Früher konnte der Kölner Renn-Verein von Pferderennen leben. Heute tragen andere Einnahmen das Geschäft. Dabei spielen auch 4000 Tonnen Pferdeäpfel eine Rolle.
Auch Pferdeäpfel taugen als GeschäftWomit die Kölner Rennbahn Geld verdient, wenn Wetteinnahmen einbrechen

Auf der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch finden jährlich zehn bis zwölf Renntage statt.
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Fantavier – das könnte auch der Name eines Rennpferds sein. Ein englisches Vollblut, Seriensieger auf der Kölner Galopprennbahn, Stolz seines Züchters. Doch an diesem Freitag wird auf der Anlage in Köln-Weidenpesch keinem Galopper zugejubelt, sondern einer der bekanntesten Musikgruppen Deutschlands. Die Fantastischen Vier spielen vor bis zu 15.000 Menschen ein Konzert. Seit Montag bauen 150 Arbeiter Bühne und Technik auf für ein wuseliges Wochenende. Am Samstag tritt die deutsche Indie-Pop-Band Provinz ebenfalls vor 15.000 Menschen auf. Für beide Konzerte gibt es noch Tickets. Und am frühen Sonntagabend endet die Oldtimer-Rallye der Kölner Karnevalsgesellschaften, die Fastelovends-Classic, an der Galopprennbahn.
Drei von gut 200 Tagen im Jahr, an denen auf dem weitläufigen Gelände der Stadt Köln, das der Kölner Renn-Verein von 1897 im Erbbaurecht unterhält, Events stattfinden. Für das wirtschaftliche Überleben der Rennbahn ist das Veranstaltungsgeschäft inzwischen unverzichtbar.
Stadt Köln kaufte Rennbahn für 15 Millionen Euro
2008 kaufte die Stadt Köln die Galopprennbahn für 15 Millionen Euro und rettete damit den von der Insolvenz bedrohten Verein. Für den Erhalt der Grünflächen und der denkmalgeschützten Bauten wie der historischen Tribüne bekommt er aus dem städtischen Haushalt einen Zuschuss von jährlich 300.000 Euro.
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Philipp Hein, Geschäftsführer des Kölner Renn-Vereins, vor der denkmalgeschützten Zuschauertribüne der Galopprennbahn
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„Früher“, erzählt Philipp Hein, „hatten wir auf der Galopprennbahn zwischen zehn und 15 Millionen Euro Wettumsatz im Jahr. Zu D-Mark-Zeiten ging es in Richtung 20 Millionen. Wenn wir heute 3,5 Millionen Euro mit Wetten erwirtschaften, ist das sehr gut.“ Hein ist seit bald zehn Jahren Geschäftsführer des Kölner Renn-Vereins und dafür verantwortlich, dass das Geschäft mit der Rennbahn in Köln-Weidenpesch auch 128 Jahre nach der Gründung des Vereins noch funktioniert.
Philipp Heins Ziel für die in den letzten Jahrzehnten stets klamme Gesellschaft: „Mein Anspruch ist es, vor die Welle zu kommen und nicht immer hinterherzulaufen.“
Mit Wetteinnahmen alleine wird das nicht mehr gehen. Wer früher auf Pferderennen wetten wollte, musste vor Ort sein, es ging nicht anders. „Du musstest mit deinem Geldschein zur Rennbahn kommen und ihn hier an der Kasse einsetzen. So lief es über 100 Jahre“, sagt Hein. Doch mit dem Internet sei es zu einem „dramatischen Einbruch“ der Zahlen gekommen. Plötzlich konnte man auch von der heimischen Couch auf Kölner Rennen wetten. „Heute läuft das große Wettgeschäft über Buchmacher, die ihren Firmensitz auf Malta haben. Wir sind gar kein Teil der Finanzströme mehr – obwohl es doch unser Produkt ist, das dort angeboten und bewettet wird.“
13.000 Menschen beim FC-Renntag
Zehn bis zwölf Renntage veranstalten Hein und der Kölner Renn-Verein im Jahr. Einer der größten ist der FC-Renntag, der zuletzt am Ostermontag 13.000 Menschen nach Weidenpesch brachte. Das nächste Saisonhighlight ist der Preis von Europa am 28. September – einer der wenigen deutschen Wettbewerbe in der höchsten internationalen Kategorie im Galopprennsport. Seit 1963 wird er ausgetragen und ist bis heute ein Aushängeschild der Kölner Rennbahn.

FC-Renntag am Ostermontag 2025
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„Für die Renntage nimmt man uns am meisten wahr. Unterm Strich ist das aber kein Geschäft, das uns groß Geld einbringt“, sagt Hein. „Wir versuchen über die Saison gesehen bei plus minus null herauszukommen“. Das war früher anders. „In den Hochzeiten konnte der Renn-Verein sehr gut nur vom Rennbetrieb leben. Man war nicht unter Druck, neue Konzepte zu erfinden.“
Warum die Rennen überhaupt noch stattfinden, wenn mit ihnen kein Geld verdient wird? „Sie sind unser Satzungszweck, unser Kernauftrag. Ein Rennen ist eine Zuchtleistungsprüfung. Über Rennen lässt sich herausfinden, welche Pferde welchen Geschlechts und Alters die besten sind, um sie miteinander in der Zucht zu verbinden.“ Doch zwei andere Säulen tragen das Geschäft.

Konzert und Public Viewing während der Fußball-Weltmeisterschaft 2018
Copyright: Kölner Renn-Verein
Eine Stütze sind Events und die Vermietung und Verpachtung von Teilen des Geländes. So bespielt die Früh-Brauerei die Gastronomie samt Biergarten an der Rennbahn. Genussmärkte, Trödelmärkte, Oldtimer-Treffen, während der Corona-Pandemie Picknick-Konzerte mit 1000 Leuten pro Show, Public Viewing mit 17.000 Zuschauern bei der Fußball-WM 2018 samt Auftritten von Kasalla, Brings und Cat Ballou – die Liste der Veranstaltungen auf der Rennbahn ist lang. Und soll noch länger werden, wenn es nach Philipp Hein geht.
Ein Lichterpark an der Galopprennbahn
„Bislang dauert die Saison von Mitte März bis Ende Oktober. Jetzt wollen wir auch die dunkle Jahreszeit für uns nutzen“, sagt der Geschäftsführer. Geplant ist ein Lichterpark namens „Garden of Lights“, vergleichbar mit dem Format „China Lights“ im Kölner Zoo. Über 80 Leuchtmodule mit Figuren aus Alice im Wunderland werden im Zuschauerbereich aufgebaut, dazu gibt es gastronomische Angebote. „Ein Themenpark, der für zwei Monate jeden Tag geöffnet ist“, fasst Hein zusammen. „Er soll ein Fixpunkt in unserer Strategie werden.“
Hein geht von zehn bis 15 Millionen Euro Umsatz aus, die alle Mieter und Pächter gemeinsam mit dem Renn-Verein auf der Anlage jährlich umsetzen. Ein Großteil lasse sich dem Renn-Verein zurechnen. Alle Veranstaltungen zusammengenommen besuchen etwa 500.000 Menschen im Jahr das 56 Hektar große Gelände.
Die andere tragende Säule des Renn-Vereins ist der Trainingsbetrieb, Hein nennt ihn „unser Rückgrat“: „Wir haben hier über 350 Pferde im Training, auf sechs Trainer verteilt, die jeden Tag in Köln auf der Anlage stehen. Hier steht ein großes Leistungszentrum für die besten Rennpferde Deutschlands.“
„Als würden sich Bayern München und Bayer Leverkusen den Trainingsplatz teilen“
Die zwei besten Trainer des Landes arbeiten mit ihren Pferden seit vielen Jahren Tür an Tür: Henk Grewe und Peter Schiergen. „Als würden sich Bayern München und Bayer Leverkusen den Trainingsplatz teilen“, sagt Hein, der sichtlich stolz von diesem Umfeld erzählt. „Für uns ist es immer wieder eine Auszeichnung, wenn Pferde aus Köln an den größten internationalen Rennen in Japan, Australien oder England teilnehmen.“
Und selbst mit Pferdeäpfeln lässt sich gutes Geld verdienen. 4000 Tonnen davon werden jedes Jahr in die Niederlande exportiert. Der Mist der besten Pferde Deutschlands – Hein bevorzugt den Begriff Dung – landet dort als Dünger in der Champignon-Zucht.