Jahrelanges Versagen von Politik und Verwaltung bei der Problemlösung setzt die Zukunft Kölns aufs Spiel.
Kommentar zum „Köln Check“Die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt bröckelt


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Copyright: Martina Goyert
Liebe deine Stadt“ – manch einer mag glauben, dieser Aufforderung bedürfe es nicht bei denen, die in Köln leben. Blinde Heimatliebe, wird den Kölnerinnen und Kölnern schließlich gerne nachgesagt. Die Realität sieht inzwischen anders aus. Der „Köln-Check“, eine repräsentative Umfrage im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zur bevorstehenden Kommunalwahl, zeigt: In der Beziehung der Kölner zu ihrer Stadt kriselt es gewaltig.
Die Ergebnisse der Befragung sind niederschmetternd. Vielen fällt auf die Frage, was sie an Köln schätzen, kaum noch eine Antwort ein.
Ausgerechnet die größten Kölner Aushängeschilder – das Brauchtum und der Dom – begeistern spontan nur einen Bruchteil derer, die in der Stadt leben. Die viel besungene kölsche Mentalität und die Offenheit der Menschen in dieser Stadt schätzt immerhin rund die Hälfte der Befragten. Das kann man positiv bewerten. Man muss aber auch fragen, warum sich in einer Millionenstadt, die sich so sehr über ihr weltoffenes Selbstbild definiert, die Hälfte der Bewohner genau damit nicht mehr auf Anhieb identifiziert.
Dass das „Jeföhl“ kippt, hat sehr konkrete Gründe: Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren zum Nachteil entwickelt – und niemand hat den Trend aufgehalten. Verwahrlosung, Wohnraumkrise, Baustellen, KVB-Misere, marode Schulen: Die Liste der Schmerzpunkte ist lang und überrascht an keiner einzigen Stelle.
Desaströses Abschlusszeugnis
Die Probleme liegen seit Jahren auf der Hand. Der scheidenden Oberbürgermeisterin Henriette stellen die Bürger mit dem „Köln-Check“ ein desaströses Abschlusszeugnis aus. Der Verwaltung ebenso. Ihnen ist es über die Jahre nicht gelungen, die Stadt im Sinne ihrer Bewohner zu gestalten. Damit haben sie ihren Auftrag nicht erfüllt. Das ist ein Vorwurf, den sich auch die Parteien gefallen lassen müssen. Wenn Bürger ihre Stadt als immer weniger lebenswert empfinden, agiert die Politik offenkundig an der Lebensrealität der Menschen vorbei.
Im Rennen um die Reker-Nachfolge wäre all das eigentlich eine Steilvorlage. Genutzt haben die Kandidaten – insbesondere die aussichtsreichen Bewerber Berivan Aymaz (Grüne), Torsten Burmester (SPD) und Markus Greitemann (CDU) – sie bisher nicht. Ihre Vorstellungen bleiben bislang blass. Konkrete Lösungen für konkrete Probleme? Mit dieser simplen Formel hat es bisher keiner der Anwärter geschafft, überzeugend auf sich aufmerksam zu machen. Schlimmer noch: Die Kölner haben derzeit kaum Hoffnung, dass sich die Dinge nach der Wahl im September zum Besseren wenden könnten.
Hier aber nun auch die gute Nachricht, die im „Köln-Check“ steckt: Selbst wenn viele Kölner gar nicht mehr so genau sagen können, warum – die weitaus meisten leben trotzdem weiterhin gerne in ihrer Stadt. Ihre Erwartungen haben sie mit ihren Antworten unmissverständlich formuliert: Sie wollen in einem sauberen, sicheren Umfeld leben, auf bezahlbarem Wohnraum. Sie wollen sich unkompliziert und zuverlässig von A nach B bewegen können. Sie wollen eine Stadt, in der sie sich unbeschwert aufhalten, auch im Sommer atmen können. Sie wollen, dass ihre Kinder zuverlässig betreut werden und dass in den Schulen nicht der Putz von der Decke fällt.
Aufgabe der Parteien und der Kandidierenden für das Oberbürgermeister-Amt ist es nun vor allem, den Menschen in den verbleibenden neun Wochen bis zur Kommunalwahl glaubwürdig und überzeugend darzulegen, wie sie das Ruder herumreißen, Köln aus der Misere manövrieren. In einem gemeinsamen Kraftakt mit der Verwaltung und einem entschlossenen Ratsbündnis.
Köln ist und bleibt ein „Jeföhl“. Natürlich. Aber die Kölner brauchen mehr als Luft, Liebe, Karneval und Kölsch. Sie verdienen eine zukunftsfähige, lebenswerte Stadt.