100 Jahre Sternenfreunde Köln„Ein Teleskop ist eine Zeitmaschine“

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Marco Dresbach-Runkel am Teleskop in der Volksternwarte.

Köln-Sülz – Wenn wir wissen möchten, welch drastische Auswirkungen ein ungebremster Klimawandel haben kann, dann müssen wir uns nur die Venus anschauen. Unser Nachbarplanet befindet sich laut Marco Dresbach-Runkel, Vorsitzender der Vereinigung der Sternenfreunde Köln, im Endstadium eines gigantischen Treibhauseffektes „Dort herrscht ein Druck von 90 Bar“, erläutert er, „die Temperatur beträgt 470 Grad Celsius“. Unter der dicken CO2-Schicht heize sich die Atmosphäre mächtig auf. Das war vermutlich einmal anders.

Umweltkatastrophe vor 700 Millionen Jahren

Modelle von Forschern legen nahe, dass der Planet einst ein mildes Klima, zudem flüssiges Wasser und sogar Ozeane besaß. Dann kam es vor etwa 700 Millionen Jahren zu einer Umweltkatastrophe, möglicherweise haben Vulkane Tonnen von Kohlendioxid ausgespien und dem Planeten so eine Treibhausglocke übergestülpt. Infolge der sich darunter entwickelnden Hitze sind Seen, Flussläufe und Meere verdampft. Der aufsteigende Wasserdampf wurde durch das UV-Licht der Sonne in seine Bestandteile zerlegt, der Wasserstoff verflüchtigte sich ins All.

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Die Sternenfreunde betreiben auf dem Dach des Schiller-Gymnasiums die Volkssternwarte. 

Die Vereinigung Sternenfreunde Köln ermöglicht interessierten Bürgern, einen Blick auf den atmosphärisch kollabierten Planeten zu werfen, und zwar bei einem Besuch ihrer „Volkssternwarte“, die sich auf dem Schillergymnasium befindet. Dieses Jahr wird die Vereinigung 100 Jahre alt. Die Initialzündung für ihre Gründung war 1922 ein öffentlicher Lichtbildvortrag über das Universum im Gürzenich, der dreimal hintereinander ausverkauft war. Der Inhaber einer Farbenfabrik in Nippes, Otto Kreuer, konnte erst bei der dritten Veranstaltung Karten ergattern – und war dann so begeistert, dass er noch während des Abends die Frage stellte, ob sich nicht Menschen finden lassen, die in Köln einen Verein für volkstümliche Astronomie gründen, so wie es ihn in anderen Städten schon gab. Es fanden sich 80 Teilnehmer eines ersten Treffens, der Verein wurde gegründet, Kreuer zu seinem Vorsitzenden gewählt. Das wichtigste Ziel war die Errichtung einer Volkssternwarte.

Erste Volkssternwarte am Großen Griechenmarkt

Ende 1936 wurde dann endlich die erste Kölner Volkssternwarte auf der evangelischen Volksschule zwischen dem Großen Griechenmarkt und der Agrippastraße eingeweiht. Leider wurde sie bereits sieben Jahre später bei einem Luftangriff in Schutt und Asche gelegt, das wertvolle Objektiv des Hauptinstruments aber gerettet. 1962 wurde sie schließlich auf dem Dach des Schiller-Gymnasiums errichtet. Mit ihrem mintgrünen Anstrich wurde sie farblich den Kölner Brücken angeglichen. Dort wurde zunächst das gerettete Objektiv in einem provisorischen Teleskop wieder benutzt, bis die Stadt Köln ein neues Fernrohr spendierte, das mit einem 225-Millimeter-Objektiv das damals größte frei zugängliche Linsenteleskop war. Zu ihrem 90. Jubiläum vor zehn Jahren beschenkten die Sternenfreunde die Volkssternwarte dann mit einem vollständig aus Bürgerspenden finanzierten Spiegelteleskop mit einer 600-Millimeter-Öffnung.

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Der  Pferdekopfnebel vor dem rot leuchtenden Emissionsnebel IC 434 sowie dem Flammennebel NGC 2024 im Sternbild Orion, das Bild machte Matthias Böhme mit Hilfe des „Cologne Large Telescope“.  

„Je größer die Öffnung des Objektivs, desto höher ist die Auflösung und desto mehr Details sind erkennbar“, erläutert Dresbach-Runkel. Durch das „Cologne Large Telescope“ wie die Sternenfreunde ihr Gerät genannt haben, kann man die Sonne beobachten, die Nachbarplaneten, andere Galaxien. „Ein Teleskop ist ein Lichtsammler und eine Zeitmaschine“, so Dresbach-Runkel. „Es zeigt eigentlich nur Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind. Unsere Nachbargalaxie Andromeda ist 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt, das Licht braucht also 2,5 Millionen Jahre, bis es bei uns auf die menschliche Netzhaut fällt. Was wir heute sehen, wenn wir uns die Galaxie anschauen, ist dort vor 2,5 Millionen Jahren geschehen.“

Monde gibt es auch in Kartoffel-Form

In der Volkssternwarte lassen sich aber vor allem auch Planeten unseres eigenen Sonnensystems gut beobachten, der Saturn mit seinem Ring und der Jupiter mit seinen diversen Monden. Bekannt sind vor allem die vier größten sogenannten Galileischen Monde Ganymed, Kallisto, Io und Europa. Tatsächlich besitzt der Planet aber 79 Monde. „Sie sind nicht alle rund“, sagt Dresbach-Runkel. „Manche haben auch die Form einer Kartoffel. Der Mond Europa besitzt einen geschlossenen Eismantel. Darunter befindet sich Wasser – und wird zumindest bakterielles – Leben vermutet. Bevor die Menschheit andere Planeten besiedelt, wird sie wohl ein erster Schritt auf diverse Monde führen, vermutet Dresbach-Runkel.

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Doch langfristig müssten die Menschen eine bewohnbare Alternative finden. „Nicht nur der Klimawandel, auch die Bevölkerungsexplosion führen dazu, dass wir auf der Erde irgendwann an unsere Grenzen stoßen“, betont der Diplom-Umweltwissenschaftler. Dann muss die Menschheit auswandern. Wohin die Reise geht, können sich die Kölner in der Volkssternwarte schon einmal anschauen.

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