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Kältehilfe am Breslauer Platz„Wärme und Würde sind unverhandelbar“ – Ein Zelt, das Hoffnung spendet

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ASB-Präsidentin Dr. Katarina Barley hilft mit.

ASB-Präsidentin Dr. Katarina Barley half in Köln mit.

Am Breslauer Platz zeigen ASB und Helping Hands Cologne, was Wärme bedeutet. Eine Kältehilfe-Aktion bringt Schlafsäcke, Suppe und ein Stück Würde.

Freitagabend, kurz vor 19 Uhr, Breslauer Platz. In der Schlange vor dem gelben Zelt stehen Menschen, die teils seit Stunden draußen sind. Manche wickeln ihren Schal enger um sich, andere vergraben ihre Hände in den Hosentaschen, um sie einigermaßen warmzuhalten. Es sind fünf Grad, aber durch den Wind fühlt es sich kälter an. Auf der Zeltplane steht in roten Buchstaben: Wir helfen hier und jetzt.

Unter diesem Motto organisieren der Kölner Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und die Obdachlosenhilfe Helping Hands Cologne an diesem Dezember-Freitag gemeinsam eine Aktion zur Kältehilfe. Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, können sich am gelben Zelt unter anderem Schlafsäcke, Hygieneartikel oder eine warme Mahlzeit abholen. Auch für medizinische Hilfe ist gesorgt.

Die Plätze zum Übernachten sind umkämpft

Für viele ist das Zelt einer der ersten warmen Orte heute. So auch für Lasse, der eigentlich anders heißt. Er lebt seit drei Jahren auf der Straße und kommt regelmäßig zum Versorgungs-Team der Helping Hands. Dort hat er auch von der Aktion am Breslauer Platz erfahren. „Es ist schwer, Orte zum Ausruhen und gerade jetzt auch zum Aufwärmen zu finden. Im Bahnhof werden wir direkt weggeschickt, auch wenn wir uns ruhig und respektvoll verhalten“, erzählt Lasse und deutet mit dem Kopf in Richtung der hell erleuchteten Bahnhofshalle.

Ein Obdachloser erzählt von seiner Situation.

Ein Obdachloser erzählt von seiner Situation.

Er nimmt eine der dampfenden Schüsseln mit Gulaschsuppe entgegen: „Die kann ruhig etwas kalt werden, aber das wärmt mir jetzt erstmal die Hände.“ Besonders schwierig seien die Nächte, sagt er. Meist versuche er in Kirchen zu schlafen, doch die Plätze wären begrenzt und umkämpft.

Die Nachfrage wird von Jahr zu Jahr größer

Das weiß auch Nicole Freyaldenhoven. Sie ist für Helping Hands vor Ort, kennt viele der Betroffenen persönlich und damit auch deren oft prekäre Situation, die sich durch die Kälte stets noch verschärft: „Es fehlt an allem: Wohnraum, angemessene Unterkünfte, Rückzugsorte. Jetzt im Winter wird das nochmal deutlicher, weil man eben nicht ewig draußen sein kann.“

Freyaldenhoven wünscht sich, dass die Belange der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen von der Politik ernst genommen werden und sich tatsächliche Verbesserungen einstellen. Der Andrang bei der jährlich stattfindenden Kältehilfe-Aktion habe in den letzten Jahren stetig zugenommen: „Wir wachsen sozusagen mit unseren Aufgaben. Aber wichtig ist einfach, dass man auch bei viel Zulauf immer freundlich, respektvoll und auf Augenhöhe miteinander bleibt.“

Es gehe um Unterstützung, die sofort wirkt

Auch der ASB setzt auf konkrete, spürbare Hilfen. Die Kältehilfe sei nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, was den Verband ausmache – nämlich Unterstützung, die sofort wirke, sagt Katarina Barley, ASB-Präsidentin und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments an diesem Abend in Köln. Sie füllt gerade Tee in einen Pappbecher und reicht ihn einer älteren Dame mit Rollator.

„Unsere Kältehilfe-Aktion hat vor allem praktische Aspekte: Zum Beispiel, dass die Menschen noch einen guten Schlafsack vor dem Wintereinbruch abholen können oder dass sie den medizinischen Service des ASB besuchen können. Aber wir versuchen, auch ein kleines bisschen Gemeinschaftsgefühl und Teilhabe in der Adventszeit zu erzeugen“, sagt Barley und reicht einem Herrn eine Packung Plätzchen zum Tee.

Wunsch nach besser ausgestatteten Notunterkünften und mehr Streetworkern

200 Tüten Plätzchen, 150 Schlafsäcke, mehre Töpfe mit Gulaschsuppe und Eintopf: Alles stapelt sich auf der Auslage. Die Schlange der Bedürftigen bewegt sich zügig vorwärts, um das Zelt herum stehen und sitzen immer mehr Menschen und löffeln ihre Schüsseln leer. Lasse wirft seine gerade in den Mülleimer, unterhält sich noch kurz mit einem Mitarbeiter. Man kennt sich.

Er ist froh, dass es solche Angebote wie die Kältehilfe-Aktion gibt, findet aber auch, dass die Stadtpolitik mehr Verantwortung zeigen sollte: „Das Leben auf der Straße ist ein Kampf, man braucht Nerven wie Drahtseile. Ich hoffe, dass der neue Oberbürgermeister Verantwortung für die Situation in Köln übernimmt. Ich habe im Wahlkampf schon mit allen Parteien gesprochen und sie darauf aufmerksam gemacht.“ Konkret wünscht er sich erschwinglichere und besser ausgestattet Notunterkünfte und mehr Streetworkerinnen und Streetworker.

Niemand müsse alles dankend annehmen

„Ziel solcher und ähnlicher Aktionen ist es auch, eine Verbindung zu den Menschen auf der Straße herzustellen und zu schauen, wem es wie geht und wer sich wo aufhält zurzeit. Aber wir alle sollten aufeinander aufpassen“, sagt Barley. Sie verstehe, dass häufig Berührungsängste oder Unsicherheiten bestehen und man sich manchmal unsicher sei, wie man im Ernstfall helfen könne. Barley empfiehlt, im Zweifel zu fragen: „Für viele Menschen ist es auch einfach wichtig, gesehen zu werden. Ein freundliches Wort, ein Nachfragen, ob man mit irgendetwas helfen kann, ein Lächeln statt ignorieren – das ist schon was.“

Natürlich sei jeder Mensch anders, und niemand müsse alles dankend annehmen. Ähnlich sieht das auch Freyaldenhofen: „Wenn jemand vor einer Bäckerei sitzt und ungefragt schon den zehnten Kaffee mitgebracht bekommt, dann ist das vielleicht nicht mehr hilfreich. Am besten einfach höflich nachfragen, was für Wünsche und Bedürfnisse gerade da sind und dementsprechend versuchen zu unterstützen.“ Liegt ein Notfall vor oder ist man sich unsicher, dann seien zum Beispiel auch der Kältebus oder der Notruf die richtige Wahl.

Für Barley ist klar, dass gelebte Solidarität nicht nur, aber besonders im Winter unverzichtbar ist: „Wenn die Temperaturen fallen, dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen auf der Straße ungeschützt bleiben. In unserer Gesellschaft darf niemand unsichtbar oder vergessen bleiben. Wärme und Würde sind unverhandelbar.“ Gerade im Bereich der Obdachlosigkeit sieht sie noch viel zu tun und hofft, dass es in Zukunft mehr niederschwellige Unterstützung gibt, die dann auch ankommt.

Lasse bedankt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, packt den neuen Schlafsack ein und macht sich dann auf den Weg zu seiner Unterkunft für die Nacht. Für viele Menschen, die hier in der Schlange stehen, ist das gelbe Zelt am Breslauer Platz an diesem Tag mehr als nur ein Angebot – es ist einer der wenigen Orte, an denen sie heute Abend kurz ausruhen können.

Kältebus-Nummer: 0162 4608 745 (von September bis Mai) täglich von 18:00 bis 23:00 Uhr erreichbar