„Denkmal des Monats“Hinter Betonbau in Köln-Sülz versteckt sich ein buntes Lichtspiel

Lesezeit 3 Minuten
Die Kirche Heiliger Johannes XXIII. in Sülz – der Kunstexperte sieht „eine besonders abstrahierte Form eines griechischen Tempelbaus“.

Die Kirche Heiliger Johannes XXIII. in Sülz – der Kunstexperte sieht „eine besonders abstrahierte Form eines griechischen Tempelbaus“.

Sülz – Die Berrenrather Straße 127 ist ein Ort für Rätselliebhaber. Was ist das? Das hat sich so mancher Passant gefragt, der den Betonbau dort erstmals erblickte. Der Kölner Kunsthistoriker Thomas van Nies hat schon viele Menschen einiges vermuten hören: „Ein Umspannwerk“ oder „eine Turnhalle“ glaubten die Betrachter vor sich zu haben. Tatsächlich handelt es sich bei dem an eine gigantische Skulptur erinnernden Gebäude um eine Kirche – und zwar eine ganz besondere.

Was es mit dem ungewöhnlichen Sakralbau auf sich hat, erläuterte van Nies bei einer Führung in der Reihe „Denkmal des Monats“ des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege den Teilnehmern.

Kirche auf der Berrenrather Straße im Stil des Brutalismus

Die Kirche Heiliger Johannes XXIII. der katholischen Hochschulgemeinde wurde in den Jahren 1967 bis 1969 gebaut, im damals angesagten Stil des Brutalismus. Der Begriff, abgeleitet von dem französischen Ausdruck „béton brut“ für „roher Beton“, beschreibt den bevorzugten Werkstoff des französischen Architekten und Designers Le Corbusier – und nicht etwa „brutale“ wuchtige Bauweise, wie manchmal vermutet wird.

Diese Beschreibung würde allerdings auf die Sülzer Kirche auch gar nicht zutreffen. Trotz des martialisch anmutenden Materials wirkt sie verspielt – und fasziniert Kunstkenner, wie van Nies: „Es ist fast eine besonders abstrahierte Form eines griechischen Tempelbaus“, schwärmte er. Sogenannte Sima oder Geisone, also Kranzgesims und Traufleisten, aus der dorischen Tempelarchitektur seien hier völlig abstrakt in Sichtbeton umgesetzt worden.

Lichtspiel im Inneren des Gotteshauses

Lichtspiel im Inneren des Gotteshauses

Die Schöpfer des kunstvollen Kirchenbaus, ein Planungstriumvirat bestehend aus Pfarrer Wilhelm Nüssen, dem Architekten Heinz Buchmann und dem Bildhauer Josef Rikus hätten etwas Andersartiges schaffen wollen, ein Gotteshaus, das sich absetzt vom Profanen. Rikus bediente sich dafür kubistischer Bildsprache und gab dem Sakralbau eine geometrische Form mit verschlungener Dachlandschaft: „Vier Stahlbetonstützen tragen die Dachkonstruktion, Bündelpfeiler, die so von unten nach oben in den Himmel wachsen wie ein Baum“, erläuterte van Nies. „Eine archaisch gehaltene Krypta befindet sich im Untergeschoss. Darüber öffnet sich der Innenraum durch die fantastischen Fenster von Thonet.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Rot, blau, weiß und durchsichtig durchbricht die große Glasfläche die Betonwände. Zwei turmartige Vorbauten im Norden und im Süden ergänzen den Bau, der laut Thomas van Nies beides ist: Architektur und begehbare Plastik. Historiker Josef van Elten rundete die Erläuterungen mit Erzählungen zur Entstehungsgeschichte der Kirche ab. „Um 1962 hatte der Hochschulpfarrer Wilhelm Nüssen Erzbischof Frings gesteckt, das ginge so nicht weiter“, erzählte er, „ohne Zentrum könne er nichts machen, er bräuchte Versammlungs-, Büro- und Musikräume.“ So entstanden auf dem ehemaligen Trümmergrundstück die Aula, das Studentenzentrum und zwei Wohnheime und dann auch noch die Kirche.

Nüssen wollte etwas Besonderes. Er zog keinen Architekten zu Rate, sondern wandte sich an den Paderborner Bildhauer Josef Rikus. Der schuf ein erstes Holzmodell. Pfarrer Nüssen habe gerne die Anekdote erzählt, schildert van Elten, wie er das Modell Kardinal Frings vorstellte, der damals bereits blind war. Er habe ihm von einer „neogotischen Kirche“ vorgeschwärmt. Frings habe das Modell abgetastet und dann lächelnd mit dem Zeigefinger gedroht. „Herr Pfarrer ich sehe etwas anderes!“ Das hat ihm wohl gut gefallen. Denn das Kölner Generalvikariat sah sich veranlasst, einen Architekten-Wettbewerb auszuschreiben, um das Kunstwerk umzusetzen. Heinz Buchmann konnte sich durchsetzen – und baute die Kirche, vor der heute noch manch einer steht und sich über ihr Erscheinungsbild wundert.

KStA abonnieren