemand in Panik verfällt“, findet Albers.

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Auch prominente Botschafter und Botschafterinnen machen auf Suizidpräventionsprogramme aufmerksam. Neben der Kölner Band Kasalla schreibt die Schauspielerin Annette Frier auf der Homepage von „Überlebenswert“: „Jemandem in seinen oder ihren schwersten Stunden Hoffnung geben zu können macht bestimmt oft den entscheidenden Unterschied, ob ein Leben weitergeht oder eben nicht.“ Durch Corona sind psychische Erkrankungen vermehrt in die Öffentlichkeit gerückt, darüber sind sich alle Experten und Expertinnen einig. Dennoch müsse noch mehr darüber gesprochen werden, so Bettina Busch. Um das zu erreichen, zeigt das Netzwerk am 3. November den Dokumentarfilm „Nicht mehr leben wollen“ von Andrea Rothenburg im Filmhaus Köln im Mediapark und bietet im Anschluss eine Podiumsdiskussion an. 

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