Autofreie Zonen in KölnHändler kritisieren Pläne der Stadt – Angst vor Umsatzeinbußen

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Deutzer Freiheit

Die Deutzer Freiheit: Bald parkt dort fast kein Auto mehr. 

  • Mögliche autofreie Zonen sorgen in Köln immer wieder für rege Diskussionen. So war es bei der Ehrenstraße oder beim Eigelstein.
  • Nun soll in einem Experiment auch auf der Deutzer Freiheit auf motorisiertem Verkehr verzichtet werden.
  • Und auch diese Pläne stoßen auf Kritik – vor allem bei den Händlern und Geschäftsleuten.

Köln-Deutz – Noch rollen die Autos über die Straße und parken an der Deutzer Freiheit zu beiden Seiten. Noch. Denn in knapp sechs Wochen ist damit Schluss. Am 11. Juni startet der Verkehrsversuch zur autofreien Deutzer Freiheit.

Die Deutzer Einkaufsstraße wird zwischen Siegburger Straße und Luisenstraße sowie zwischen der Graf-Geßler-Straße und dem Gotenring autofrei – zum Jubel der Bürgerinitiative, die dafür Jahre gekämpft hatte, zum Unmut vieler Händler, Besucher und älterer Anwohner.

Markt an St. Heribert in Köln-Deutz

Auch bei denjenigen, die jetzt schon zu Fuß kommen: Christa Reinartz wohnt in Deutz und geht gerne zu Fuß zum Wochenmarkt auf dem Vorplatz der Kirche St. Heribert einkaufen. Trotzdem begrüßt sie den geplanten Verkehrsversuch nicht: „Jetzt bin ich zwar noch gut zu Fuß, aber was ist ein paar Jahren?“ 

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Am Stand von Käse Heuser wurde das Thema bereits brennend diskutiert, berichtet Andrea Heuser: „Zu uns kommen viele ältere Menschen, die ihren Partner eben mit dem Auto absetzen oder sich einen Parkplatz auf der Freiheit suchen. Da herrscht viel Unmut. Einige Kunden haben schon angekündigt, dass sie dann in Zukunft woanders einkaufen gehen.“

Geschäftsleute leben von Erreichbarkeit per Auto

Ein Standpunkt, der auch anderen Händlern nicht neu ist: „Es ist ein zweischneidiges Schwert. Für die Anwohner ist das natürlich toll, aber die Geschäftsleute leben von der Erreichbarkeit mit dem Auto teilweise“, so Gemüsehändler Paul-Heinz Smith. Seine Frau Ursula Smith sieht das etwas entspannter: „Andere Großstädte machen uns doch vor, dass es geht“, so Smith. „Ja, die haben auch mehr Platz als wir“, legt ihr Mann den Finger in die Kölner Wunde.

Cem Aliti vom Haarstudio Deutz zeichnet ein düsteres Bild für seinen Laden: „Wenn der Versuch scheitert, dann ist ein Jahr zu lange und kann das Geschäft nachhaltig schädigen. Wir hatten es schon schwer durch die ganze Pandemie und jetzt das“, so der Friseur. Ähnlich wie das Friseurhandwerk hat auch die Gastronomie unter Corona lange gelitten – bei der neuen Entwicklung sehen sie sich aber in jedem Fall auf der Gewinnerseite.

Tobias Volkmann vom Café Heimisch blickt dem Vorhaben optimistisch entgegen: „Unsere Gäste profitieren alle mal von der ruhigeren Kulisse. Wir blicken dem Ganzen positiv entgegen, auch wenn wir unseren Zulieferverkehr sicherlich etwas umstellen müssen.“ Auch in den sozialen Medien ist eine weitreichende Diskussion entbrannt. So schreibt Sandra Pohl auf Facebook: „Alle Nebenstraßen müssen dann viel häufiger genutzt werden. Meiner Meinung nach: Mehr Abgase, mehr Verkehr in den Seitenstraßen, höherer Benzinverbrauch. Ob das im Sinne des Erfinders ist…“

Verkehrsversuch an Deutzer Freiheit auf ein Jahr begrenzt

Julia Heimann hingegen befürwortet das Vorhaben: „Mein Sohn geht in die Kita auf der Deutzer Freiheit. Bald kann ich mich mal trauen, ihn mit dem Fahrrad dorthin zu bringen. Bei dem aktuellen Verkehrsaufkommen war mir das bislang zu gefährlich. Ich habe ihn selber mit dem Auto abgesetzt.“ 

Und was sagt die Politik? Stefan Fischer, Bezirksvertreter vom Bündnis 90/Die Grünen, erkennt die Bedenken der Kritiker an: „Natürlich muss man die Sorgen anhören und ernst nehmen. Deswegen ist der Versuch ja zunächst auch auf ein Jahr angelegt. „Umfragen zeigen, dass jetzt schon mehr als 90 Prozent der Kundschaft auf der Deutzer Freiheit zu Fuß einkaufen. Studien und Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass sich die Menschen dafür länger aufhalten, mehr Geschäfte besuchen und mehr einkaufen.“

Mehr Platz für die Außengastronomie

Alle Behindertenparkplätze blieben zudem erhalten und würden auf die Seitenstraßen verlegt. Die Anwohnerparkplätze sollen bald zunehmend für Anwohner gesichert werden – der Verkehr von außerhalb soll auf die umliegenden Parkhäuser zurückgreifen, so Fischer.

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Als Deutzer persönlich freue er sich auf die Zeit: „Ich bin froh, dass der Versuch startet und die Autos Platz machen für Bänke und erweiterte Außengastronomie. Ziel muss sein, die Aufenthaltsqualität hier zu steigern, dann gewinnt auch der Handel.“

CDU will in Gesprächen bleiben mit Händlern 

Dies bleibe laut CDU-Bezirksvertreter Mario Schmitz erstmal abzuwarten: „Wir haben schon früh im engen Austausch mit den Geschäftstreibenden und den Anwohnern gestanden und auch deswegen letztes Jahr noch einmal eine Aktuelle einberufen, um den Bedenken Raum zu geben.“

Als die Diskussionen über die autofreie Deutzer Freiheit begannen, hatten sich laut Schmitz 80 Prozent der Geschäftstreibenden negativ gegenüber dem Vorhaben geäußert. Die im Raum stehenden Bedenken hätten keine Mehrheit in der Bezirksvertretung gehabt. „Darum schauen wir auch jetzt gespannt zu, wie sich die Deutzer Freiheit ab Juni entwickelt und werden weiterhin viele Gespräche mit Anwohnern und dem Handel führen. Uns ist es wichtig, dass sich durch die autofreie Zone die Situation für Anwohner und Handel verbessert statt verschlechtert.“

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