Kölner Ärzte schlagen AlarmPatienten meiden Krebsvorsorge wegen Corona

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Das St. Elisabeth Krankenhaus Hohenlind an der Werthmannstraße in Lindenthal aufgenommen im Januar 2021.

  • Viele Patienten der Darmkrebs-Vorsorge haben im vergangenen halben Jahr die Krankenhäuser und Arztpraxen gemieden, was mitunter lebensgefährlich sein kann.
  • Kölner Ärzte schlagen nun Alarm und klären über die Verunsicherung und diffusen Ängste vieler Betroffener auf.
  • Auch erklären sie, was passiert, wenn sich ein Patient vor einer Krebsoperation mit dem Coronavirus infiziert hat.

Köln – Die Corona-Angst überdeckt die Krebs-Angst. Deshalb schlagen die Experten des Darmzentrum Köln Alarm. Patienten mieden seit Anfang März Arztpraxen und Kliniken. Vorsorgeuntersuchungen, Operationen und Therapien würden verschoben. Die Patienten setzten sich damit enormen gesundheitlichen Risiken aus.

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„Die Gefahr, an einem nicht behandelten Tumor zu sterben, ist deutlich größer, als sich am Coronavirus zu infizieren“, warnen Prof. Dr. Stephan Schmitz, Privatdozentin Dr. Beate Appenrodt, Chefärztin am St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind, und Darmzentrums-Vorsitzender Prof. Dr. Christoph Andreas Jacobi, Chefarzt am Dreifaltigkeitskrankenhaus Wesseling. Operiert und therapiert, sowohl stationär als auch ambulant, werden alle Bereiche des Verdauungstraktes: Darmkrebs, Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Leberkrebs, Speiseröhrenkrebs.

Ein Drittel aller Operationen und Therapien sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie weggebrochen. Aufgrund der aktuell steigenden Infektionszahlen befürchten die Mediziner eine weitere teils lebensgefährliche Zurückhaltung bei Patienten: „Sie haben eine diffuse Angst vor der Klinik und riskieren durch zu langes Warten, dass aus einer gutartigen Geschwulst ein bösartiger Tumor wird oder der bereits bösartige Tumor wächst und streut.“ Viele vor Wochen und Monaten nicht erfolgten Erstdiagnosen werden derzeit nachgeholt, „und wir stellen gravierende Befunde fest“.

Abwägung zwischen Krebs-OP und Corona-Quarantäne

Unter anderem „beachtliche Gallenblasen-Probleme. Die Patienten hatten schon lange Beschwerden, sind aber nicht gekommen“. Die Warnung der Mediziner ist eindeutig: „Bei Magenkrebs muss spätestens vier Wochen nach der Diagnose gehandelt werden.“ Wer bei Speiseröhrenkrebs drei Monate abwarte, treffe eine lebensgefährliche Entscheidung. Bundesweit seien zuletzt mehr als 900.000 Operationen ausgefallen. „Das holt man nicht so schnell nach, zumal die Zahl der schweren Diagnosen zunimmt.“

Die tiefe Verunsicherung der Patienten basiere unter anderem auf der Informationsflut über das Coronavirus und die Spätfolgen. „Sie haben noch im Ohr, dass Covid-19-Patienten in Kliniken vorrangig zu betreuen sind. Wir müssen minutiös erklären, dass alle Krankheiten gleichwertig betreut werden.“ Und vor allem, dass man in Krankenhäusern nicht mit Covid-19-Patienten in Kontakt kommt, die Bereiche penibel getrennt, die Hygienemaßnahmen extrem hoch sind. Was die Mediziner besonders ärgert ist, „wenn Krankheiten gegeneinander ausgespielt werden“.

Steht ein Patient vor einer Krebsoperation und hat sich mit dem Coronavirus infiziert, wird abgewogen, was medizinisch Vorrang hat: erst die Infektion behandeln und danach den Tumor oder anders herum. Die Frage stellt sich nicht, wenn die Krebserkrankung keinen Aufschub duldet. Wer corona-positiv sei und sich operieren lassen müsse, habe ein leicht erhöhtes Risiko. „Das betrifft aber nicht nur Krebskranke, sondern ebenso Unfallopfer oder Patienten mit anderen gesundheitlichen Risiken.“ Und das Restrisiko, dass man sich in einem Krankenhaus mit dem Coronavirus infiziert, beziffern Schmitz, Appenrodt und Jacobi mit „deutlich unter fünf Prozent“.

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