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Kölner WeltstarDer kölsche Jung und das Kraftpaket aus Sibirien

5 min
Jurij Schiefenbusch und Alexander Sak (stehend) sind international erfolgreiche Brazilian-Jiu-Jitsu (BJJ) Kämpfer und haben in Köln ein Trainingscenter eröffnet.

Jurij Schiefenbusch und Alexander Sak (stehend) sind international erfolgreiche Brazilian-Jiu-Jitsu (BJJ) Kämpfer und haben in Köln ein Trainingscenter eröffnet. 

Der Kölner Alexander Sak ist dreifacher Kampfsport-Weltmeister. Mit seinem Partner Jurij Schiefenbusch hat er einen Verband gegründet und im Kölner Studentenviertel ein Trainingscenter für BrazilianJiu-Jitsu eröffnet. 

Der Kampf stand auf Messers Schneide, jeder auch noch so kleine Fehler hätte die Niederlage bedeuten können. „So ist das in der Weltspitze, da zählt jeder Millimeter“, sagt Alexander Sak. Vor ein paar Wochen stand der Brazilian-Jiu-Jitsu-Kämpfer (BJJ) beim Grand Slam in Abu Dhabi im Finale, das ist so etwas wie das Wimbledon für Tennisspieler. Im Emirat ist der Mattenkampf Nationalsport, noch vor Fußball. Selbst der Scheich, der tags zuvor den US-Präsidenten Donald Trump als Staatsgast empfangen hatte, war in der Halle.  Und der Kampf wurde live im TV übertragen.

Der Gegner für den Kölner kam aus Brasilien: Dreifacher Weltmeister seines Verbandes, seit vier Jahren ungeschlagen, hatte er nahezu jeden Kampf mit KO per Schulterwurf gewonnen, ein Gigant. „Ich habe aggressiver attackiert als in der Vorrunde, war aktiver, um den Typ zu beschäftigen, damit er keine Zeit zum Angriff hatte“, erzählt Sak, der noch nie gegen den Mann gekämpft hatte. Nach fünf Minuten Standard-Zeit und einer Zusatzminute hatte er es geschafft: Der Ringrichter erklärte Sak zum Sieger nach Punkten.

Bundesweit Wettkämpfe mit Tausenden Teilnehmern organisiert

Alexander Sak ist ein Star in seinem Sport, obwohl ihn in Köln kaum jemand kennt. Auch Yuri Schiefenbusch, sein Geschäftspartner, hat schon an zahlreichen internationalen Wettkämpfen teilgenommen – und stand anschließend auf dem Siegertreppchen. Die beiden betreiben seit Anfang des Jahres gemeinsam die Noca Academy, ein kleines Trainingscenter in der Kölner Innenstadt für Erwachsene und Kinder. Im Frühjahr 2023 gründeten sie zusammen die Organisation bjjweekend, die bundesweit Seminare, Trainingslager und Wochenendcamps zum Thema Jiu Jitsu ausrichtet.

Alexander Sak, dreifacher Jiu-Jitsu-Weltmeister, hat häufig schon für Deutschland gekämpft.

Alexander Sak, dreifacher Jiu-Jitsu-Weltmeister, hat häufig schon für Deutschland gekämpft.

Und es sollte noch höher hinaus gehen. Im September 2023 kam mit einem Partner aus Hannover die Jiu-Jitsu-League Germany dazu, an deren monatlich stattfindenden Wettkämpfen seitdem schon mehrere tausend Sportler teilgenommen haben.  „Wir wollen den Sport in Deutschland mit unseren offenen Wettkämpfen, an die Kämpfer aller Altersklassen ab vier Jahren und aller Nationen anmelden teilnehmen können, voranbringen“, erklärt Schiefenbusch: „Dabei versuchen wir auch ganz gezielt, Sponsoren zu werben, die die Sportler dann unterstützen.“

Auch ein bekannter „Käfigkämpfer“ trainiert im Kölner Studio

Es geht konzentriert zu im Kölner Gym, diszipliniert und still.  Das Gegenteil von einer wilden Balgerei wie etwa bei den seit geraumer Zeit auch in Deutschland boomenden Mixed-Martial-Arts-Wettbewerben, den sogenannten „Käfigkämpfen“ – bei denen auch am Boden liegende Gegner getreten und geschlagen werden dürfen. Obwohl auch der „Neandertaler“ auf der Matte ist, Deutschland’s neuer MMA-Star Frédéric Vosgröne. Wie aus dem Nichts hat der Düsseldorfer sich seit Anfang dieses Jahres mit vier spektakulär gewonnenen Fights in die Herzen der Fans gekämpft. Sein Spitzname kommt nicht von ungefähr – mit seiner markanten Stirn und kantigen Schädelform erinnert er tatsächlich ein wenig an den steinzeitlichen Namensgeber.

Der Kölner Jurij Schiefenbusch hat im Oktober 2023 die Bronze-Medaille bei der BJJ-Europameisterschaft in Rom gewonnen.

Der Kölner Jurij Schiefenbusch hat im Oktober 2023 die Bronze-Medaille bei der BJJ-Europameisterschaft in Rom gewonnen.

„Letztlich gewinne ich meine Kämpfe mit Brazilian-Jiu-Jitsu“, sagt Vosgröne. Vor allem im Bodenkampf, der etwa die Hälfte eines MMA-Fights ausmache, und bei den Verteidigungsstrategien sei die Sportart „elementar“.  Schon als Jugendlicher begann der heute 28-Jährige mit dem Training. Weil er den schwarzen Gürtel hat, den höchsten Grad beim BJJ, darf er im Kölner Studio auch einen Kurs geben. Und trainiert selber hier. „Alex und Jurij, die wissen genau, was sie tun, die sind in Deutschland wohl die erfahrensten Coaches“, sagt Vosgröne.

Wenn die beiden Kölner Studiogründer mal nicht zur Verfügung stehen, trainiert der MMA-Profi im Zweifel auch mit einem Anfänger. „Dann nehme ich halt ein paar PS raus", sagt er. Das sei  normal beim Jiu-Jitsu. „Der Respekt  vor dem Gegner.“

Kampfkunst, die zur Verteidigung dient

Weltweit wird geschätzt, dass etwa sechs Millionen Menschen Brazilian Jiu-Jitsu praktizieren. Wie beim Boxen gibt es auch beim BJJ mehrere Verbände, die sich gegenseitig nicht grün sind. Der Verteidigungssport ist eine Abwandlung und Weiterentwicklung der japanischen Kampfkünste Judo und Jiu Jitsu. Die brasilianische Variante legt den Schwerpunkt auf Bodenkampf, wobei im Training auch Wurftechniken  aus dem Stand unterrichtet werden.

„Die Knie stärker zusammendrücken“, ruft Schiefenbusch einem Kursteilnehmer zu, „Füße parallel und nicht überkreuzen“, verbessert er eine junge Frau. Heute werden sogenannte Armhebel trainiert, mit dem zum Beispiel der gestreckte Arm eines Angreifers überdehnt werden könnte, um ihn zur Aufgabe zu zwingen. Der 34-Jähige hat die Griffe vor ein paar Minuten mehrfach vorgemacht und erläutert, jetzt werden sie im Zweikampf trainiert. Neben Kraft und Konzentration kommt es auf die richtige Technik an. Und die Ernsthaftigkeit, mit der die Bewegungsabläufe geübt werden, hat wohl auch mit dem Vertrauen in die Trainer zu tun.

Der kölsche Jung und das Kraftpaket aus Sibirien

Schiefenbusch, als echt kölscher Jung „auf dem Sofa“ im Kölner Stadtteil Sülz geboren, hat den Sport in Brasilien gelernt. Sak ist in Saosjorny geboren, einer kleinen Stadt mitten in Sibirien. Zunächst im Judo und Sambo aktiv, einer russisch-sowjetischen Kampfsportart, stieg er 2014 noch in seiner alten Heimat auf Jiu-Jitsu um. Die Bilanz des 33-Jähigen ist beeindruckend: Fünfmal wurde er Europameister und dreimal Weltmeister.

Vor viereinhalb Jahren kam das Kraftpaket als Spätaussiedler nach Köln, seitdem kämpft er im Schwergewicht über 94 Kilogramm für die deutsche Jiu-Jitsu-Nationalmannschaft  und ist schon dreimal deutscher BJJ-Meister geworden. „Mein Ziel war es eigentlich immer, in die USA nach Kalifornien auszuwandern“, sagt er. Dort sei Jiu-Jitsu sehr beliebt. „Allerdings habe ich dann erfahren, dass mein Opa väterlicherseits aus Deutschland kommt, weshalb ich hierhergekommen bin, zurück zu meinen Wurzeln.“

„Er ist wie eine Dampflock ohne Bremsen“

Seinen Sport liebe er nicht nur wegen der Erfolge, sagt Sak. „Es ist vor allem die Community.“ Obwohl keiner seiner Verwandten in Deutschland leben, kenne ich durch den Sport fast in jeder Stadt jemanden. „Das hat mir geholfen, mich hier zurechtzufinden.“

Eigenes Trainingsstudio, Veranstalter von bundesweit stattfindenden Wettkämpfen und Weltklasse-Athlet mit vielen internationalen Turnier: Ist das nicht ein bisschen viel? Er habe keine Zeit, darüber nachzudenken, was nicht funktionieren könnte, sagt Sak und lacht: „Ich will einfach nur machen, machen und machen.“ Wenn er etwas wirklich wolle, sei sein Geschäftspartner sei wie „eine Dampflock ohne Bremsen“, ergänzt Schiefenbusch und lacht auch.