„Es war furchtbar“„Lotta“-Wirtinnen über Start des Kneipenbetriebs in Köln

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In der Kneipe „Lotta“ mit den roten Wänden läuft Indie, Pop und Punk. Zusätzlich werden die Fußballspiele des 1. FC Köln und des FC St. Pauli übertragen.

  • Die „Lotta“ in der Südstadt hat seit drei Wochen unter Auflagen wieder geöffnet. „Mit Kneipe hat das nicht viel zu tun“, sagt Geschäftsführerin Diane Jüttner.
  • Normalerweise dröhnt hier lauter Punkrock aus den Boxen, jetzt können sich maximal 17 Menschen in der Kneipe aufhalten. Die geplante Feier zum 25. Jubiläum im September fällt vermutlich flach.
  • Ein Gespräch über ein Nachtleben mit Abstandsregeln, die Kneipe seit ihren Anfängen und die Südstadt.

Seit nun mehr als drei Wochen hat die Lotta unter Auflagen geöffnet. Wie ist Ihre Bilanz bisher?

Jüttner: Die ersten Tage waren schon ziemlich furchtbar. Es war ziemlich warm. Wenn man nur 15 bis 17 Leute in den doch recht großen Laden reinlassen kann, dann wirkt das sehr verloren, weil alle auf Abstand sind. An der Theke steht schon mal keiner, weil Abstand dort nicht möglich ist. Mit Kneipe hat das nicht viel zu tun. Jetzt geht es so langsam wieder, weil man auch mehr Leute an einen Tisch setzen kann und jetzt konnten wir auch unsere Außengastro mit ein paar Tischen erweitern. Das ist netter.

Welche Gäste kamen zuerst? 

Ottersbach: Wir haben zunächst einen Außer-Haus-Verkauf gestartet und haben Bier in Gallonen verkauft. Bisschen Old-School. Das war eine Notlösung, hat aber ganz gut funktioniert. Aus dieser Öffnung heraus haben wir den Laden eröffnet. Das waren aufjedenfall Stammgäste und Bekannte. Aber auch da waren die Berührungsängste am Anfang groß. Die Gäste und auch wir waren verunsichert: Man hatte dieses Gefühl, in seinem (Stamm-)Lokal nicht mehr sicher zu sein. Und auch Unsicherheit bezüglich was man darf oder nicht. Normalerweise bestellt man bei uns am Tresen, das geht aber jetzt nicht, weil wir keine Plexiglasabtrennung haben.

Was spricht gegen Plexiglas?

Jüttner: Wir hatten eigentlich eine bestellt, zumindest für den einen Bereich, damit man wenigstens bestellen kann. Die war  zwei Wochen mit dem Versand unterwegs, war dann aber kaputt. Und jetzt kommt sie aus irgendeinem Grund nicht bei uns an. Ottersbach: Plexiglas ist das neue Klopapier.

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Gibt es Unmut zum Beispiel über die Aufnahme der personenbezogenen Daten?

Jüttner: Ich habe bisher noch nichts Blödes erlebt. Klar, ist das schwierig und anstrengend und das Datenregistrieren macht jetzt auch nicht jeder gern. Und manchmal ist es echt erheiternd, was die Leute auf die Zettel schreiben. Aber es geht gerade nicht anders.

Wie haben Sie und das Team die Phase der Schließung erlebt?

Jüttner: Wir haben den gesamten Laden renoviert, auch umgebaut. Das hat sich ein paar Wochen hingezogen, weil man sich selbst auch motivieren musste. Für alle Mitarbeiter waren die ersten Tage komisch. Am Ende mussten wir tatsächlich schauen, dass wir es rechtzeitig zur Öffnung schaffen. Wir haben die Wände neu gestrichen, die Bänke lackiert, Tischplatten verkleinert und auf die alten Füße gestellt, damit der Abstand gewahrt werden kann.

Kölner Kultkneipe „Lotta“

Diana Jüttner ist Geschäftsführerin der „Lotta“ und seit 20 Jahren dabei. Sie ist 48 Jahre alt und hat Pädagogik in Köln studiert. Eva Ottersbach ist 36 Jahre alt und ist hauptberuflich Bibliothekarin. Sie arbeitet seit 15 Jahren nebenberuflich in der Lotta und ist Gesellschafterin.

Die Kultkneipe startete 1995 als Antifa-Treff. Benannt ist sie nach der „Lotta Continua“, einer außerparlamentarischen Gruppe der italienischen Linken, die zur Zeit der Studentenbewegung aktiv war. Lotta bedeutet „Kampf“ auf Italienisch. Die drei Säulen der Kneipe sind: Fußball, Punkrock und Karneval. Viele Gäste kommen auch gerne zum Kickerspielen. Bisher ist der Kickertisch aber noch nicht wieder aufgebaut. Fußball wird allerdings wieder gezeigt.

Lohnt sich das Geschäft überhaupt?

Jüttner: Sagen wir so, die Wochentage sind im Sommer, wenn es heiß ist, auch nicht viel besser. Aber die Wochenenden sind schon arg schlecht. Klar wir machen früher zu. Normalerweise haben wir auch DJs am Wochenende. Das lohnt sich aber auch nicht bis 24 Uhr. Ottersbach: In den Anordnungen klang das außerdem so, als sei das ein Ausschlusskriterium für die Öffnung… Diese Regelungen scheinen nicht ganz haarscharf formuliert zu sein… Ottersbach: Da es sowieso verschiedene Punkte gab, die gegen einen DJ sprachen wie früher anfangen und später aufhören, geschlossene Fenster, die aber offen bleiben sollen, damit die Luft zirkuliert und so weiter, haben wir einfach darauf verzichtet.

Die Lotta gibt es nun seit 25 Jahren. Wie hat alles angefangen?

Die ersten fünf Jahre war die Lotta in der Achterstraße, da war sie viel kleiner und eine klassische Eckkneipe. Vom Konzept war es wie heute: mit DJs am Wochenende, vielleicht noch paar anderen Veranstaltungen und Lesungen. Karneval wurde auch damals schon groß geschrieben. Dann lief der Pachtvertrag ab und wurde nicht verlängert. Seitdem sind wir hier am Kartäuserwall.

Welche Krisen gab es abgesehen von der Corona-Krise in der Vergangenheit?

Ottersbach: Den Nichtraucher-Schutz, das war ein riesiges Thema. Die Lotta war eine verschriene Raucherkneipe. Wenn man hier reinkam, konnte man die Küchentür schwer sehen. Dann kam auf einmal das Gesetz der rot-grünen Landesregierung und dann war es so. Das hat bedeutet, dass man jeden Abend jemanden an die Tür stellen musste, der dafür sorgt, dass die Getränke nicht mit rausgehen, weil wir keine Konzession für Außengastro hatten. Auf einmal mussten wir die Leute reglementieren und ihnen sagen, was sie dürfen und was nicht. Das haben wir stark gemerkt, weil sich Leute am Anfang entschieden haben, nicht den Abend in einem Laden zu verbringen, in dem sie nicht rauchen dürfen. Die Nachbarn haben sich außerdem furchtbar aufgeregt, wenn draußen 50 Leute rauchend standen.

Wie hat sich die Südstadt verändert?

Jüttner: Uns gibt es schon viel länger als Läden, die heute in der Südstadt angesagt sind. Wir haben uns damals aktiv entschieden, in der Südstadt zu bleiben, nachdem wir weggezogen sind. Und damals war es ein totes Kneipenviertel, nachdem das in den 80ern und 90ern eine Hochburg war. In den 2000ern gab es nicht viel Szene. Wir wollten die Südstadt dann auch nicht sich selbst überlassen und sind geblieben. Es sind viele Kneipen dazugekommen wie der Tsunamiclub und der Schnörres. Ottersbach: Grundsätzlich ist die Südstadt gentrifiziert und schicker und nicht mehr so alternativ. Wir fallen da vielleicht noch raus, weil wir an der Grenze zum Severinsviertel sind. Hier wohnt eine gemischtere Bevölkerung, weil die Mietpreise niedriger sind.

Stichwort Gentrifizierung: Nebenan befindet sich das Alte Pfandhaus sowie der Künstler- und Gewerbehof KAT18, der zuletzt in die Schlagzeilen geriet, weil das Theater der Keller dort einziehen wird und die dort ansässigen Gruppen den Verlust ihrer Räume befürchten und beklagen. Bekommen Sie von dieser Entwicklung etwas mit?

Ottersbach: Das ist nicht unser allernächstes Umfeld, auch wenn wir das natürlich auch mitbekommen haben. Was hier direkt nebenan passiert, wo die Baulücke klafft, haben wir allerdings miterlebt.

Jüttner: Da war mal ein Einfamilienhaus drin, wo unten auch eine Kneipe war. Der Vermieter hat vor fünf Jahren die Mieter rausgeklagt. Das Haus war angeblich unsicher und hatte Bauschäden, was auch immer. Und die Familie wohnte seit 1987 dort. Dann war das Haus ein paar Wochen besetzt und danach wurde abgerissen. Seitdem tut sich einfach nichts.

Und der Chlodwigplatz, von dem Sie einen Steinwurf entfernt sind, wo sich Kritikern zufolge eine Trinkerszene etabliert hat…?

Jüttner: Vor kurzem gab es noch die Gaffelstube am Chlodwigplatz, die hatte sicher mehr Probleme damit. Nun ist die aber zu und jetzt macht ein weiterer Dönerladen auf….

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Ottersbach: Der fünfte im Umkreis von 100 Metern? Meines Erachtens war die Szene vor der Umgestaltung des Platzes die gleiche. Seit ich hier in der Südstadt wohne, sind das die gleichen Nasen, ob das Obdachlose sind oder Trinker… Jetzt wo die Bänke da sind, sammelt es sich mehr. Überall in der Umgebung gibt es diese Ecken, wo die rumsitzen, aber am Chlodwigplatz ist es einfach offensichtlich und man geht tausendfach am Tag dran vorbei und beobachtet Krankenwageneinsätze. Wir aber haben kein Problem damit, die 30 Meter Entfernung machen da viel aus.

Wie hat sich die Ausgehkultur geändert?

Jüttner: In den letzten zwei, drei Jahren kommen und gehen die Leute früher. Das kann ja sein, dass die dann einfach in andere Läden weiterziehen. Früher war es umgedreht, da wurde der Laden erst zwischen 11 und 12 voll. Man musste um 4 Uhr schauen, dass man sie wieder loswird. Das Problem haben wir nicht mehr.

Ottersbach: Ich hatte häufig das Gefühl, dass wir schon um 4 Uhr nachmittags aufmachen konnten. Normalerweise kommen wir um 6 und machen um 7 Uhr auf. Da rütteln schonmal welche an der Tür und fragen, ob sie reinkönnen. Es scheint ein Trend zu sein, dass man nach der Arbeit oder früher Lust hat, ein Bier zu trinken.

Mit welchem Gefühl blicken Sie nun in die Zukunft?

Jüttner: Mein Gefühl hat mich in den letzten Wochen häufig getrügt. Ich dachte erst, das alles würde ewig dauern. Dann ging plötzlich alles schnell und wir konnten wieder öffnen. Trotzdem: Das wird uns das bis mindestens Ende des Jahres beschäftigen. Vielleicht sogar ins nächste Jahr bis in den Karneval hinein.

Ottersbach: Ich sehe Karneval nächstes Jahr noch nicht. Normalerweise haben wir 200 Personen hier drin plus die Mitarbeiter. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, auch nicht, dass das in der Wahrnehmung der Menschen okay sein wird. Viele Einschränkungen sind in den Köpfen der Menschen angekommen. 

Das Gespräch führte Maria Gambino

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