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Prominenter Bau in der Kölner CityWarum steht der ehemalige Stoff-Pavillon an der Hahnenstraße leer?

6 min
Der Stoff-Pavillon Moeller wurde 1952 nach drei Jahren Bauzeit eröffnet.

Der Stoff-Pavillon Moeller vor dem Hintergrund von Sankt Aposteln. Das Gebäude Stoff-Pavillon Moeller wurde 1952 nach nur drei Jahren Bauzeit eröffnet.

In einer Ausstellung thematisiert die Modeschöpferin und Enkelin des Firmengründers Claudia Moeller die Bedeutung der 50er-Jahre Architektur.

Die Damen und Herren haben sich schick gemacht. Abendkleider mit Spitzenvolant, Röcke bis zum Boden, Schuhe mit Absätzen. Sie spazieren durch eine Stadt, die noch in Trümmern liegt. Ein zersprengtes Köln, zu sehen auf riesigen Bildwänden. Diese Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Nachkriegskölns von Karl Hugo Schmölz (1917-1986) hängen im Atrium des ehemaligen Stoff-Pavillon Moeller an der Hahnenstraße 8. Die flanierenden Kölnerinnen und Kölner – das sind die im Raum platzierten schwarzen Holzfiguren als Teil einer Ausstellung, die fragt: Wie wirkte dieser Riphahn’sche Nachkriegsbau damals und was kann die Architektur der 50er-Jahre heute noch bedeuten?

Als eines der ersten Geschäfte eröffnete der Stoff-Pavillon am 6. September 1952 zwischen Neumarkt und Rudolfplatz. In nur drei Jahren Bauzeit. Als Wilhelm Riphahn im Stillen das neue Köln entwarf, spürte er die Sehnsucht der Menschen nach dem Schönen auf. „Dieses Gebäude wurde nur zum Stoffe verkaufen erbaut, in einer Zeit, in der drumherum alles zerstört war: wo man meint, andere Dinge im Kopf haben zu müssen als edle Stoffe. Das zeigt doch, dass die Menschen nach dem Krieg das Bedürfnis nach Kino, Stoffen, Oper und Schauspiel hatten – wie wichtig Kultur ist“, sagt Claudia Moeller.

Ausstellung im ehemaligen Stoff-Pavillon Moeller

Die Holzfiguren hat Claudia Moeller gezeichnet und Alexandra Quodt realisiert.

Der Stoff-Pavillon Moeller als Teil einer Flanier- statt Marschiermeile

Die Enkelin des Firmengründers Hans Moeller hat die Ausstellung zusammen mit Fotograf Maurice Cox kuratiert. Die Kölner Künstler Claus Richter hat im Schaufenster Figuren mit weißem Stoff eingekleidet. Die schräggestellten Schaufenster beherrschen den zweigeschossigen Stahlbetonskelettbau. Alles ist transparent, der Raum lichtdurchflutet und wirkt leicht. Seide, Chiffon, Wolle – die Schaufenster setzten sie perfekt in Szene. Durch die Neigung des Glases spiegelten sie nicht – das war verkaufsfördernd.

Doch der Bau war mehr als ein Geschäft. Er war Teil eines architektonischen und gesellschaftlichen Aufbruchs. „Die Nationalsozialisten hatten die Hahnenstraße als Teil der Aufmarschroute vom Deutzer Bahnhof zum Aachener Weiher geplant. Nach Riphahns Ideen sollte hier eine elegante Flanier- statt Marschiermeile entstehen“, sagt Moeller. Statt gigantischer Bauten, die die Gewalt der Nazis verherrlichten, plante er Flachdächer. Entsprechend könne man diese Bauten als „Antikriegsarchitektur“ lesen, als Mahnmale.

Claudia Moeller, Modeschöpferin und Enkelin des Firmengründers

Claudia Moeller ist die Enkelin des Firmengründers Hans Moeller. Ihr Vater Gerd übernahm das Geschäft 1961. Er ist 2022 gestorben.

Wie die Idee zur Schau aufkam? „Als im Rahmen der Passagen Partygänger abends hier entlanggingen und mich fragten, ob sie eine Lehre bei mir machen könnten, habe ich zunächst geschmunzelt.“ Moeller, Modeschöpferin und Hochschuldozentin, habe gemerkt, „wie sehr das Haus heute noch emotionalisieren kann“. Dass es bereits 1952 eröffnet wurde, habe auch am unternehmerischen Mut ihres Großvaters gelegen, sagt Moeller. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ verglich 1952 seinen zügigen Einzug in die Hahnenstraße „als ein ebenso großes Wagnis wie das der ersten Farmer, die in den Wilden Westen zogen“.

Wie Riphahn und Moeller sich kennenlernten, ob sie während des Krieges schon Kontakt hatten, wann Moeller den Architekten beauftragte, weiß sie nicht nicht. Wie der Architekt zogen sich ihre Großeltern während des Kriegs auch ins Bergische Land zurück. Die Firma Moeller hatte ihr erstes Geschäft – noch vor dem Krieg – zunächst auf der Schildergasse, wo heute Apple untergebracht ist. Die Firma gibt es seit bald 90 Jahren. In einer der Bombennächte Kölns im Jahr 1942 wurden sowohl das Geschäft als auch ihre Wohnung zerbombt. Ihr Opa hatte in einer Scheune bei Honrath bereits viel Ware gesichert. „Er war in vielerlei Hinsicht weitsichtig“, sagt Moeller.

Firmengründer Hans Moeller verlor Wohnung und Geschäft im Zweiten Weltkrieg

Der Krieg war noch nicht vorbei, da eröffneten die Moellers ein weiteres Geschäft auf der Komödienstraße, mussten jedoch immer etwas an das Heer abgeben. „Das ist mir wichtig zu erzählen, denn nach so kurzer Zeit wieder zu beginnen, das ist anstrengend und nicht, was wir heute mit Work-Life-Balance meinen“, sagt Moeller. Hans Moeller starb 1961 mit nur 55 Jahren. Sohn Gerd übernahm. „In Paris hat er mit Coco Chanel und schon mit Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent gearbeitet“, so Moeller.

Anders als der Großvater, unterhielt ihr Vater ein Atelier im hinteren Teil des Stoff-Pavillons und beschäftigte bis zu 14 Schneiderinnen. In den 70ern und 80ern boomte das. „Die Schneiderinnen kamen nicht mit. Und sie durften nur unsere Stoffe dort verarbeiten.“ 2001 machte Moeller den Laden dann zu. Wer kaufte denn noch Stoffe aus Italien oder Frankreich und nähte sie oder ließ sie nähen? „Das ist ein aus der Zeit gefallener Lebensstil. Selbst meine Mutter konnte damals nähen, obwohl sie mit Stoffen nichts zu tun hatte, bis sie meinen Vater kennenlernte.“

Der Markt war ein anderer geworden: Der Rhythmus der Lieferzeiten änderte sich, später sollte man dann große Mengen bestellen und auch abnehmen. „Man konnte nicht mehr sagen, ich will zwölf Meter, um zwei Mäntel zu bemustern, es mussten direkt 300 Meter sein. Für so ein Haus in dieser Größe ließ sich das nicht mehr händeln.“ In das leere Gebäude zog 2002 die Sprachschule Wallstreet Institute ein. 

Das Sprachinstitut baute Wände ein, dabei nahm der Fliesenboden durch Bohrungen Schaden. Auch andere Gebäudeteile litten. Seit dem Auszug der Sprachschule 2016 steht das denkmalgeschützte Gebäude leer. Interessenten habe es einige gegeben, auch namhafte aus der Möbel- oder Bekleidungsbranche. Einmal sah es so aus, als ob Starkoch Jamie Oliver das Gebäude anmieten wolle, so Moeller.

Denkmalstatus des Stoff-Pavillon soll erhalten bleiben

Doch er habe eine Treppe mitten im Atrium platzieren wollen. Das wollte sie nicht: Das Gebäude solle als Denkmal erhalten bleiben. Wenn ein Unternehmen hier einziehen will, müsse es dessen Architektur respektieren, sagt Moeller. Und Kulturaktivitäten wie Ausstellungen sollen dann trotzdem hin- und wieder möglich sein. Auch eine Nutzung durch die Stadt Köln sei für sie vorstellbar: „Wir haben eine Verantwortung gegenüber dieser 50er-Jahre Architektur.“

Außenansicht ehemaliger Stoff-Pavillon Moeller heute

Das Gebäude heute: Ohne den Stoff-Pavillon-Schriftzug. Das Gebäude steht seit 2016 weitgehend leer. Claudia Moeller nutzte es zuletzt immer wieder für kulturelle Aktivitäten während der Passagen oder des Festivals Photoszene.

Die Hahnenstraße zwischen Neumarkt und Rudolfplatz. Auch „Die Brücke“ ist ein Riphahn-Bau.

Die Hahnenstraße zwischen Neumarkt und Rudolfplatz. Auch „Die Brücke“ ist ein Riphahn-Bau.

Claudia Moeller findet, die Stadt vernachlässige ihr kulturelles Erbe an der Hahnenstraße. Längst ist es keine Meile mehr für hochwertigen Fachhandel. Zuletzt hörte das Lampengeschäft Schiffgen nach 157 Jahren auf. Stattdessen: Imbisse, Copyshop, Sonnenstudio. Ganz zu schweigen vom Elend, der vom Neumarkt herüberschwappe. Hinterlassenschaften des Drogenkonsums seien keine Seltenheit, sie musste schon häufiger Ordnungsamt und Polizei rufen. „Man könnte eine Gestaltungssatzung beschließen oder hieraus eine Museums-, Galerie- und Kulturmeile machen. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal für Köln.“ Doch die Stadt nutze diese Gelegenheit nicht. „Köln hat sich in den letzten 20 Jahren zum Negativen verändert“, sagt Moeller.


Die Ausstellung öffnet am Samstag, 20./27. September von 13 bis 19 Uhr, Führung jeweils um 15 Uhr. Auch Sonntag, 21./28. September von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Freitag, am 3. Oktober, 13 bis 17 Uhr, Führung um 15 Uhr. Samstag, 4. und Sonntag, 5. Oktober von 13 bis 19 Uhr, Führung und 15 Uhr und 17 Uhr Musik von Torn & Frayed.