„Parat sin, wann dä Här kütt“An Weihnachten erobert die Kölsche Sprache die Kirche

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„Mess op Kölsch“ des Ehrenfelder Arbeitskreises in der Kirche St. Anna am zweiten Weihnachtsfeiertag

  • Der "Kölner Stadt-Anzeiger" nimmt das offizielle Motto der Karnevalssession „Uns Sproch es Heimat“ zum Anlass für eine Serie.
  • Dabei geht es um die kölsche Sprache, aber auch um die Sprachenvielfalt in der Stadt.

Köln – Die Glocken sind früh dran. Die Kinderlein auch. Gut zehn Minuten vor Beginn der „Mess op Kölsch“ erschallen die Lieder „Süßer die Glocken nie klingen“ und „Ihr Kinderlein kommet“. Die Melodien klingen vertraut, die Liedtexte sind in kölscher Sprache. „Wir möchten so die Gläubigen auf den Gottesdienst einstimmen“, sagt Hans Albert Fey, einer der Organisatoren der „Mess op Kölsch“. Die A-cappella-Darbietungen wirken. Rasch kehrt Ruhe in der Kirche St. Anna in Neuehrenfeld ein.

Etwa 700 Menschen feiern am zweiten Weihnachtsfeiertag gemeinsam die Messe. Die ersten sind gut eineinhalb Stunden vor dem offiziellen Beginn um 17 Uhr gekommen. Die Helfer waren auf diesen Zuspruch vorbereitet. Die übliche Bestuhlung des Kirchenraumes ist beträchtlich aufgestockt worden. Fey, Baas des Köln-Ehrenfelder Arbeitskreises „Mess op Kölsch“, ist davon überzeugt, dass die kölsche Sprache für die Menschen eine große Anziehungskraft hat. „Die Sprache – Kölsch ist ja keine Mundart – öffnet die Herzen. Wenn die Menschen Kölsch beten und traditionelle Kirchenlieder singen, die mit einem kölschen Text versehen sind, werden die Herzen weit.“

In St. Anna, die mit St. Peter und St. Barbara sowie St. Joseph und St. Mechtern zum Seelsorgebereich Ehrenfeld gehört, gibt es vier kölsche Gottesdienste im Jahr. Außer an Weihnachten finden sie am Ostermontag, am Pfingstsonntag und am letzten Sonntag im Oktober statt. Nie in der Karnevalszeit.

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Andere katholische und evangelische Gemeinden betten ihre kölschen Gottesdienste ganz bewusst in die närrische Zeit ein. So feiert die evangelische Gemeinde Dellbrück/Holweide am 6. Januar 2019 ab 11 Uhr gemeinsam mit den Dellbrücker Vereinen einen ökumenischen „Sessionseröffnungsgottesdienst“ in der Christuskirche. Etliche kölsche Feiern sind gemeinsame Gottesdienste beider Konfessionen.

Die Initiative geht nicht nur von den Gemeinden selber aus. Die Roten Funken luden am 16. November, wenige Tage nach der Sessionseröffnung, zu ihrer „Mess op Kölsch“ in die Kirche St. Severin im Severinsviertel ein. Dieser Gottesdienst wurde gemeinsam vom „Funkenpastur“ Walter „Jebätboch“ Koll und Pfarrerin Anna Quaas von der Kartäuserkirche geleitet. Umrahmt wurde die Messe von dem Bläck-Fööss-Titel „En unserem Veedel“ zur Einstimmung und „Jedäuf met 4711“ der Klüngelköpp zum Auszug.

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Eine Kölsche Messe in St. Aegidius (Archivbild)

Geht das überhaupt? Kölsche Musik im Gottesdienst? Ja, wenn man ein paar Dinge beachtet. Nachzulesen in der etwas sperrig formulierten „Handreichung zu Brauchtums- und Mundartmessen“, erstellt 2007 im Auftrag der Liturgiekommission der Erzdiözese Köln: „Mundart kann nicht nur gesprochen werden, sondern wird auch gesungen. So sind mundartliche Übertragungen von Kirchenliedern möglich, wenn es sich dabei nicht um gesungene liturgische Texte handelt – konkret: außerhalb des Ordinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei) können zum Einzug, zur Gabenbereitung, zur Danksagung nach der Kommunion und zum Schluss mundartliche Kirchenlieder gesungen werden. Doch sollte es sich wirklich um Kirchenlieder handeln, und dies sowohl hinsichtlich des Textes als auch der Melodie.“ Oder anders ausgedrückt: Karnevalslieder gehören nicht in die Liturgie.

Dementsprechend stimmte auch Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki in der Vergangenheit zum Schluss des Gottesdienstes der Karnevalisten im Kölner Dom „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Fööss an. Dieser ökumenische Gottesdienst unter Mitwirkung der beiden Kölner Dreigestirne und Vertretern des Festkomitees Kölner Karneval und der Gesellschaften wird am 10. Januar 2019, 18 Uhr, einen Tag vor der offiziellen Proklamation des „großen“ Dreigestirns gefeiert. Deutlicher lässt sich die Verbindung von Kirche und Karneval im „Hillije Kölle“ nicht dokumentieren.

Josef Metternich machte den Anfang

Die erste Messe mit kölschem Anstrich geht auf Josef Metternich, einst Pfarrer an St. Liebfrauen in Mülheim, zurück. Er feierte die Messe am 29. Februar 1976 mit Unterstützung des Organisten und Chorleiters Erwin Nonnenbroich und den damals noch jungen Bläck Fööss. Das Jahr 1976 hatte der „Bischof von Mülheim“, wie ihn seine Gemeinde liebevoll nannte, mit Bedacht gewählt. 100 Jahre zuvor war der Sänger und Komponist Willi Ostermann in Mülheim zur Welt gekommen. Damals war „Mülheim am Rhein“ noch eine eigenständige Stadt, erst 1914 erfolgte die Eingemeindung nach Köln. Metternich wollte mit der kölschen Messe Ostermann würdigen. Der saß seit 1936 am „Himmelspöözje“ und hatte der Musikwelt kurz vor seinem Tod das Lied „Heimweh nach Köln“ geschenkt.

In der Kirche St. Anna feiert der mittlerweile pensionierte Pfarrer Volker Weyres aus der Südstadt die Heilige Messe. Die „Mess op Kölsch“ erschließt sich auch Menschen, die kein oder nur wenig Kölsch sprechen. „Das Hochgebet der Eucharistiefeier ist immer in Hochdeutsch, wir fangen mit dem Vaterunser wieder auf Kölsch an“, sagt Fey. Damit es bei den kölschen Liedtexten gut fluppt, werden Texthefte verteilt. „Wir singen sehr viel in der Messe. Das können bis zu 30 Strophen sein.“ Jedes Lied singt Wolfgang Acht, ebenfalls Mitglied des Arbeitskreises, am Mikrofon vor, musikalisch unterstützt von dem Organisten Horst Wegmann. Etliche Texte hat der Mundartautor Fritz Häck übersetzt.

Bedenken, ob das angemessen sei

Seit 1984 gibt es den Ehrenfelder Arbeitskreis. Die Idee, Messen in kölscher Sprache anzubieten, löste zu Beginn keine ungeteilte Freude aus, erinnern sich die Initiatoren. Es gab Bedenken, ob dies angemessen sei. Erst als es gut lief, seien die Kritiker allmählich verstummt. „Wir wollen mit dem Angebot Leute erreichen, die die heutige Form der Gottesdienste nicht mehr anspricht. Wir denken gerade an die, die der Kirche distanziert oder gar resigniert gegenüberstehen“, so Fey.

Um ein Haar wäre der kölsche Plan des umtriebigen Pfarrers Metternich ins Wasser gefallen. Zumindest gibt es eine Geschichte, wonach Erzbischof Joseph Kardinal Höffner seinen Fahrer Anfang des Jahres 1976 mit einem Schreiben zur Liebfrauengemeinde geschickt haben soll. Der Mann sei aber nur auf den Küster getroffen, der gerade vor der Kirche den Hof fegte. Freundlich habe er den Brief entgegengenommen und in seine Kittelschürze gesteckt. Dort blieb das Schreiben, um vergessen zu werden. Als es wieder auftauchte, war die Mess op Kölsch vorbei und das Verbot derselben hatte sich erledigt. In St. Liebfrauen sind derzeit im Gottesdienst keine kölschen Töne zu hören. Es gibt keinen Seelsorger, der Kölsch kann.

Zur Rolle der Sprache im Gottesdienst steht in der Handreichung: „Sprache bestimmt wesentlich das Lebensgefühl des Alltags. Es ist gut, wenn sich die Sprache im Gottesdienst von der Alltagssprache abhebt, um den Unterschied zwischen Liturgie und Alltag zu verdeutlichen. Doch zugleich ist Sprache ein Stück Heimat, das auch im Gottesdienst, wenn der Mensch ganz ,bei Gott zuhause’ ist, erklingen darf.“ Und das klingt ins Kölsche übersetzt beispielsweise so: Es ist ein Ros entsprungen - Et blöht e herrlich Rüsje; Ihr Kinderlein kommet - Ehr Quös, kutt jelaufe“ oder aus Lukas 12: sich bereithalten für das Kommen des Herrn - parat sin, wann dä Här kütt.

Zum Hören und Weiterlesen: Das Evangelium auf Kölsch, von Rolly Brings, Bachem Verlag. Dazu gibt es ein Hörbuch. Dem Här zo Ihre, e Kölsch Jebettboch, hrsg. von Heribert Hilgers, Bachem Verlag; Psalmen op Kölsch, von Ria Wordel, Greven Verlag.

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