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Pannen-Justiz NRWZweiter Drogendealer wegen Formfehler des Gerichts freigelassen

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Eingang zum Oberlandesgericht Düsseldorf, das zwei Dealer aus der Haft entlassen hat.

Eingang zum Oberlandesgericht Düsseldorf, das zwei Dealer aus der Haft entlassen hat. 

Der Mann wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt. Weil das Landgericht Wuppertal aber zehn Monate keine schriftliche Urteilsbegründung schickte, musste der Verurteilte aus der Haft entlassen werden

Eine Justizpanne in Wuppertal hat einem zweiten als Drogendealer verurteilten Mann die Freiheit beschert. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am Donnerstag die Freilassung des zu 13 Jahren Haft verurteilten Drogendealers aus der Untersuchungshaft in Duisburg-Hamborn angeordnet.

Dies geht aus dem Beschluss des OLG hervor, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Zuvor war ein wegen Drogenhandels zu zehn Jahren Haft verurteilter Mann freigelassen worden. Der Grund für die Freilassungen klingt absurd: Selbst neun Monate nach der Verurteilung ist den mutmaßlichen Großdealern das Urteil vom Wuppertaler Landgericht entgegen den Vorschriften nicht schriftlich zugestellt worden.

Die Freigelassene ist „dringend verdächtig“

So habe „das Verfahren eine längere Verzögerung erfahren, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar ist“, heißt es in dem OLG-Beschluss. Der erstinstanzlich verurteilte Mann müsse freigelassen werden, obwohl der Angeklagte „dringend verdächtig“ sei, die ihm vorgeworfenen Taten auch begangen zu haben. Und angesichts der langen Haftstrafe zudem auch Fluchtgefahr bestehe.

NRW-Justizminister Benjamin Limbach wird von der FDP-Opposition eine „Sündenbock-Rhetorik“ vorgeworfen, um von eigenen Fehlern abzulenken.

NRW-Justizminister Benjamin Limbach wird von der FDP-Opposition eine „Sündenbock-Rhetorik“ vorgeworfen, um von eigenen Fehlern abzulenken.

Zum Zeitpunkt der Wuppertaler Urteile vom August 2024 saßen die mutmaßlichen Drogendealer nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon gut eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Bei U-Haft aber gilt das sogenannte „Beschleunigungsgebot“, auf das die OLG-Richter abhoben. Demnach müssen die beteiligten Behörden „alles in ihrer Macht Stehende“ tun, um die Ermittlungen „so schnell wie möglich“ abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Denn das „Übel“ der Freiheitsberaubung darf der Rechtsstaat aufgrund des Grundgesetzes nur Personen zumuten, die wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind.

Unterlagen wurden nicht fristgerecht verschickt

Im Fall der beiden Drogenhändler jedoch wurde das Urteil bisher noch nicht rechtskräftig, weil das Wuppertaler Strafgericht die dafür zwingend vorgeschriebenen Formalien nicht eingehalten hat: Das Urteil und das Protokoll der Gerichtsverhandlung den Betroffenen zeitnah zur Verfügung zu stellen. Denn um eine eventuelle Revision beim Bundesgerichtshof begründen zu können, sind die Verteidiger auf diese Unterlagen angewiesen.

„Das, was hier passiert ist, darf nicht passieren“, hatte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nach dem ersten Artikel unserer Zeitung von einem „schwerwiegenden Einzelfehler“ gesprochen. Er sei „völlig fassungslos“ gewesen, als er davon gehört habe, ergänzte der Präsident des Oberlandesgerichts, Werner Richter. „So etwas“ sei seiner Kenntnis nach in den vergangenen Jahrzehnten nicht vorgekommen. „Das Vertrauen in den Rechtsstaat wird durch einen solchen Fehler gefährdet.“

Landgericht Wuppertal bestätigt das Versagen

Beim Landgericht Wuppertal läuft mittlerweile die Aufklärung der Pannen. Das im vergangenen Jahr ergangene Urteil sowie das Prozess-Protokoll seien von den „Protokollkräften“ im vergangenen Jahr zwar fristgerecht verschriftlicht worden, wurden dann aber vom Vorsitzenden Richter der Strafkammer nicht bearbeitet und weitergeleitet, teilte das Landgericht Wuppertal auf Anfrage mit.  „Die dienstaufsichtsrechtliche Prüfung des Sachverhaltes“ dauere an.

Die Freilassung des zweiten erstinstanzlich verurteilten Drogendealers mache deutlich, dass derartige „Justizpannen kein Einzelfall sind“, sagte Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Justizminister Limbach indes versuche, „durch Sündenbock-Rhetorik von eigenen Versäumnissen“ abzulenken: „Die Verantwortung liegt beim Minister, nicht bei überlasteten Richtern und das von ihm auf Kante genähte Justizsystem.“

FDP: „Politischer Offenbarungseid von NRW-Justizminister Limbach“

Dass der Grünen-Politiker jetzt versuche, dem „mutmaßlich überlasteten Wuppertaler Kammervorsitzenden den ‚Schwarzen Peter‘“ zuzuschieben, sei „ein politischer Offenbarungseid“.  Am Wuppertaler Landgericht indes gebe es keine Personalnot, teilte ein Sprecher des Justizministeriums auf Anfrage mit. Die Belastungsquote sei sogar etwas unterdurchschnittlich. Die betroffene Strafkammer selbst habe auch keine Überlastung angezeigt. Gegenüber dem OLG hatte der betroffene Richter jedoch nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sehr wohl mit einer „hohen Belastung“ argumentiert, um seine mutmaßlichen Versäumnisse zu rechtfertigen.