„Ein Denkmal ist kein Rendite-Objekt“Kölner Stadtkonservator kritisiert Forderungen nach größerer Terrasse an der Bastei

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Das Bild zeigt die seit Jahren leerstehende Bastei am Rheinufer.

Die Bastei am Rheinufer steht seit Jahren leer.

Was passiert mit der Bastei? Was bedeuten Großinvestoren für Denkmäler? Ist Denkmalschutz beliebig? Stadtkonservator Thomas Werner im Interview.

Herr Werner, welche Jahrzehnte kommen jetzt verstärkt in die Beobachtung des Denkmalschutzes?

Thomas Werner: Um etwas wissenschaftlich beurteilen zu können, muss eine gewisse Zeit vergehen. Wir sprechen von drei Generationen, also etwa 30 bis 40 Jahre. Wir haben gerade die 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre erfasst und beginnen jetzt, einzelne Objekte unter Schutz zu stellen. Ein Beispiel für diese Zeit ist das Colonia-Hochhaus, das schon unter Denkmalschutz steht. Aber dazu gehört auch ein typisches Wohnhaus in der Belvederestraße in Müngersdorf. Die Zeit drängt.

Warum?

Wir wollen die Perlen der Architektur nicht verlieren. Gerade auf den Gebäuden dieser Zeit ist ein hoher Druck, vor allem in der Zeit der energetischen Ertüchtigung. Sonst verlieren wir Gebäude durch Abbruch oder totaler Überformung, die wir als Denkmalschützer zumindest vorher noch einmal bewerten hätten müssen.

Nein, der Denkmalschutz ist definitv nicht beliebig, ihm liegt ein Gesetz zu Grunde.
Stadtkonservator Thomas Werner

Was ist mit den großen Behördengebäuden, etwa dem Bundesverwaltungsamt in Riehl von 1983 oder dem Justizzentrum in Sülz von 1981?

Das Bundesverwaltungsamt könnte ein Kandidat für den Denkmalschutz sein, das Justizzentrum nicht. Das Gebäude verliert schon seine Platten, es steht auch nicht in unseren Listen. Da hätte ich eher das Uni-Center als Kandidaten gesehen. Aber das soll nun umfangreich saniert werden und fällt dann raus, weil es Teile seiner Charakteristika verliert.

Was kann der Denkmalschutz leisten und was nicht? Man hört nicht selten, der Denkmalschutz sei doch beliebig.

Nein, das ist er definitiv nicht, dem Denkmalschutz liegt ein Gesetz zugrunde. Wir beraten fachlich. Wir sind in dem Sinne keine Gestalter oder Entwerfer. Wir versuchen, am Original zu bleiben. Das ist unsere Aufgabe: das Objekt in seinen charakteristischen Eigenschaften zu pflegen und für kommende Generationen zur Anschauung zu bewahren.

Das Bild zeigt Thomas Werner.

Stadtkonservator Thomas Werner in seinem Büro

Nun ist es Definitionssache, was eine charakteristische Eigenschaft ist.

Ein gutes Beispiel ist das historische Holzsprossen-Fenster, das immer wieder zu viel Dialog führt. Viele Besitzer wollen das austauschen, doch die Fenster sind ein wesentlicher Bestandteil der Fassade und bestimmen den Charakter eines Hauses. Darüber hinaus können sie in den meisten Fällen energetisch ertüchtigt werden. Die Menschen sind mittlerweile streitlustiger geworden, es landen mehr Fälle als früher vor Gericht.

Sind Sie also mehr Verhinderer als Gestalter?

Das muss letztlich der Eigentümer entscheiden, wie er das empfindet. Nochmal: Ich sehe uns als beratend und bewahrend. Das Bewahren mögen manche als verhindern sehen, auf der anderen Seite arbeiten wir niemals museal. Ein Beispiel dafür sind die Gründerzeithäuser von 1910. Die hatten früher alle ihre Toiletten im Stiegenhaus, heute sind sie natürlich in die Wohnungen integriert. Das heißt: Wir passen an, um eine moderne und sinnvolle Nutzung zu ermöglichen.

Weil Sie das Museale ansprechen: Bei der Bastei haben Sie Pläne abgelehnt, den Balkon am Gebäude deutlich zu vergrößern, damit dort mehr Gäste unterkommen. Nun ist die Zukunft der Bastei offener denn je, auch der Abbruch ist möglich. Sind Sie rückblickend noch einverstanden mit Ihrer Entscheidung von damals?

Absolut. Da habe ich eine eindeutige Haltung. Das wäre undenkbar gewesen, diesen riesigen Terrassenkranz davor zu legen. Laut der jetzt vorliegenden statischen Untersuchung wäre es ohnehin auch nicht möglich gewesen. Ich hätte es aber auch denkmalpflegerisch abgelehnt, weil das Haus dann seinen expressionistischen Charakter total verloren hätte.

Bastei? Es wird zu diskutieren sein, was dort möglich ist.
Thomas Werner

Losgelöst von der finanziellen Seite: Ist es Ihrer Meinung nach möglich, die Bastei in die Gegenwart zu überführen?

Das ist eine spannende Frage. Bei der Bastei ist bindend, dass das Ensemble aus dem preußischen Caponnière und dem Gebäudeaufsatz von Wilhelm Riphahn besteht. Wegen des Stumpfes muss das Denkmal an der Stelle bleiben. Und auch an das Aussehen des Gebäudes ist das Denkmal gebunden. Erst wenn neue Pläne vorliegen, können wir uns eine fachliche Meinung bilden und diese denkmalpflegerisch bewerten.

Was ist mit der Option Abbruch und Rekonstruktion?

Die Denkmalpflege macht solche Rekonstruktionen eigentlich nicht. Für uns ist die Frauenkirche in Dresden beispielsweise kein Denkmal mehr, sondern ein Neubau. Es handelt sich dann um Stadtbild- und nicht Denkmalpflege. Diese Frage wird sich auch bei der Bastei stellen: Ist es legitim, dort eine Rekonstruktion zu machen? Und wenn, wie weit baut man das Gebäude zurück? Der preußische Stumpf muss auf jeden Fall erhalten bleiben und somit ist das Denkmal nicht komplett untergegangen, sondern nur die Riphahn’sche Zeit. Es wird zu diskutieren sein, was dort möglich ist. Das hängt auch davon ab, wer dort mal eine Gastronomie betreibt.

Die Visualisierung zeigt die Hahnentorburg samt Anbauten.

Warum darf die Ehrengadre an die denkmalgeschützte Hahnentorburg anbauen? Dazu äußert sich Thomas Werner.

Wie erklären Sie Laien, dass ein größerer Balkon an der Bastei nicht geht, die Ehrengarde aber zwei Anbauten an die Hahnentorburg bauen darf?

Ich kann die Frage nachvollziehen, aber wir sind als Denkmalschützer keine Architekturkritiker. Die Hahnentorburg war früher nie freistehend, sie war die meiste Zeit angebaut an den Ecken. Die Ehrengarde setzt mit den geplanten Anbauten also eine historischen Zustand fort. Was zu vermeiden war, dass die Anbauten so tun, als seien sie das Weiterbauen der Stadtmauer, sie sollten ein Stück einrücken. Uns war die sinnvolle Nutzung wichtig: Die Torburg kann nur überleben, wenn sie sinnvoll genutzt wird. Das ist in dem Fall die Nutzung durch Vereine, in der Eigelsteintorburg sitzt beispielsweise auch die Jazzhaus-Schule. Insofern müssen wir auch Zugeständnisse machen.

Das hören wir ja ständig: Das Gebäude muss weg, weil es nicht mehr wirtschaftlich ist.
Stadtkonservator Thomas Werner

Jetzt haben Sie die Nutzbarkeit der Torburgen angesprochen. Die interessierten Investoren für die Bastei behaupten genau das, sie brauchten mehr Platz, um mit mehr Gästen mehr Umsatz zu machen und das brach liegende Gebäude nutzbar zu machen.

Der Beweis, dass ein Ausbau für eine Wirtschaftlichkeit notwendig ist, ist nie erbracht angetreten worden. Das hören wir ja ständig: Das Gebäude muss weg, weil es nicht mehr wirtschaftlich ist. Ein Denkmal ist aus rechtlicher Sicht kein Rendite-Objekt. Beim Rheinpark-Café ist übrigens auch nichts vergrößert worden und dort hat sich ein Betreiber gefunden.

Sie sind seit 2012 Stadtkonservator und sitzen in Jury-Sitzungen zu großen Bauprojekten. Hat sich der Druck durch Investoren auf den Denkmalschutz erhöht?

Er nimmt zu. Man muss aber unterscheiden: Mittelständische Investoren aus Köln selbst haben eine ganz andere Umgangsweise als die überregionalen Unternehmen. Die ortsansässigen Investoren stehen für ihre Gebäude ein und werden durch sie repräsentiert, sie haben einen Bezug zur Stadt. Das ist bei bundes- oder europaweit tätigen Investoren ganz anders. Denen geht es hauptsächlich um Renditeerwartungen und eher nicht um die architektonische Qualität des Denkmals. Das ist für den Denkmalschutz schwierig.

Das Bild zeigt das Baugebiet Mülheim-Süd.

Seit Jahren passiert relativ wenig im Neubaugebiet im Mülheimer Süden.

Warum?

Oft werden große Flächen gekauft, auf denen ein einzelnes Denkmal steht, beispielsweis die Großmotorenhalle der KHD entlang der Deutz-Mülheimer-Straße. So ein Gebäude wird dann als notwendiges Übel mitgekauft, aber ein konkretes  Interesse dafür fehlt. Wenn dem Bauherren und dem Planer eine denkmalaffine Vorstellung fehlt, dann habe ich als Denkmalpfleger keine gute Basis.

Sie schauen vor allem auf die Vergangenheit, aber wie bewerten Sie denn Neubauten in Köln? Oder lässt Sie das kalt?

Nein, das lässt mich natürlich nicht kalt. Für mich ist das konkreteste Negativ-Beispiel der Waidmarkt. Das neue Hotel dort hat nichts mit dem Ort zu tun, die Fassade könnte an jedem Ort der Welt stehen. Eine Modeerscheinung sind beispielsweise die monumentalen Schlitzfenster. Es gibt auch Architekten, die sich sowas am Dom vorstellen können und damit gar keinen Bezug zum Ort nehmen. Es fehlt bei Großprojekten definitiv eine Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem man baut. Da kann man nichts Austauschbares hinstellen. Es ist auch ein Irrglaube, dass gute Architektur immer teuer sein muss, ein gutes Beispiel dafür sind die GAG-Siedlungen der 20er Jahre. Dass Flächen, bevor sie tatsächlich bebaut werden, mehrfach den Besitzer wechseln, ist eine Erscheinung der vergangenen zehn Jahre. Und manchmal denkt ein Besitzer: Nach mir die Sintflut. Das ist sehr bedauerlich. Aber wie gesagt: Das sind vor allem die großen Player, nicht die Kölner und die regionalen Entwickler.

Sie haben einen Leitfaden zur Errichtung von Photovoltaikanlagen (PV) auf denkmalgeschützten Häusern erstellt. Warum?

Weil das Thema polarisiert. Denkmalschutz ist ja per se nachhaltig, weil wir Gebäude erhalten. Aber nur zwei Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland sind Denkmäler. Ich frage mich, warum sich viele an diesen zwei Prozent abarbeiten, aber auf großen Märkten PV-Anlagen nicht verpflichtend sind.

Sie sind also kein Fan von Photovoltaikanlagen auf Denkmälern?

Doch. Wir lassen es ja zu, auch wenn uns teils anderes unterstellt wird. Von 30 Anträgen haben wir 22 genehmigt und acht aus verschiedenen Gründen abgelehnt. In Siedlungsinnenhöfen beispielsweise lassen wir sie zu, auf Flachdächern in der Regel sowieso. Auf Satteldächern müssen in jedem Fall ein gewisser Anteil der Dachfläche und an allen Dachkanten zwei bis drei Dachziegelreihen frei bleiben. Damit das ursprüngliche Dach noch wahrnehmbar bleibt. Das ist uns wichtig.

Zur Person & Infos: Thomas Werner, 61, ist seit 2012 Stadtkonservator und damit Leiter des Amtes für Denkmalpflege. In Köln gibt es unter anderem rund 9000 Denkmäler, sie sind in einer Liste notiert. Es gibt verschiedene Arten von Denkmälern. Ein Baudenkmal beispielsweise ist das Historische Rathaus. Eine denkmalgeschützte Parkanlage ist etwa der Klettenbergpark.

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