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Zwischen Libur, Flittard, Deutz und Rath-Heumar„Kölns andere Seite“ – Ein Stadtführer nur für die Schäl Sick

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Michael Kriegel mit seinem Stadtführer

Michael Kriegel hat einen Stadtführer ausschließlich für das Rechtsrheinische vorgelegt.

Die „Schäl Sick“ wird meistens abgewertet. Ein engagierter Kölner bringt nun einen Stadtführer für das Rechtsrheinische raus.

Für manche Kölner soll hinter Deutz Sibirien beginnen. Ein Spruch, der dem früheren Bundeskanzler und Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer zugeschrieben wird. Fest steht: Das Rechtsrheinische wird von jeher als „Schäl Sick“ abgewertet, als „falsche“ Seite des Rheins. Vielleicht, weil die ersten Veedel erst seit dem 19. Jahrhundert zu Köln gehören – fast 2000 Jahre nach der Stadtgründung durch die Römer.

„Das Rechtsrheinische gilt nach wie vor als jung“, sagt Michael Kriegel, der die Unwucht im kollektiven Bewusstsein nun mit einem „historischen Stadtführer“ ausschließlich für das Rechtsrheinische ein wenig zurechtrücken will. Schließlich gibt es auch zwischen Libur und Flittard, zwischen Deutz und Rath-Heumar einiges zu entdecken.

Vom römischen Militärlager bis zu einer Bachbrücke aus Beton

Michael Kriegel war lange in der Erwachsenenbildung tätig, arbeitet als Stadtführer und engagiert sich für den Förderverein Historischer Park Deutz. Deshalb gehören auch die vom Verein vermittelten Überreste des Kastell Divitia am Kennedy-Ufer zu den insgesamt 35 Ausflugszielen, die der Autor prägnant zur Geltung bringt. Errichtet vor rund 1700 Jahren für 500 bis 1000 römische Soldaten, bildete das Militärlager den Ausgangspunkt für die Entstehung von Deutz. Immerhin hier setzten die Römer einen Fuß auf die andere Seite, allerdings nur, um Feinde abzuwehren.

Ein Bach wird mithilfe einer Brücke über einen anderen geführt.

In Holweide kreuzen sich zwei Bäche mithilfe einer Brücke.

„Ich habe versucht, Orte zu beschreiben, die schon einen bestimmten Bekanntheitsgrad haben, aber auch solche, die nicht unbedingt im Fokus stehen“, sagt der Autor. Zu letzteren zählt sicher die Bachkreuzung in Holweide, ein eher unansehnliches Betonbauwerk an der A 3 mit umso erstaunlicherer Funktion und Vergangenheit, die ins Mittelalter zurückreicht. Seitdem kreuzen sich hier die Strunde und der Faulbach, ohne ineinander zu fließen. Ein Brückenbauwerk, das früher aus Holz bestand, macht es möglich. Ein möglicher Hintergrund des kuriosen „Kreuzwassers“: Die gewerblich stark genutzte und verschmutzte Strunde sollte die Trinkwasserqualität des Faulbachs nicht beeinträchtigen. Es könnte aber auch eine Maßnahme gegen Hochwasser gewesen sein.

Jan-Wellem-Denkmal: Ein Düsseldorfer Regent in Köln?

Genaueres ist über den Optischen Telegrafen in Flittard bekannt. Das Gebäude an der Egonstraße löst mit seinem senkrecht aufragenden Mast auf dem Dach noch heute Verwunderung aus. Hierbei handelt es sich um einen Signalmast mit beweglichen Doppelarmen, mit denen im frühen 19. Jahrhundert Nachrichten empfangen und gesendet werden konnten. „Speziell ausgebildete Telegrafisten lasen mithilfe von Fernrohren codierte Informationen von einer Station ab und gaben sie an die nächste weiter“, schreibt Michael Kriegel.

Gebäude in Flittard mit dem Telegraf

Der Optische Telegraf in Flittard diente im 19. Jahrhundert der Nachrichtenübermittlung.

Fragen stellte er sich auch beim Anblick des Jan-Wellem-Denkmals am Mülheimer Stadtgarten. Ein Düsseldorfer Regent in Köln? Die Antwort liefert er im Buch: Der Herzog von Jülich-Berg hatte sich im 18. Jahrhundert tolerant gegenüber den im Linksrheinischen unterdrückten Protestanten gezeigt und auf diese Weise bedeutende Kaufleute angelockt. Zum Dank hatte Textilfabrikant Christoph Paul Andreae das Denkmal 1914 anlässlich des 200-jährigen Firmenbestehens gestiftet. Auch seine Familie war einst aus dem streng katholischen Köln nach Mülheim geflohen.

Mit Karten und Fotomaterial bringt Kriegel auch Ziele mit dunkler Vergangenheit näher. Dazu gehört die Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, das an ein Massaker der Nazis erinnert, oder die Märchensiedlung in Holweide und Dellbrück, dessen Architekt Manfred Faber im KZ Auschwitz ermordet wurde. Die Industriegeschichte, von der das Rechtsrheinische reichlich zu bieten hat, bildet einen Schwerpunkt des Buchs. Zwischen Deutz und Mülheim wurde einst der erste Viertaktmotor produziert. Die Accumulatorenwerke Humboldt-Gremberg leisteten Pionierarbeit bei der elektrischen Mobilität. Alles toll sei im Rechtsrheinischen natürlich nicht, so Kriegel. Der Umbau des Deutzer Hafens zu einem Arbeits- und Wohnquartier sei zwar das größte städtebauliche Projekt Kölns. Doch es blieben viele Industriebrachen, die revitalisiert werden müssten: „Hier passiert wenig bis gar nichts.“


Michael Kriegel: „Kölns andere Seite. Ein historischer Stadtführer für die Schäl Sick“. Verlag Ralf Liebe, ISBN 978-3-948682-73-6, 159 Seiten, 14 Euro