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Interview

Kölner Jugendring
„Jungen Menschen etwas zu verbieten, das bringt ja meistens ziemlich wenig“

4 min
Julia Körfgen, Tim Döller, Andrej Braun

Der Kölner Jugendring versteht sich als die Lobby aller Kinder, Jugendlichen und jungen Menschen. Julia Körfgen und Tim Döller sitzen im Vorstand, in der Geschäftsführung ist Andrej Braun (r.) tätig.

Welche Themen beschäftigen junge Menschen in Köln – und was tut der Kölner Jugendring, um ihnen Gehör zu verschaffen? Ein Gespräch.

Julia Körfgen ist 24 Jahre alt, beim Jugendverband der Evangelischen Jugend Köln und Region aktiv und Vorstandsvorsitzende des Kölner Jugendrings. Ihr Stellvertreter Tim Döller ist 21 Jahre und engagiert sich bei den Falken Köln. Als Mitglied der Geschäftsführung des Jugendrings ist auch Andrej Braun zu unserem Gespräch gekommen. Im Interview geht es darum, was junge Menschen in Köln bewegt, welche Ziele der Jugendring verfolgt und wie sie die Spielplatz-Debatte wahrgenommen haben.

Was sind aktuell Eure Schwerpunkte als Kölner Jugendring?

Julia Körfgen: Wir setzen uns für mehr Mitbestimmung junger Menschen ein – ganz besonders vor der anstehenden Kommunalwahl. Zentral sind für uns auch mentale Gesundheit, besonders von Schüler*innen, sowie die Frage nach öffentlichen Räumen für Jugendliche in Köln. Wir veranstalten auch die U16-Wahlen, die jungen Menschen eine Stimme geben, bevor sie offiziell wahlberechtigt sind.

Tim Döller: Bei der U-Wahl geht es nicht nur um Symbolik, sondern um politische Bildung. Junge Menschen erleben, dass ihre Meinung zählt – selbst wenn das Ergebnis „nur“ in der Tagesschau auftaucht, ist das für viele ein Wirksamkeitserlebnis. Es regt Diskussionen an und schafft Sichtbarkeit.

Welche Mitspracherechte haben Jugendliche in Köln?

Tim Döller: Als Kölner Jugendring vertreten wir die Jugendverbände der Stadt. In diesen passiert echte, selbstorganisierte Beteiligung – wir selbst sind bis 27 Jahre alt und damit selbst noch Teil der Zielgruppe. Zudem haben wir drei Stimmen im Jugendhilfeausschuss. Das ist unser offizieller Ort der Mitbestimmung in der Stadtpolitik.

Julia Körfgen: Und abseits der Gremien: Laut sein, dranbleiben, Gespräche führen, Mails schreiben, bis wir Gehör finden.

Wie gelingt es, echte Beteiligung umzusetzen?

Julia Körfgen: Wir bringen politische Bildung direkt zu den Jugendlichen: in Form von Workshops, Schulbesuchen, der Übersetzung von Wahlprogrammen in verständliche Sprache und durch kreative Formate wie unseren Wahlurnen-Wettbewerb. So lernen junge Menschen, worum es bei Wahlen geht – und sie haben die Chance, eigene Themen zu setzen.

Tim Döller: Wir merken in der Arbeit mit den Jugendverbänden, wie wichtig es ist, dass junge Menschen selbst entscheiden, mitgestalten und Verantwortung übernehmen dürfen.

Julia Körfgen, Tim Döller, Andrej Braun

Julia Körfgen und Tim Döller sind die Vorstandsvorsitzenden des Kölner Jugendrings.

Wie steht es um die Situation von Jugendlichen im öffentlichen Raum?

Julia Körfgen: Die Lage ist schwierig. Rückzugsräume und Treffpunkte fehlen – Bolzplätze, Skateanlagen, geöffnete Schulhöfe. Stattdessen erleben viele Jugendliche Verdrängung, etwa am Brüsseler Platz. Auch wichtige Orte wie das Fort X, früher ein Treffpunkt für Jugendverbände wie die Falken, verfallen.

Tim Döller: Und obwohl die Stadt einen Ersatz versprochen hat, warten wir als die Falken seit Jahren darauf. Wir verlieren Räume für Jugendliche, obwohl es klar ist: Wer junge Menschen erreichen will, muss ihnen Orte bieten. Stattdessen wird gekürzt – während gleichzeitig über Social-Media-Verbote diskutiert wird.

Julia Körfgen: Jungen Menschen etwas zu verbieten, das bringt ja meistens ziemlich wenig.

Stichwort „Spiel- und Aktionsflächen“ – was war da eigentlich los?

Julia Körfgen: Im Rahmen eines Beteiligungsprozesses wurden junge Menschen gefragt, was sie sich für öffentliche Räume wünschen. Sie wollten Orte, an denen nicht nur Kinder rutschen, sondern auch Jugendliche Basketball spielen oder skaten können. Daraus entstand der Begriff „Spiel- und Aktionsflächen“, weil es längst keine Altersgrenzen mehr gibt – was viele gar nicht wissen.

Tim Döller: Die Debatte wurde dann leider medial zerrissen, vor allem von Erwachsenen. Kein Kind hat sich über den Begriff beschwert. Es ging nie um ein „Verbot des Wortes Spielplatz“, sondern um Inklusion und Repräsentation. Das Schild war ein Symbol – aber es steht für etwas Größeres.

Und die Kosten?

Julia Körfgen: Die viel diskutierten 38.000 Euro sind nicht für Schilder draufgegangen, sondern für den gesamten Beteiligungsprozess – finanziert über einen politischen Veränderungsnachweis, also aus einem gesonderten Budget. Diese Mittel wurden nicht der Jugendarbeit entzogen.

Andrej Braun: Es ist bezeichnend, dass über diese Summe wochenlang diskutiert wird – aber bei der nächsten Haushaltsrunde fehlen fünf Millionen für die Kinder- und Jugendförderung, und kaum jemand schreit auf. Das ist eine gefährliche Schieflage. Kinder- und Jugendförderung ist eine Pflichtleistung, keine Kür.

Was würdet ihr sofort umsetzen, wenn Geld keine Rolle spielen würde?

Julia Körfgen: Mehr Demokratieförderung an Schulen – auch durch außerschulische Akteure. Mehr offene Jugendzentren, mehr Räume für Selbstorganisation, mehr Raum für junge Menschen.

Was ist Euer Appell an die Politik?

Tim Döller: Mehr Geld in die Jugendverbände. Die Jugendverbände wissen, wie man Jugendliche erreicht, die wissen, was Jugendliche wollen. Sie können das machen, worauf sie Lust haben – mit Einschränkungen.

Julia Körfgen: Und ich glaube, das ist so ein Positivbeispiel für junge Menschen, dass sie merken, es gibt schon auch Orte, Räume, wo ich einfach meine Meinung sagen kann und die auch gehört wird und umgesetzt wird.