Kölner SüßwarenmesseSchokolade müsste mehr als vier Euro kosten

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Schokoladen-Großhändler Norbert Mergen

Köln – Vielleicht ist es ein Fingerzeig. Vielleicht ist die Tatsache, dass die Möbelmesse abgesagt, die Eisenwarenmesse verschoben, die Süßwarenmesse jedoch wie geplant stattfindet, ein Hinweis auf das, was wir in Zeiten wie diesen besonders benötigen. Nicht etwas Warmes, etwas Süßes braucht der Mensch! Oder, wie an einem Stand groß zu lesen steht: „Sweeten your life“.

Nun muss Süßes heutzutage nicht mehr mit löffelweise Zucker einhergehen. Eine wachsende Zahl an Konsumenten wünscht sich zuckerreduzierte Snacks und Süßigkeiten auf pflanzlicher Basis. Dem trägt die ISM auf vielfach Rechnung. Bei einem Gang durch die Deutzer Messehallen fallen allerdings auch die vielen Leerräume zwischen den Ständen auf: In 2020 waren es noch 1750 Aussteller, jetzt sind es gerade mal 1085.

Blick auf Zutatenliste oft unmöglich

Um so mehr scheint in diesem Jahr die hohe Kunst darin zu bestehen, groß zu deklarieren, was ein Produkt nicht enthält, und eher mikroskopisch klein aufzuzeigen, was leider (trotzdem) drin ist, wie im Fall des spanischen Milch-Karamel-Brotaufstrichs „Dulce de Leche“, der zwar kein Gluten aufweist, dafür aber satte 57 Prozent Zucker. In weiser Voraussicht haben viele Aussteller ihre Produkte in hermetisch verschlossene Plexiglas-Kästen gepackt, was den Blick auf Zutaten-Listen unmöglich macht. So auch Firma Jelly Belly, die ihr Harry-Potter-Sortiment durch „Butterbeer Chewy Candy“ erweitert hat, so dass neben dem schokoladigen Bestseller in Froschgestalt nun eine neue Fruchtgummi-Variation zur Verfügung steht.

Süsswaren Jelly

Jelly Belly erweitert sein Harry-Potter-Sortiment.

Immer wieder stößt man auf geschmackliche Überraschungen wie bei der schwedischen „Lakritsfabriken“, die einige ihrer Lakritzkugeln mit Schoko- oder Mandelfüllung anbietet. Besonders gelungen ist die als „Rawline“ bezeichnete Kreation Nats, einem Mini-Törtchen aus Belgien, das vegan, zuckerfrei, gluten- und laktosefrei daherkommt und köstlich schmeckt.

Qualitätsschokolade ist immer noch selten

Zu diesem Ergebnis käme man vielleicht auch am Stand der Firma Seitenbacher, die ihren Neuling „Süßkram“ vorstellt. Eine Haselnusscreme mit 48 Prozent Nussgehalt. Laut Mitarbeiter Dieter Röcker ist das ein sensationell hoher Wert, denn üblicherweise erreiche der Nuss-Anteil bei solchen Produkten maximal 20 Prozent. Eine Kostprobe gibt es nicht; auch das fällt deutlich ins Auge: Probierhäppchen sind auffallend rar.

Süsswaren Seitenbacher

Der neue Brotaufstrich „Süßkram" von Seitenbacher

Rar ist auch das Segment, das Norbert Mergen anbietet. Der gebürtige Luxemburger ist Großhändler für Qualitätsschokolade, einem nach seinen Worten „noch immer kleinen, aber stetig wachsenden Markt“. Wenn wir verhindern wollten, dass weiterhin Menschen mit dem Boot übers Mittelmeer nach Europa kommen, „müssen wir in den Herkunftsländern für ein lebenswertes Einkommen sorgen“, betont Mergen, der an seinem Stand Clear Chox in Halle 5.2 erstmals auch zwei Bean-to-Bar-Schokoladen aus Afrika anbietet.

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Den Experten ärgert, dass die Industrie „diesen Begriff geklaut“, habe. Tatsächlich kauften die großen Hersteller Kakaomasse in enormer Menge und ließen diese zu Schokolade gießen, ohne je eine Bohne in der Hand gehabt zu haben. Mergen nennt diese Hersteller, die schlechte Qualität kaufen und zu schlechter, geschmacklich eindimensionaler Schokolade verarbeiten, „Schmelzer“.

Das Geschäftsmodell ist Armut

Das Geschäftsmodell vom Massenkakao sei Armut. Gleichwohl verwende die Industrie das Vokabular „Nachhaltigkeit". Damit Kakaobauern überleben können, müsse eine 100-Gramm-Tafel mindestens vier Euro kosten, betont der Experte. 

Auch Marco Mühlberg bedauert, dass auf dieser Fachmesse „fast nur noch die großen Hersteller vertreten“ „Die kleinen können es sich gar nicht mehr leisten“, erklärt der Inhaber des auf Schokolade spezialisierten Kölner Geschäfts Hernando Cortez. Für den Einzelhändler sei die Messe auch deshalb „nicht mehr so interessant, weil die kleinen Manufakturen, sich inzwischen überwiegend über Social Media vermarkteten.  

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