„Halten wir für einen Skandal“Bündnis kritisiert Umgang der Stadt Köln mit dem NS-Dok

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Für den bedingungslosen Erhalt des NS-Dok: Martin Sölle, Anika Triller, Claudia Wörmann-Adam, Dr. Witich Roßmann, Peter Brings, Hermann Rheindorf, Rolly Brings (v.l.).

Köln – Ein breites Bündnis aus der Kölner Stadtgesellschaft hat sich entschieden gegen eine Vernachlässigung des NS-Dokumentationszentrums (NS-Dok) gewandt. Hintergrund ist die weiterhin unbesetzte Leitungsposition des NS-Dok. Sie ist seit dem Abgang von Werner Jung im September des vergangenen Jahres vakant. Zwischenzeitlich plante die Verwaltung sogar, die Stelle vorerst nicht mehr zu besetzen – und stattdessen abzuwarten, ob eine Neubesetzung im Zuge der Umgestaltung der Historischen Mitte überhaupt nötig sei. Von diesem Plan ist man inzwischen auf Drängen mehrerer Fraktionen im Stadtentwicklungsausschuss abgerückt.

Claudia Wörmann-Adam, die Vorsitzende des Fördervereins EL-DE Haus, zeigte sich „sehr besorgt“ über den Umgang mit dem NS-Dok: „Lange Jahre der Bemühung waren notwendig, um das NS-Dok zu dem zu machen, was es heute ist“, sagte Wörmann-Adam. „Wir sehen aktuell keine ausdrückliche Würdigung in Teilen von Politik und Verwaltung.“

Rolly Brings: „Ich behaupte: Das ist das wichtigste Kölner Museum“

Auch die politischen Diskussionen zur Umgestaltung der Historischen Mitte, in denen das NS-Dok eine Rolle spielt, besorgen den Förderverein. „Das NS-Dok gehört nicht in die Diskussion um die Historische Mitte herein. Das passt nicht“, sagte der Co-Vorsitzende Martin Sölle.

Unterstützt wird das EL-DE Haus auch von der  Musiker-Familie Brings. „Wir sind weltweit bekannt mit diesem Haus. Es ist ein Ort, den ich anfassen kann und ich weiß, dass es hier Schreie, Tränen und Tod gegeben hat. An genau diesem Ort und nicht an irgendeinem anderen. Das hat mir, wenn ich gegen die alten und neuen Rechten gekämpft habe, immer Stärke gegeben“, sagte Rolly Brings. „Im Moment ist das Team ohne Leitung, das darf nicht sein. Was hat das NS-Dok mit dem Römisch-Germanischen Museum zu tun? Was soll der Mist?“, fragte der Musiker. „Ich behaupte: Das ist das wichtigste Kölner Museum, die wichtigste Tankstelle für Antifaschismus in dieser Zeit.“

„Arsch huh“: Köln hat verschlafen, Akzeptanz des NS-Dok zu schützen

Hermann Rheindorf vom Künstlerbündnis „Arsch huh“ sagte: „Die Arbeit des Hauses in dieser Weise zu relativieren, halten wir für einen Skandal.“ Es habe ihn „sehr betrübt“, dass es die perspektivischen Überlegungen gebe, das Haus „unter dem Begriff Historische Mitte zu subsumieren.“ Köln habe insgesamt verschlafen, die Akzeptanz des NS-Dok als außerordentlich wichtige Institution zu betonen.

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Für das Bündnis „Köln stellt sich quer“ sprach sich der DGB-Vorsitzende Witich Roßmann für einen bedingungslosen Erhalt des NS-Dok aus. „Antifaschistische Arbeit ist in Köln nicht wie in anderen Städten eine Sache, die mit dem Alter der Engagierten ausstirbt“, sagte Roßmann. Das Zentrum ziehe auch ein junges, internationales Publikum an. „Das NS-Dok hat es geschafft, in jeder Phase seit Gründung genau die Themen der Gegenwart – Ausgrenzung, Rassismus, Vernichtung, Krieg – unter den jeweils aktuellen Perspektiven der Diskussionen zu aktualisieren“, so Roßmann weiter. Um dies auch für die Zukunft sicherzustellen, brauche es wieder eine klare Leitung.

Kölner Grüne zeigen Verständnis für Sorge um Leitung des NS-Dok

Die Vorsitzende des Kulturausschusses, Brigitta von Bülow (Grüne), zeigte Verständnis für die Anliegen des Fördervereins. „Mir ist wichtig, dass die Stelle sehr zeitnah nachbesetzt wird“, sagte von Bülow, die selbst im Bündnis „Köln stellt sich quer“ engagiert ist, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Leitung sei unabdingbar, um die Strukturen aufrechtzuerhalten und darüber hinaus mit adäquaten Konzepten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen reagieren zu können. „Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig das ist.“ Es müsse eine Ausschreibung geben, die passgenau für das Haus sei und berücksichtige, dass es eben nicht nur ein Museum sei, betonte von Bülow.

In der April-Sitzung des Kulturausschusses wird das Thema erneut auf der Agenda stehen. Zuletzt hatte die Politik einen Antrag zur sofortigen Ausschreibung der Stelle zurückgezogen, nachdem die Verwaltung versprochen hatte, sich des Themas anzunehmen. Die Sorgen um eine Eingliederung in die Historische Mitte teilt von Bülow jedoch nicht. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn, dann andersrum: Wir brauchen eine starke und kompetente Leitung im NS-Dok, um die Beschlüsse zur Historischen Mitte umsetzen und die Historische Mitte besser planen zu können“, so von Bülow. „Unbenommen davon kann man die Struktur der Museen in der Innenstadt natürlich diskutieren, das muss aber geordnet in den Ausschüssen geschehen.“

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